Tilde zwei oder: der Fuchs in der Wüste

Kurzgeschichte zum Thema Schicksal

von  Judas

Dieser Text ist Teil der Serie  Tilde.
„An meiner Decke sind Azteken.“
„Was tun sie?“
„Und Wölfe. Sie tanzen. In einem Mandala.“
„Hast du wieder Drogen genommen?“
„Vielleicht.“

_

Wir saßen nicht mehr in meinem Zimmer, sondern auf einer Wiese irgendwo. Eine Amsel spielte  Blackbird's Song. Ich hörte eine Geige aber fand sie nicht.
Fuchs hatte uns mal wieder gebeamt, ich mochte das nicht, ich musste vom Beamen immer kotzen.
Fuchsens Fell stand im tollen Kontrast zur Wiese. Das fiel mir auf, als ich ihn fragte, ob wir immer noch nach dem Glück suchten.
„Ich nicht. Du etwa?“, antwortete er und saß possierlich im Gras.
Fehlt nur noch, dass er sich das Pfötchen leckt und verschmitzt lächelt, dachte ich. Stattdessen nahm er den Hut von seinem Kopf und den Joint von der Hutkrempe.
„Nein.“, sagte ich schließlich, „Ich suche nach dem gelobten Land.“
Fuchs bot der Amsel den Joint an.
„Deine Gedanken gefallen mir. Ich mach mit.“, nickte er.
„Welches gelobte Land suchen wir denn?“, fragte ich ihn.
„Erstens,“, begann der kiffende Fuchs und hob eine Pfote in die Höhe, „streich das Wort 'suchen' aus deinem Vokabular. Wir suchen jetzt nicht mehr, wir finden. Und zweitens...“, er zeigte zum Horizont während er dies flüsterte, „lass uns das gelobte Land eines Lügners finden.“

Nach fünf Tagen in der Wüste beschlich mich der Gedanke, dass das eine bekackte Idee gewesen sein könnte. Wir fanden ja so einiges – Echsenkönige, Sphingen und ziemlich viele Kakteen. Aber jedes mal, wenn ich so mit fragendem Blick auf eines dieser Gefundenen zeigte, schüttelte der kiffende Fuchs nur mit dem Kopf und ging weiter.

Nach zwölf Tagen hatte ich das Lied der Amsel vergessen. Ich wusste nicht einmal mehr, ob es mir überhaupt gefallen hatte.
Es war Nacht  und ich baute mir gerade ein Luftschloss aus Sand. Ich konnte den Gürtel sehen, fand aber Orion nicht.
„Glaubst du an das Schicksal?“, fragte Fuchs mich.
„Nein. Ich glaube, dass alles, was geschieht, geschieht. Und das aus keinem nennenswerten Grund.“, sagte ich.
„Aha. Du glaubst nicht ans Schicksal, aber an kiffende Füchse.“, sagte er und zeigte mir ein breites Fuchsgrinsen.
„Das ist was anderes.“, entgegnete ich trotzig. Um nicht mit einer weiteren Gott-und-die-Welt-Frage konfrontiert zu werden, fügte ich rasch hinzu: „Wann sind wir eigentlich da?“
„Bald.“, sagte er. Mir war nie bewusst gewesen, dass Fuchsaugen im Dunkeln gelb leuchteten.

Als ich unter der Wüstensonne aufwachte, wehte ein Wind. Mein Schloss war fort und Fuchsspuren im Sand.
Ich fand seinen schwarzen Hut. Ein Zettel war am Band befestigt. Darauf stand geschrieben:
„Pack deine Sachen und zieh los. Hab keine Angst. Ich bin immer noch hier.“
Ich steckte den Zettel ein und setzte den Hut auf. Unter einem Kaktus lag eine Geige.
Ich nahm sie mit.
Und sang das Lied des schwarzen Vogels.

Illustration zum Text
Der kiffende Fuchs.
(von Judas)

Anmerkung von Judas:

Nicht zwingend notwendig zu lesen, aber hilfreich:
Tilde (erster Teil) - http://keinverlag.de/texte.php?text=324888

"Alles, was geschieht, geschieht." - Douglas Adams.
Blackbird's Song wird in unserer Welt nicht von einer Amsel, sondern von Lee DeWyze gesungen.

Hinweis: Der Verfasser wünscht generell keine Kommentare von Verlo.

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text


 larala (21.03.14)
Mag ich noch lieber als den ersten Teil. Besonders den letzten Abschnitt. Und das Bild natürlich.

 Judas meinte dazu am 21.03.14:
Danke :) Mir gefällt er auch ein Stück besser als der erste Teil. Man schreibt sich irgendwann in den kiffenden Fuchs rein, denke ich.
P. Rofan (44)
(21.03.14)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Judas antwortete darauf am 21.03.14:
Unter dem Gedanken betrachtet, ergibt der Zettel einen verdammt herrlichen Sinn :D Danke dafür!

Ps.: pssssscht!

 RomanTikker (08.07.14)
Tilde und Tilde zwei gehören zu meinen KV-Lieblingen. Nicht, dass es die jeweils witzigsten, die tiefsinnigsten, die bestgeschriebensten, abgefahrensten Texte wären - aber sie sind von alldem genug, und das eben gleichzeitig, und diese Mischung musst du lange suchen. Wenn du es nötig hast. Ich habe sie gefunden. Natürlich. Und jetzt, wo ich 1 als Theaterstück gesehen und den Wahrheitsgehalt von 2 auf einer gutenmorgensonnengestreichelten Wiese bei einer Flasche Tullamore erläutert bekommen habe, mag ich beide Tilden noch ein bisschen mehr als vorher. Judas, du bist eine der wenigen Autorinnen hier, denen ich alle meine Witze vorlesen würde, ohne Sorge zu tragen, sie würden nicht verstanden oder stießen auf Verachtung. Und dass das so ist, steht in beiden Tilden zwischen den Zeilen.
Weitermachen, bitte! Aber nicht mit Tilde drei, das wäre zuviel des Guten. Es gibt noch so viele andere Satzzeichen ...
(Kommentar korrigiert am 08.07.2014)
(Kommentar korrigiert am 08.07.2014)

 Judas schrieb daraufhin am 08.07.14:
Aye, aye Herr Tikker! Ich werde schreiben!
(Du weißt ja eh, einem Whiskey darf man nicht widerstehen)

 Vessel (10.09.15)
das ist halt einfach wirklich und unglaublich schräg. ein wenig, wie ein verständnisvoller einblick in den status epilepticus einer quietschenden käseraspel, nur mit mehr kiffen und mehr allgemeinbildung. ich mags total! :)

 Judas äußerte darauf am 14.12.15:
Dieser Kommentar ist mir irgendwie entgangen...
Aber vielen Dank dafür :D
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram