Das Jahr 1990 muss ein ganz besonderes gewesen sein

Bericht zum Thema Ehrgeiz

von  eiskimo

Es gibt Texte, die verstehen nur Insider. Die setzen eine lange Vorgeschichte voraus und ein gutes Gedächtnis. Tschüss also an alle, die jetzt verständnislos „hä?“ sagen.

Okay, diese Texte sind ein bisschen gemein, weil sie eine gewisse Zahl (!) an Lesewilligen von vorn herein ausschließen und "follower" belohnen. Aber ich nehme mir ausnahmsweise die Freiheit, so exklusiv vorzugehen.

Ich will nämlich nicht wie bei einer PrimeTime-Fernseh-Serie den langen Vorspann herunterleiern „Was ist bisher geschehen“, bloß um noch ein paar Leute mehr mitzunehmen. Womit wir, liebe Insider, wieder beim Blick auf Zahlen wären.

Logisch, dass in der heutigen Folge tatsächlich wieder eine Zahl die Hauptrolle spielt. Genau genommen vier Zahlen. Ihr wisst noch: Da war ein Code, den es zu entschlüsseln galt. Ohne Hilfsmittel, ohne Erfahrung im Knacken von Banktresoren oder Hotelsafes.

Ihr wisst noch, dass es sich nur um ein banales Fahrradschloss handelte. Immerhin, es war ein hochwertiges, mit Sicherheitsstufe 7, und damit schon in einem vierstelligen Zahlenraum codiert.

Meine Vorgehensweise war die eines Anfängers. Sie war simpel, beamtenhaft. Einfach bei Null anfangend und dann immer weiter, Zahl für Zahl. Die „richtige“ müsste dann ja getroffen werden. Irgendwann.

Die Schwäche dieser Methode: Man lässt in der Konzentration nach, wird hastig, überspringt vielleicht eine Kombination. Und dann war alle Mühe umsonst. Ja, an einer Stelle mal nicht aufpassen, und schon ist alles futsch. Wie im echten Leben.

Aber man wird zum Philosophen. Sisyphos lässt grüßen. Einfach weitermachen. Um wieder mit Camus zu reden: Das Absurde. Sind wir nicht alle zum Scheitern verurteilt? Und leben dennoch weiter…

Ich bin gescheitert. Ich habe geduldig den Zahlenraum durchschritten… bis zum Ende, bis Neuntausendneunhundertneunundneunzig.  Und es war wie befürchtet: Sesam öffnete sich nicht. Der Jubel, das Sich auf die Schulter Klopfen, es blieb aus.

Aber der Camus in mir war deswegen nicht tot. „La révolte“  begann. Jetzt erst recht. Nicht, dass ich dasselbe beamtenhafte Spiel noch einmal von vorn begann – nein, ich wurde zum Hasardeur.

Ohne Pause machte ich weiter, aber diesmal „auf Verdacht“. Ich stellte mir den Teufel vor, der da dieses Zahlenrätsel ersonnen hatte, ich dachte mich in dessen Denke ein und … probierte.

Die Zahlentreppen wie 1-2.3.4  oder 9-8-7-6, die brachten nichts. Die Fünfer- oder Dreier-Reihe auch nicht. Historische Daten wie 1492 oder 1789 waren ebenfalls Nieten. In meiner Verzweiflung kam ich auf Blindes Scrollen -  Fehlanzeige.

Dann folgte ich der Eingebung „Geburtsjahr“. Wer auch immer da an dem Zahlenschloss tätig gewesen war – er musste ja noch am Leben sein. Ich dachte natürlich zuerst an einen Jugendlichen.

Da waren die Zahlen 2000 bis 2015 fällig. Nichts.

Dann ging ich zu den über 20jährigen. Nichts.

Aber dann … 

Der Täter oder die Täterin muss 34 sein.

Und mitten in der Nacht gab es doch noch einen Jubelschrei.




Anmerkung von eiskimo:

Der lange Einstieg in den Text steht symbolisch für den langen Zahlen-Tunnel, den ich da durchschreiten musste ... Was will ich damit sagen: Ausdauer wird belohnt.

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Kommentare zu diesem Text


 Moja (27.11.24, 10:46)
Spannend erzählt!
Moja grüßt

 eiskimo meinte dazu am 27.11.24 um 11:33:
Danke. War halt aus dem Leben gegriffen....
LG

 Graeculus (27.11.24, 11:05)
Das Geburtsjahr! Eine der naheliegenden Möglichkeiten.
Interessant, was Du als Schwäche des des systematischen Durchgehens aller Möglichkeiten angibst. Daß man dann gerade die richtige Zahl vermasselt!

Und was lehrt uns das über Sisyphos?

 eiskimo antwortete darauf am 27.11.24 um 11:33:
Die Schwäche des methodisch linearen Vorgehens ist auch eine Schwäche der Fingermuskeln - man muss ja die verriegelten Enden des Schlosses bei jedem Klick auseinanderziehen. Und das Xmal.... Da fehlt dann im entscheidenden Moment der Ruck.
Was Du gestern als Alternative vorgeschlagen hattest, war dann ja auch schlauer.
Und was uns all das über Sisyphos lehrt: Hättest Du meine Freude miterlebt - Sisyphos MUSS ein glücklicher Mensch gewesen sein - kurzfristig.

 Graeculus schrieb daraufhin am 27.11.24 um 12:23:
Ja, der Moment, in den man den Felsen auf den Gipfel geschleppt hat und angekommen ist - köstlich.

Die Kunst des Schloßverriegelns besteht doch eigentlich darin, die naheliegenden Zahlenkombinationen zu vermeiden und dennoch eine zu finden, die man sich leicht merken kann. Oder?
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