Es ist doch der persönliche Mikrokosmos der Kindheit, der einem zu dem machte, der man heute ist. Es waren vielleicht die 300 qm³, langgezogen, voller Hundsrosen, auch Heckenrosen genannt, die im Abstand von jeweils einem Meter gesetzt wurden, dies vor den fünf Einfamilienhäusern, heute unvorstellbar, so eine große öffentlich-rechtliche Fläche zu einer Rosenwiese gestalten, überhaupt bei den Immobilienpreisen, so muss die Gemeinde im privatwirtschaftlichen Handeln auch haushalten, nützt nichts, schauen, dass Geld hereinkommt, anyway, damals war das so. Auch die vielen Vogelhäuser in der Riesenrabatte, eines stellte die Großmutter auf, da kam der Herr Reifböck mit einem riesengroßen Hammer und schlug einen Pflock in den Boden, ganz tief, dann schraubte er ein kleines Häuschen darauf, da kamen dann ein paar Stunden später die Meisen und fraßen in ihrem "Stundenhotel", es zog kein Vogel ein, war nur eine Raststätte. Und so ließen es sich die anderen Nachbarn nicht nehmen, taten es gleich und manch' einer wetteiferte sogar, baute eine regelrechte Miniaturvilla, zur Freude der Katzen, die sich rundherum tümmelten. Die Oma sagte: "Komplett verblödet sind die!" - Sie nicht. "Die Peggy ist immer voller Dornen im Fell!"
Stimmte, aber auch voller Zecken, denn damals war es modern, dunkle Tannen, die riesengroß wurden und Zimmer verdunkelten, zu pflanzen, darunter hielten sich die Schnurrer liebend gerne auf. Ich wusste das, und weil die Großmutter die unteren Zweige abschneiden ließ, auch hier war Herr Reifböck so freundlich, konnte ich ins hintere Eck zu den Katzen kriechen und sie herzen, Oma sagte: "Das Kind lässt die Katzen nicht in Ruhe! Und, Jessas Maria, jetzt ist es auch noch voller Zecken!" und so filzte sie uns beide mit Öl und der Zeckenzange.
Aber, das Viertel hatten wir Kinder in der Hand so war es geteilt, denn geradeaus war unser Reich, das von Karin, den Zwillingen, Hans-Peters und meines, um die Ecke das von Stefanie und ihrer Gang. Aber, unser Reich bestand aus Reihenhäusern, in die wir ein- und ausgehen konnten, fragten nicht, sagten: "Da bin ich, auch wir!", bekamen Eis, Bonbons und Sprudelwasser, auch den niedrigen Sozialbauten und der großen Wiese hinter den Häusern, hingegen die andere Straße waren höhere Bauten, dort lebten Menschen, die mit uns nichts zu tun haben wollten, einer hatte sogar einen gold-lackierten Audi, was in Wahrheit seltsames beige war, für uns eben gold. Wir sagten: "Da leben die Reichen!", was fraglich war.
Was allerdings stimmte, dort lebten die Hundemenschen, wir hatten alle Katzen, bis auf Bauers Cora, überall nur Katzen, mein Paradies.
Die Geschenke der schnurrenden Vierbeiner, die waren weniger erbaulich, so liefen sie über die große Straße zum Erlbach und zurück, brachten Eidechsen, Mäuse, allerlei Kleintiere, legten diese vor die Türe, kleine Gaben, die Oma sagte: "Pfui, Teufel! Drecksviecher, elendige" und schmiss etliche Leichnahme in die Tonne.
Und irgendwann ließ die Großmutter das Haus streichen, das grüne Eingangstor wurde braun, so düster wie die Tannen, das Standardgrün verschwand, das machte mich traurig.
Die Gemeinde schrieb eine neue, zusätzliche Tonne vor, so mussten wir immer schauen, welche gerade hinausgestellt werden musste, die Frau Holzer starb, da zog jemand Neuer ein, den wir kaum bis nie sahen, Karins Vater ließ sich scheiden, blieb, die Frau ging, der Mischa verschwand nach dem Auftritt des Wanderzirkus mit Tiger, die Peggy bekam epileptische Anfälle, das goldene Auto wurde ein silbergrauer Mercedes und überhaupt wurden wir größer und spielten kaum noch miteinander, fremdelten im Freibad, da steckten nur noch die Jungs und die Mädchen getrennt voneinander die Köpfe zusammen, unser Kosmos zerbröselte, zerfiel.