Die Renaissance des Krieges

Text zum Thema Krieg/Krieger

von  Fridolin

Ich komme von diesem Thema nicht mehr los. Dabei hat es doch die ganze Zeit über dauernd Kriege gegeben: Kosovo, Irak, Libyen, Afghanistan – was ist jetzt auf einmal so anders?

Als ich geboren wurde, war der schlimmste Krieg aller Zeiten gerade beendet worden. Alle hatten die Nase voll; es schien als hätte man gelernt, dass Krieg keine Lösung ist. Das bröckelte dann zwar recht schnell wieder ab: Man akzeptierte eine Bundeswehr, eine NATO, man müsse sich schließlich verteidigen können, und dass die Kommunisten gefährlicher als andere seien, glaubte ich ja auch eine ganze Weile. Immer stand im Hintergrund das atomare Patt, vielleicht reichte ja die Drohung, dass man sich wehren kann im Falle eines Falles. Ich glaubte nicht, dass irgendjemand im Ernst einen Krieg wollen könnte. Gewiss, da war Ungarn, das uns tagelang in Atem hielt, das schien mir letztlich aber doch glimpflich abgegangen zu sein und so dann doch ein Beweis, dass den wirklich großen Krieg keiner wollte. Dann kam Vietnam: schon ernster, aber so wie es dort endete, war es doch wieder nur ein Zeichen, ein Beweis, dass Krieg letztlich nichts bringt. Und dieser Krieg wurde lautstark kritisiert, man konnte sich einbilden, dass diese Kritik etwas bewirkt hätte im Sinne einer Abkehr vom militärischen Denken. Was gab es doch für tolle Lieder damals!

Es kamen die Jahre der Entspannungspolitik, des Kampfes um Rüstungskontrolle, mit dem Höhepunkt der Wiedervereinigung. Gorbatschov, der dem Westen vertraute. Allzu sehr, zeigte sich bald, denn die USA setzten unvermindert auf den Ausbau ihrer militärische Stärke als Fundament ihrer Weltherrschaft. Sie überholten rechts, sozusagen. Versöhnung interessierte nicht. Aus heutiger Sicht muss ich eingestehen, dass ich das verschlafen habe. Beim Kosovo hätte ich es sehen können, worauf es den Kriegstreibern ankam. Bomben als Hilfe! Ich habe es (noch) geglaubt. Man hätte Handke vielleicht besser zuhören sollen.

Der Irak machte es dann offensichtlich, welche Rolle die Propaganda nun spielte. Immerhin ließ Schröder sich nicht gänzlich vor diesen Karren spannen. Und der sonst so unsägliche Westerwelle spielte sogar in Libyen nicht mit. Steinmayer handelte die Minsk-Abkommen maßgeblich mit aus, die man heute allerdings als fortgeschrittene Augenwischerei einstufen muss. Es gab Hoffnung, dass Europa eine eigenständige Rolle spielen könnte, trotz Afghanistan, das eigentlich schon eine europäische Kapitulation gegenüber den USA war.

Und das ist es wohl, was nun so anders ist: Es gibt keinen Widerpart mehr. Putin sitzt allein auf der Anklagebank, die Schweinereien unserer „Schutzmacht“ spielen keine Rolle mehr, werden klaglos hingenommen. Nichts Ernstzunehmendes stellt sich kapitalistischen Beutezügen mehr entgegen, jedenfalls nicht in unseren Reihen. Big money wird im Kampf der Reichen gegen die Armen ganz ungeniert hofiert. Der Klimawandel ist drohender denn je, und mit dem Krieg wird gleichzeitig kommentarlos eine der größten Klimasünden befeuert. Die aller Orten propagierte Aufrüstung läuft auf das Recht des Stärkeren hinaus. Der militärisch Stärkere setzt Recht nach seinem Gutdünken. Information wird zur Desinformation erklärt, wenn sie der falschen Seite zu dienen scheint. Allenthalben wird Parteinahme  gefordert, ohne Kontrolle, was sie bewirkt.

Trost bieten allenfalls weit entfernte, schwer zu verstehende fremde Länder. Sie scheinen mehr und mehr im Blick zu haben, von wo die größte Gefahr droht. In den eigenen Reihen gibt es kaum noch Widerstand, und wo er sich regt, wird er nach Kräften untergebügelt. Der kriegsschwangere Vorkriegs-Totentanz ist eingeläutet. Das kompromisslose Gewinnstreben droht mal wieder den Bogen zu überspannen; ihm ist der Krieg je länger je lieber. Eine gespaltene Bevölkerung ist ihm egal.

Und sollte es doch ein Ende dieses Krieges geben, wird dies voraussichtlich einem Reichtumsbewunderer und Demokratieverächter wie Donald Trump zu verdanken sein. Wie schlecht auch immer der real existierende Sozialismus war, er war „die Alternative“, eben doch ein Gegenpart, wenn auch ein schwacher.

Und nun noch Israel – im Höhenflug militärischer Stärke. Ein entsetzlicher Blindflug, der die Schwäche dieser Stärke gnadenlos bloßlegt, und dennoch ändert sich nichts. Nichts, außer Zerstörung werden sie erreichen ...




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Kommentare zu diesem Text


 Aron Manfeld (15.05.24, 20:08)
Man hätte die DDR nicht schlachten sollen, lieber Fridolin, sondern durch Kredite stützen - dann wäre die Welt heute geordneter.

 Beislschmidt (15.05.24, 20:37)
Da bin ich bei dir, Fridolin.
Es geht nichts Gutes von Deutschland aus. Das war mal anders.

Zitat Patrik Baab....

die Geldgeber, insbesondere der internationale Währungsfond, die USA, die EU und die Investmentgesellschaften, haben dauerhaft die Regierung in Kiew in der Hand. Wenn man noch die Gebietsverluste, die zerstörte Infrastruktur, die verseuchte Umwelt, zehntausende Kriegstote und dauerhaft ins Ausland Geflüchtete berücksichtigt, bleibt der Ukraine nur anhaltende Unterentwicklung, finanzielle Abhängigkeit, Ausverkauf an Konzerne und politische Instabilität. Dies

sind die westlichen Werte, für die eine korrupte Elite ihr eigenes Volk in den Tod schickt.

 Aron Manfeld meinte dazu am 15.05.24 um 20:50:
Der Westen plant im Gebiet der Ukraine ein riesiges Pflegeheim nach Beendigung der Kriegshandlungen, Hans. Ziel soll sein, günstige Unterbringungen für westliche Sozialfälle zu schaffen.

 Fridolin antwortete darauf am 16.05.24 um 05:22:
Baab scheint ein guter Mann zu sein. Was die Sozialfälle betrifft, da sehe ich eher schwarz. Die U. wird genug eigene Sozialfälle haben, aber vor allem: Wirklich gute Geschäfte sind mit Sozialfällen nicht zu machen. Aber Danke für Euer Interesse.

 Tula (15.05.24, 22:39)
Na ja, Fridolin, der reale Sozialismus der DDR war Teil eines sowjetischen Imperiums, das sich bereits 1919, kurz nach seiner Erschaffung, in den ersten, sagen wir es ruhig - imperialistischen Eroberungskrieg bolschewistischer Prägung stürzte. Das Opfer war Polen, damals selbst nicht unbedingt demokratisch, aber darum geht es nicht. Dem folgten Finnland, die baltischen Staaten und die barbarische Politik Stalins, die Milmionen Menschen das Leben kostete. Haben ja seinerzeit auch Afghanistan überfallen, während sich beide, USA und UdSSR in aller Welt Stellvertreterkriege leisteten. Also von Alternative keine Spur, auch nicht die DDR nur für sich, denn sie existierte nicht 'nur für sich'.

Tula

 Fridolin schrieb daraufhin am 16.05.24 um 05:13:
Willst Du bestreiten, dass es eine Systemkonkurrenz gegeben hat?

 Tula äußerte darauf am 16.05.24 um 07:19:
Nein, im Gegenteil. Ich bestreite, dass das Gesellschaftsmodell Sozialismus in irgendeiner Weise friedlicher war, als der 'Klassenfeind'. Wir (DDR) waren nur Teil (sprich Satellitenstaat Moskaus ohne jede politische oder gesellschaftliche Selbstbestimmung), das insgesamt alles andere als friedlich war. Wenn Moskau in Ungarn, Prag oder eben am 17. Juni die Panzer rollen ließ, dann nicht, um den Frieden zu wahren. Die Liste der Kriege der UdSSR ist recht lang, ob vom Zaun gebrochen oder aktiv geschürt. Völkerfreundschaft gab es nur wenn die russischen Interessen nicht bedroht waren. 

Tula

 Fridolin ergänzte dazu am 17.05.24 um 04:39:
dass das Gesellschaftsmodell Sozialismus in irgendeiner Weise friedlicher war
war auch nicht meine Rede, obwohl es dazu schon einiges zu sagen gäbe. Möglicherweise hat die militärische Power, die Du beschreibst, "unsere" Krieger sogar mehr als alles andere beeindruckt und im Zaum gehalten, wäre jedenfalls nicht unlogisch.

 Regina (16.05.24, 04:56)
Hier schaut mal einer auf die Realitäten, jenseits der Voreingenommenheit, die derzeit üblich ist.
LG Gina

 Kardamom meinte dazu am 16.05.24 um 06:15:
Was hat die Realität der aktuell laufenden russischen Invasion mit heutiger  Voreingenommenheit zu tun? Das verstehe ich nicht.


Meine frühere russlandfreundliche Voreingenommenheit wurde von der Realität am Tag des Einmarschs vor 2 Jahren im Sekundenbruchteil pulverisiert. Ich hatte bis dahin an eine grundsätzliche Friedensliebe Russlands geglaubt. 


Antwort geändert am 16.05.2024 um 06:20 Uhr

 Regina meinte dazu am 16.05.24 um 09:17:
Schau mal auf die Überschrift: Renaissance heißt "wiederkehr, Wiedergeburt". Demzuvor war nämlich Krieg außer Mode gekommen in der Öffentlichen Meinung.

 Fridolin meinte dazu am 17.05.24 um 04:44:
Danke für die Empfehlung.

 lugarex (16.05.24, 05:53)
super geschrieben!

 Fridolin meinte dazu am 17.05.24 um 04:45:
Auch Dir sei Dank!

 Dieter_Rotmund (16.05.24, 11:41)
Warum ist der gesamte Text als Fettdruck dargestellt, noch dazu mit dieser ungewöhnlichen Schriftart?

 Quoth (28.05.24, 10:57)
Hallo Fridolin, ein guter und ehrlicher Versuch, eine Bilanz zu ziehen. Zöge ich sie, würden neben dem Ungarnaufstand auch der 17. Juni und die Besetzung Prags eine große Rolle spielen (an die auch Ex-DDR-Bürger Tula schon erinnert hat). Der Realexistierende Sozialismus war aber schon für Rudi Dutschke und seine Anhänger, darunter mich, keine Alternative mehr, sondern eher eine Belastung, weil er den Marxismus mit zaristischen (und schlimmeren) Methoden besudelte. Den Gazakrieg gegen die Hamas hat Israel bereits verloren, weil es sich durch seinen Notwehrexzess in die weltweite Isolierung gebombt hat - mit unabsehbaren Folgen auch für die innereuropäische Politik.

 Fridolin meinte dazu am 29.05.24 um 05:56:
Herzlichen Dank für Deinen Kommentar und die Empfehlung. Was mich umtreibt, ist das Gefühl, seit 2/2022 im Krieg zu leben. Für uns ist es zwar bisher "nur" ein Papier- bzw. Propagandkrieg, der aber jederzeit eskalieren kann. Aber auch ohne das ist es schlimm genug. 
Das Schlimmste ist, dass es nach allem, was ich in Erfahrung bringen konnte, nicht sonderlich schwierig wäre, die Waffen zum Schweigen zu bringen. Aber "wir" zeigen uns gänzlich uninteressiert an Ideen zu einer friedlichen Lösung; im Gegenteil, "wir" heizen nach Kräften an. Es dominiert die Angst, die "Freundschaft" der Herren der Welt zu verlieren. Sie diktiert Parteilichkeit.
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