das Eismeer

Gedicht

von  Tula

Vision der Macht
der Macht der Starre, absolut und unumstößlich
in einem Reich, in dem sich nichts mehr regt
kein Blut mehr fließt, nichts Weiches darf
in dieser Kälte überleben

Wer hier eindringt ...!  brüllt der Fürst der blinden Stürme
ein anderer errichtet Tempel, ganz aus Eisgestein
für alle Ewigkeit

Vision der Nacht!

und dennoch wagte sich ein Häufchen Trotziger
bis an den Nullpunkt des Erbarmens
(Werden scheitern, werden scheitern!
schrie ein Bischof vor der Reise)
ohne Rettung nun die Arche ihres Wagemuts
begraben unter aufgetürmtem Zorn der hier Allmächtigen
zermalmt mit ihr gewiss das eine oder andere Herz

und trotzdem reißt
an allem eine Kraft, im Licht verborgen
zieht den Tempeln einen Zipfel und an diesen
Zorn und Starre aus dem Bild
kaum wahrnehmbar, aber unwiderruflich

Mussten scheitern, mussten scheitern!
schreit ein Bischof, dabei sticht
das nächste Schiffchen längst in See


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Kommentare zu diesem Text


 Saira (11.01.25, 00:52)
Hallo Tula,
 
Macht, Kälte und das unaufhörliche Streben des Menschen, selbst in den extremsten Bedingungen zu bestehen, sind für mein Empfinden die Bilder, die du kreierst.
 
Die „Vision der Macht“ und die „Macht der Starre“ vermitteln mir ein Gefühl der Unbeweglichkeit und der absoluten Kontrolle, die das Eismeer ausstrahlt. Diese Kälte, die du beschreibst, ist nicht nur physisch, sondern auch emotional und spirituell. Sie lässt keinen Raum für das Weiche, das Lebendige.
 
Für mich ist dein Gedicht eine Hommage an den unaufhörlichen menschlichen Geist, der selbst in den kältesten und härtesten Umgebungen nach Licht und Leben strebt.
 
Das Bild von Caspar David Friedrich unterstreicht meinen Eindruck.
 
Herzliche Grüße
Sigi

 Tula meinte dazu am 11.01.25 um 21:41:
Liebe Sigi
Herzlichen Dank für deine wahrhafte Rezension zum Gedicht. Du hast es trefflich zusammengefasst.

Dankend liebe Grüße
Tula

 AchterZwerg (11.01.25, 07:11)
O ihr Götter,
welch wunderbares Gedicht ist dir hier gelungen! Herausragend in jeder Hinsicht (gäbe es doch eine Dreifachbesternung).
Allein der "Nullpunkt des Erbarmens." <3 <3 <3

Die Aufmüpfigen sterben nicht aus. Immer wieder werden sie ihre Archen besteigen und auf ein Ende der Finsternis hoffen. - Gefühlt überwiegt allerdings der Eindruck, dass es weniger werden.

Ist aber vermulich ein ähnlicher "Irrtum" wie der Klimawandel.

Jedenfalls: Gaaanz großes Kino, Tula!

 Tula antwortete darauf am 11.01.25 um 21:44:
Hallo lieber 8er
Ich denke, es liegt in der Natur des Menschen, dass immer irgendjemand den Eisfürsten spielen will, und wiederum andere, die das Eis trotz Kälte, Finsternis und Gefahren zu brechen versuchen. Ich hoffe es zumindest.

Dankend lieben Gruß
Tula

Antwort geändert am 11.01.2025 um 21:45 Uhr

 plotzn (13.01.25, 15:22)
Servus Tula,

wenn Wortgewalt auf Bildgewalt trifft...

Fantastisch!

Liebe Grüße
Stefan

 Tula schrieb daraufhin am 13.01.25 um 21:24:
Servus Stefan
Ganz nebenbei: Wir hatten einen großen Band von ihm zu Hause. Immerhin war mein Vater Greifswalder. Und ja, dieses war mein absolutes Lieblingsgemälde.

Dankend lieben Gruß
Tula
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