Wie einer in die Welt der Zahlen taucht

Bericht zum Thema Suche

von  eiskimo

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Wisst ihr, die ihr das jetzt hier lest, noch, wie ihr die Welt der Zahlen entdeckt habt?  Ich frage das, weil meine Enkelkinder gerade mit allerlei Tricks und Pictos an den Zahlenraum bis 20 bzw. 100  und sogar 1000 herangeführt wurden. Erstes und zweites Grundschuljahr.

Ich, der Opa dagegen, ich erkunde momentan den Zahlenraum bis 9999! Und ich verzichte dabei völlig auf pädagogische Hilfsmittel. Nein, ich verlasse mich ganz auf meine Finger.

Warum diese langwierige händische Übung? Nun, weil ich ein Zahlenschloss „knacken“ will, und zwar ein ganz neues. Es hat vier Rädchen mit jeweils der Reihe eins bis zehn, und durch behutsames Drehen versuche ich die Kombination einzustellen, mit der sich das Schloss entriegelt.

Vorgeschichte: Im Fahrradladen hatte ein Unbekannter besagtes Schloss, das auf 0000 eingestellt war, heimlich mit einer neuen Nummer codiert – und fand das wohl witzig. Der Fahrradhändler konnte das Schloss ohne Kenntnis des veränderten Codes nicht mehr verkaufen. Immerhin waren für ihn damit 40 Euro futsch. Aber ich versprach ihm: „Die veränderte Zahl, die kriege ich raus!“

Wie gesagt: Der Zahlenraum von Eins bis Neuntausendneunhundertneunundneunzig ist verdammt groß, und ein Opa ohne pädagogische Hilfsmittel, der braucht da eine Menge Zeit.

Ich habe mich auf die Methode festgelegt, bei Null anzufangen und alle Zahlenkombinationen dieses Schlosses einfach Zahl für Zahl aufsteigend einzustellen.

Zwischenbescheid nach drei Tagen: Der Unbekannte aus dem Fahrradladen hatte keine „kleine“ Zahl in diesem vierstelligen Raum ausgewählt – die hätte ich längst haben müssen. Denn ich bin aktuell schon bei 6300.

Wer jetzt Mitleid mit Opa empfindet und sich ausmalt, dass es doch ziemlich nervtötend sein muss, so „am Rädchen zu drehen“, den muss ich enttäuschen.

Denn ich arbeite in homöopathischen Dosen, das heißt immer nur wenige Minuten, und ich fülle mit dem „Drehen“  Zeiten, in denen ich sowieso Leerlauf hätte. Eine Fußball-Übertragungen eignet sich bestens, habe ich gemerkt, oder die Werbepausen bei “Bauer sucht Frau“. Und: Mein Computer braucht recht lange, um hochzufahren – ich drehe!

Dieses Zwischenspiel ist sehr entspannend, geradezu therapeutisch willkommen, gerade auch, wenn man ansonsten allzu betriebsam ist.

Die Zahlen entwickeln überdies eine mir bis dato unbekannte Magie. Kommt die Neun, höre ich ein „Nein“, über jede „Zwo“ bin ich „froh“, die Sieben ist mir heilig, aber „Du hast es zu eilig!“ – wir beginnen sozusagen ein den Zahlenraum sprengendes Zwiegespräch.

Ich erkenne in manchen Zahlen ein Gesicht, so dass ich kurz inne halte. Manchmal meine ich einen Appell zu hören – „komm mit!“  oder „Du kannst jetzt nicht stehenbleiben!“ Es gibt Zahlen, die sind mir auf Anhieb sympathisch - die unendliche Acht! -, während alle Fünfer mich abstoßen. Da habe ich wohl ein Schulnoten-Trauma.
Unvermeidlich sind bestimmte Kombinationen, die für wichtige Ereignisse in meinem Leben stehen – und die abstrakte Ziffer tritt plötzlich zurück, um wilden oder auch geschönten Bildern zu weichen.

Völlig fasziniert bin ich, wenn ich in die philosophische Ecke gerate: Ist das Weiterdrehen an diesen Zahlenreihen nicht Abbild unseres Lebens? Wir gehen immer weiter, Schritt für Schritt. Wir zählen und wir bilden uns ein, es ginge doch aufwärts, ja, wir entwickelten uns nach oben. Aber die Zahlen sind ja nur eine imaginäre Größe, sie sind total wesenlos.

Und mein Zahlenschloss ist da brutal ehrlich. Ich komme zwar mit den Zahlen immer höher, aber verschlossen ist verschlossen.  Das befreiende „Ich hab´s!“, das lässt auf sich warten.

Manchmal denke ich schon : Du warst beim Durchprobieren der Codes sicher einmal zu hastig … und hast die Glückszahl verpasst. Wie im Leben. Da war in einer bestimmten Situation – ganz kurz – einmal die ganz große Nummer möglich – aber du warst zu sehr in deinem Trott, du warst zu blind.

Wie auch immer: Gleich kehre ich zurück an mein „Spielzeug“. Ich muss sagen: Mit Lust. Vielleicht gilt hierbei ja auch: Der Weg ist das Ziel.  Selbst wenn am Ende die 9999 erreicht wäre und Sesam hätte sich vorher nicht geöffnet – egal! Dann wäre ich halt so eine Art Sisyphos gewesen. Und sagte nicht Camus einmal: Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen!

Zurück in mein Opa-Leben:  Ob meine Enkelkinder Verständnis  für so viel „Spökes“ haben?

Gestern sagte der ältere der beiden Knaben: „Opa, du hast mit großer Klappe was versprochen, und jetzt hast du nur Angst, dass du dich blamierst!“





Anmerkung von eiskimo:

Das mit "Bauer sucht Frau" stimmt nicht. Ich kenne diese Sendung gar nicht. Mir gefiel in diesem Zusammenhang nur der Begriff Suchen. Denn Opa sucht Zahl.
PS: 694 Worte habe ich hier jetzt gemacht. Ob ich noch vier dranhänge? Dann könnte ich drei Rädchen auf einmal weiterdrehen....

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Kommentare zu diesem Text


 Graeculus (25.11.24, 23:57)
Du gehst alle möglichen Zahlenkombinationen von 0001 bis 9999 durch. Ich hätte es zunächst mit naheliegenden Kombinationen versucht, wie 1234 oder 9876.

Das berühmte Camus-Zitat ist hochgradig interpretationsbedürftig und, wie ich meine, viel interessanter als die Zahlenkombination. "Wir müssen [warum?] uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen [was nicht heißt, da er einer ist!]."
Das ist was zum Nachdenken.

 eiskimo meinte dazu am 26.11.24 um 08:40:
Danke für Deine Gedanken zu meinem Zahlen-Salat. Die Versuche mit den "Klassikern" habe ich mal spontan nachgemacht, alles, was noch hinter 6300 kommen könnte. Hélas...
Dabei fällt mir ein Klassiker aus Frankreich ein. Dort ist es sehr verbreitet, Haustüren mit Zahlencodes zu sichern. Rate mal, welche Kombi da führend ist?  1789...
Was Du zu Camus sagst, rückt das Zitat tatsächlich in ein ganz anderes Licht. Ein bisschen erkenne ich da auch meine Zwangslage.

 AchterZwerg (26.11.24, 06:12)
Schick doch dein Bild an die KI!
Die wird es bestimmt richten.
Oder auch nicht. :P

 eiskimo antwortete darauf am 26.11.24 um 08:46:
Wäre mein Problem durch einen digitalen Verschluss gegeben, hätte KI die Lösung in Sekundenschnelle.
Das doofe Schloss ist aber analog. Handarbeit ist und bleibt da unerlässlich.
Was ich mich naiv frage: Gibt es erprobte Fahrraddiebe, die so einen Sicherungscode "erfühlen" können? Oder am Klick-Geräusch der Rädchen heraushören, dass da die gesuchte Freistelle ist?
Anfänger-Grüße von
Eiskimo

 AchterZwerg schrieb daraufhin am 26.11.24 um 12:29:
Kennst du denn keinen einzigen Tresorknacker?

Mitleidige Grüße

 eiskimo äußerte darauf am 26.11.24 um 12:37:
Die ich kenne, sitzen alle ein..
Gebe Deine Mitleidsgrüsse an sie weiter :P

 AZU20 (26.11.24, 10:05)
Ja, da muss der Opa halt am Ball bleiben. LG

 AchterZwerg ergänzte dazu am 26.11.24 um 12:30:
Wieso am Ball? Am Schloss! :D

 eiskimo meinte dazu am 26.11.24 um 12:38:
Bin jetzt bei 7450.
Ich halte Euch auf dem Laufenden.
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