Sommer damals

Text

von  Mondscheinsonate

Nachdem großartige Frauen dafür kämpften, dass Frauen selbstbestimmter sein durften, in Österreich ist ganz besonders die Dohnal hervorzuheben, die der ehrwürdigen Bundesregierung unter Kreisky angehörte, gab es in meinem Umfeld kaum eine Frau, die nicht in Vollzeitbeschäftigung war. So waren wir Kinder untertags in Kindergärten, danach Horten untergebracht. Auch die Omas und Opas mussten einspringen. Dort gab es selbstgemachten Pudding und Kaiserschmarrn, so viel man wollte. 

Nein, so eine Oma hatte ich nicht, aber ich wurde jede Ferien zu den Großeltern verfrachtet, wo ich jeweils eine Woche, auch zwei oder zwei Monate verbringen durfte. Da der Ort, später das Städtchen 72 km von Wien entfernt lag, gaben die Eltern, später nur die Mutter, die Verantwortung gänzlichst ab. 

Dort war ich zwischen den Mahlzeiten, die streng pünktlich eingehalten werden mussten, vogelfrei. Dennoch, allein durch die Art und Weise wie mit mir umgegangen wurde, nämlich wie mit einer Erwachsenen, herrschte Respekt. Manchmal ließ sich meine Oma herab, die nur am putzen war, mit mir Rummy zu spielen, jedoch der Opa spielte oft mit mir "Mensch ärgere dich nicht". Oma schummelte immer beim spielen, das war eher unangenehm. 

Zumeist war ich aber unter zehn Jahren draußen und war mit den Freunden unterwegs. Hauptsächlich in der Natur, vorallem im Wald spielten wir viel.

Es gab eigentlich nur drei Regeln, die strengstens zu befolgen waren: 1. Geh nicht mit Fremden mit, 2. Schau, bevor du über die Straße gehst (Oma war der Meinung, dass Stadtkinder eher überfahren werden, weil die nicht schauen) und 3. Wenn es blitzt, dann soll ich mich ganz klein machen. Das wäre es auch gewesen. Im Haus, hingegen, gab es dutzende Regeln, aber die Hauptregel war: "Greif nichts an, du hast Drecksfinger!"

Im Nachhinein: "... ja, außerdem ist in jeder Bodenvase, jedem Blumentopf, einfach überall der Bouchet (Weinbrand) versteckt."

Aber, im Sommer scherten mich Hausregeln nicht, im Winter war es eher mühsam. 

Ich hatte es schön, das stundenlange Nichtstun im hohen Gras, das Räuber und Gendarm- Spiel, das "heimlich über den Zaun vom Freibad" klettern, der Baumhausbau im Wald, die Ohrfeige (einzige!) des Großvaters nach dem Pflücken von Zyklamen, ich verstand die Welt nicht mehr. Das "über den Bach springen" und als Einzige hineinfallen, so viele Erinnerungen, die ich einmal, einen Sommer nicht erleben durfte, da sich meine Mutter mit ihrer überworfen hatte, da kam ich in den Hort, in die Kindertagesstätte. Dort musste ich den ganzen Tag in Räumen spielen, singen und tanzen, alles auf Zwang. 

Das war ein verlorener Sommer.


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Kommentare zu diesem Text


 franky (12.07.24, 08:06)
Hi liebe Cori

Du beschreibst Bilder, die mich an meine Kindheit als sehendes Kind erinnern.

Liebe Grüße nach Wien von Franky

 Mondscheinsonate meinte dazu am 12.07.24 um 19:05:
Danke, Grüße zurück!

 Vaga (12.07.24, 16:32)
Wieder gern gelesen hab' ich diesen Erinnerungstext, weil u.a. sehr lebendig und (für mich bildhaft) nachvollziehbar erzählt - mit folgendem Nachgedanken:
Ob die Authentizität/Autorität der darin beschriebenen Oma, die beim Spielen schummelt, in den Augen des Kindes Erschütterung erfuhr, weil es dieses Verhalten als eher unangenehm empfand, und/oder ob - quasi durch Lernen am Modell - für das Kind andererseits erahnbar wurde, in welchem Maße eine solche, relativ harmlose, menschliche Schwäche akzeptabel oder gar verzeihbar sein kann?

 Mondscheinsonate antwortete darauf am 12.07.24 um 19:07:
Ich empfand es als unangenehm, weil sie dadurch immer gewann. Und gewann sie nicht, weil sie nicht schummelte, was selten vorkam, war sie beleidigt.
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