Der Geburtstag

Text zum Thema Freundschaft

von  Augustus

Literatur, Lyrik, Naturwissenschaften, Psychologie, Theorien, Systeme, Simulationshypothese, Portwein und Whiskey.

 

Was für ein Abend, mein lieber Leser! Könnte – könnte ich das nur so in Worte wiederholen, was an diesem Abend sich zutrug, ich müsste so schreiben wie der größte Schriftsteller , der je gelebt hatte.  Ich hoffe dennoch, dass ich mich mit meinen bescheidenem Talent Dir das vermitteln kann, was die Nacht für uns vorbereitet hatte.

T hatte Geburtstag und lud ein. Angedacht war, dass eine Handvoll Personen kommen. 17.15 Uhr kam ich als Erster an. T bot ein Gläschen besten Portwein an. Ich beglückwünschte ihn zum Geburtstag und überreichte ihm 2 verpackte Geschenke. Bücher versteht sich, eines aus einem Antiquariat und ein aktuelles „ Die beste Welt aller Welten“ aus der Buchhandlung.  

Kaum hatte ich mich hingesetzt, begrüßte mich von der Seite H. Ein talentierter Lyriker und ein Dandy. So saßen wir zu Dritt bald und stießen die gefüllten Gläser auf T.

Das Gespräch wendete sich rasch zu der Frage, ob man die eigene Angst überwunden habe, die doch den Geist bei seiner Entwicklung bremst und ihm deshalb eine Fussfessel anlegt, die dafür sorgt, dass man seinen Schatten (nach C Jung) nicht integrieren kann. T und ich wechselten uns wörtlich darüber aus, und gaben privates preis. Doch kamen wir zu dem Entschluss, dass wir von dem Dämon, der uns hartnäckig in der Vergangenheit bedrängte, überwunden haben.

Er sprach mich an, dass er sich nicht ganz sicher in der Sache sei, ob ich bei den Themen eher gegen ihn debattiere, um Recht über seine Ideen zu behalten oder ob ich das freie Spiel an der Debatte, weil sie Vergnügen bereite,  genieße. Ich antwortete ihm, es ist das freie Spiel der Gedanken, die Freude bereiten. Wäre es ernst, ich wäre Politiker geworden.  

T präsentierte uns alsbald zwei Archetypen aus der Psychologie und erklärte uns unsere (H und meines) Eigenschaften und den Dämon, den es zu integrieren gilt. Darüber wurde einiges diskutiert.

Bald wechselten wir das Thema. H schrieb „Reinheit, Freiheit, Gerechtigkeit, Loyalität, Autorität und Fürsorge“ und ich sollte zwei auswählen, die mir wichtig sind oder ich befürworte und eines, dass meinem Charakter entgegengesetzt ist und meine Schwäche darstellt.

Aufgrund von Missdeutung der Begriffe wählte ich zuerst Gerechtigkeit und Loyalität aus. Als Schwäche wählte ich Autorität. T merkte sofort an, dass es hierzu ein gutes Buch von einem Philosophen gibt.  H wählte als erste s Freiheit und als zweites Reinheit aus und als Schwäche Loyalität. T wählte als erstes Reinheit aus und als zweites Freiheit und als Schwäche Fürsorge. Nun sollte aber jeder sich erklären, warum er diese und nicht jene Begriffe ausgewählt hatte. Als ich vortrug wurde deutlich, dass ich vom Begriff der Gerechtigkeit abwich und eigentlich den Begriff Reinheit hätte auswählen sollen, da die Reinheit weitaus mehr auf meine Erklärung schließt, als Gerechtigkeit. Loyalität blieb. Wir waren Neugierig warum ich als Stärke Loyalität und T als Schwäche Fürsorge ausgewählt hatten und H Loyalität als Schwäche.    

„Nun, erklärte ich, es ist der praktischen Vernunft geschuldet und insbesondere in unserer Zeit, wo so wenig Loyalität einem bedeutet, ist es mir umso wichtiger.“ Nun fragte man, warum H dagegen so wenig von der Loyalität hält. „Die Loyalität widerspricht der Freiheit. Mir ist meine Freiheit, zu tun und lassen zu können, was ich will, wichtiger.“ T sagte zu seiner Schwäche der Fürsorge. „Darum, weil ich mit ihr Wenig anfangen kann, bin ich umso mehr bemüht mich ihr zu widmen. Sie ist eigentlich gänzlich meinem Wesen fremd.“

Es wurde der Abend später und leider gesellten sich – bis auf einen – keine weiteren Gäste dazu. Die Gespräche von drei Anwesenden  über – die Themen – füllten die Köpfe so vollumfänglich aus, als ob zehn Anwesende vor Ort wären. Der Abend wurde immer lustiger,  und es wurde bald die Frau zum Gesprächsthema auserkoren.  Dirne, Jungfrau, Königin, Elfe, Jägerin, Lilith. T schwärmte darüber und artikulierte sich leichtfüßig über sein theoretisches System und vergnügte uns damit. Wir suchten Lilith enger zu fassen und fingen bei Adam und Eva an und hörten mit der Erkenntnis, dass Liliths Reich die Erde ist,  da die reine Jungfrau auf der Erde abwesend ist und in einer anderen Welt erst vorzufinden ist. Weinigers Idee wurde harmonisch aufgelöst, dass die Jungfrau auf Erden nicht existiert, mit T Aussage, dass sie in einem anderen Reich – transzendentalen Reich – existiert. Daran glaube er, dass es die reine Jungfrau gibt und er fühle dies als apollinischer Mann allzu genau.   T und ich äußerten den Gedanken, dass Lilith sich nach dem Moment des Samenergusses des Mannes als Zerstörung zeigt. Der Mann ist nach dem Augenblick 100% Entropie und verneint die Frau zu 100% im nächsten Augenblick, da alle Lust und Begierde sich erschöpft haben. Nach dieser Sekunde ist Lilith zu erkennen. H sträubte sich dagegen und erwiderte, wie schön es sei danach die Frau in den Armen zu halten und mit ihr zu kuscheln, er sehe keine zerstörerische Kraft.  Ich fügte bei, dass der Zustand der 100% Entropie des Mannes bald zur Ordnung zurückkehrt und Lilith sich auch wieder danach zurückzieht. Entscheidend ist, dass es eine winzige Sekunde gibt, in der Lilith spürbar wird und dies genau in der Sekunde nach der völligen Zerstörung der Frau im Geiste des Mannes. Würde der Zustand länger andauern, würde der Mann sich vor der Frau ekeln. Dieser Ekel, sollte er zwischen Mann und Frau hinterher vorhanden sein, ist das Werk der Lilith.

Es wurde immer später und lustiger und endlich gegen 23.30 Uhr gesellte sich E hinzu, ein vertrauter Freund von H. Man hatte zwischenzeitlich einiges gehört und gesagt zu Systemen und Theorien, nun sollten wir einem entspannten Thematik uns widmen, der Lyrik.

Das Blut war warm, die Gedanken segelten auf dem Schaum des Portweins oder des Whiskeys. Je nachdem was man bevorzugte. H trällerte einige seiner Gedichte in der Art oder Gottfried Benn oder Erich Kästner. T und ich sagte unsere Meinung dazu und interpretierten die Gedichte mündlich.

Meine vorgetragene Lyrik, darunter eine Ballade, fand gefallen.  Es hat etwas von Eichendorf, sagte H. Allein T kritisierte ein Gedicht von mir, da ich in diesem Gedicht, etwas verspieltes und verträumtes abwerte, als sei es ohne Wert. Dabei erklärte ich, es sei vielmehr gemeint, dass das verspielte nicht als positiv zu sehen ist, sondern als etwas flüchtiges,  nichts ernstes zu betrachten ist und dies erst dann bemerklich wird, wenn die wahre und  ernste Liebe komme, weswegen man in dieser Liebe über das Flüchtige und bis dahin sinnlose Treiben, enthoben wird.  Bis zum Kommen der wahren Liebe wird man es weder sehen noch erkennen können. „Das ist das Schicksal der vielen“, sagte ich pessimistisch, „da die, die zueinander gehören, sich nicht treffen.“    

Die Gedichte von T wurden von H oder mir vorgelesen. Wir nahmen uns die derben Gedichte von T vor, als Gegensätze zu unseren, die wie Fäuste wirkten und lobten den dahinter versteckten tieferen Sinn, den kaum ein Leser zu bemerken schien.

Gegen Ende der tiefen und späten Nacht, als das Vergnügen den Endpunkt oder Spitze erreichte, wollte T, dass jeder auf seine Götter schwören muss und das frei heraus. Ich werde nicht verraten, wer unter welchen Göttern lebt, aber ich werde zumindest verraten, welche Götter erwähnt wurden. Loki, Eros, Odin, Eros.

Jeder sprach frei heraus, und mir gefiel T’s freies Sprechen über seinen Gott als das Beste, weil es mit viel Witz und Schalk verbunden war. H als Liebling der Frauen, der lieber gejagt werden will als selbst Jäger zu sein, huldigte seinem Gott. Ich schaute in den Nachthimmel und den Mond draußen und befühlte mit dem Geist die Bäume und die Wolken und der Wind trieb einige Sätze aus meinem Munde. E huldigte seinem Gott, als den, der unerschöpfliche Liebe und Leidenschaft gewährt, wovon man nie satt wird.

Wir stießen mit den Gläsern an!

Im Vertrauen teilte mir T etwas unerhörtes und wie aus dem Nichts kommendes mit. Ich darf dir mitteilen, mein Freund, dass ich heute die Simulationshypothese bestätigt finde  Wie das? Entfuhr es mir mit überraschten Augen. Ja, die Menschen, die ich eingeladen habe und die ich als NPCs betrachtet habe, sind alle nicht gekommen, als ob der Demiurg mir mitteilen will, wenn du sie als NPC’s betrachtest, dann werde ich dafür sorgen, dass sie heute nicht kommen. Und du, der du gekommen bist (er meint mich), der die Simulationshypothese unterstützt, bist gekommen. Die Sätze machten Sinn, insbesondere weil T und ich uns darüber ausgiebig bis zur Erschöpfung schon vorher die Wochen ausgetauscht hatten und nun zu seinem besonderen Tag, dem Geburtstag, sollte die Erkenntnis folgen.

„Der Demiurg oder die Demiurgin*en,“ sagte ich, „müssen dir wohlgesonnen sein, wenn sie dir ein solches Geschenk heute darreichen.“

 

Ich verabschiedete mich mit herzlicher Umarmung und trat in die kühle, glänzende Nacht hinaus.  



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Kommentare zu diesem Text

Terminator (41)
(20.02.24, 00:58)
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Terminator (41) meinte dazu am 20.02.24 um 01:18:
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