Schmerzherz

Erzählung zum Thema Psychologische Phänomene

von  Regina

Sibylla lernte den netten Mann in einem Café kennen. Er lud sie in seine Wohnung ein und erzählte ihr von seinem Leben und seinen Problemen. Beeindruckt von seiner Offenheit ließ sie sich alsbald auf eine Beziehung ein. Zwar wurde sie von Nachbarn und Freunden vor seinem Charakter gewarnt, doch Sibylla glaubte, dass sie allein die besondere Fähigkeit besaß, dennoch mit ihm zurechtzukommen.  Sie ignorierte sein ruppiges Auftreten gegen andere und alle weiteren Warnsignale.


Die Konflikte begannen kurz nach der Hochzeit. Kleinigkeiten, ein Fleck auf dem Tischtuch, ein verlegter Schlüssel, gar ein marginaler Wortwechsel mit einer Wohnungsnachbarin bauschte er auf und führten zu endlosen Tiraden an Vorwürfen und Beschimpfungen von seiner Seite, die darauf abzielten, ihr ein schlechtes Gewissen oder auch Angst zu vermitteln.


Das Lebensthema des Sadisten ist der Schmerz. Einem Mann mit hohem Sadismusanteil in seiner Seele ist es ganz egal, ob die Frau sich kumpelhaft-emanzipiert gibt oder anschmiegsam. Anfangs tritt er charmant auf. Aber er wartet geduldig darauf, dass sein Gegenüber eine Schwäche zeigt. Dann kann er sich bereits an der Irritation dessen Selbstwertgefühls weiden, die er vermittelt, ohne dass es zu körperlichen Erniedrigungen kommt. Im schlimmeren Fall greift er zur Peitsche gegen Tier, Kind oder Partnerin.


Wird das pervertierte Lustgefühl, das sich aus dem Mitfühlen des Schmerzes durch eine Demütigung speist, blockiert, indem die Partnerin nicht in der erwarteten Weise reagiert, kann der Sadist ins masochistische Gegenteil verfallen, sodass sein eigenes Weh plötzlich im Fokus erscheint. Dann tieft er vor Selbstmitleid. In dieser Situation mag er in epischer Breite und mit häufiger Wiederholung über seine Herkunft und sein Elternhaus jammern, wo er just dem Schmerz ausgesetzt war, aus dem er immer noch schöpft. Oder es waren Kriegserlebnisse, die diese Persönlichkeitsstörung verursachten. Die Betrachtung der Auslöser allein bringt jedoch noch keine Gesundung.


Der Sadist kann intelligent sein und handelt durchaus einfühlsam. Aber er missbraucht die Empathie, die anderen Männern manchmal abgeht. Das Wissen um die eigenen Traumata kuriert das krankhafte Verhalten noch nicht.


Es heißt, dass der Widersacher im Seelenwesen nichts mehr scheut als das Licht der Erkenntnis. Er zieht sich erst zurück, wenn der Mensch ihm auf die Schliche kommt. Dann ist eine Genesung möglich, weil der Patient selbst erfährt, dass er sich etwa die Persönlichkeitsstörung des Vaters unbewusst zum Vorbild genommen hat. Ein einfaches Unterfangen ist eine Therapie in diesem Fall sicherlich nicht.

 
Hilfsbereites  Mitgefühl nutzt den Leidenden nicht aus und sollte es deshalb nicht nötig haben, Lustgewinn aus einer perfiden Neigung zu ziehen.

 
Sibyllas Ehe endete vor dem Scheidungsrichter, da keine positive Basis für das weitere Zusammenleben gefunden werden konnte. Ohne Therapie kann der Sadist keine echte Partnerschaft leben, was ihn dann auch immer wieder nach neuen Opfern suchen lässt, nicht nur Frauen, sondern auch empfängliche Männer. Eine noch tiefgreifendere Desorientierung ist der sexuelle Sado-Masochismus.


Nicht nur in der Familie, auch im Internet tummeln sich Kommunikationssadisten als jene unangenehmen Zeitgenossen, die Trolle genannt werden.

 
Auch Frauen sind nicht immer frei von sadomasochistischen Charakterzügen.




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Kommentare zu diesem Text


 AndreasGüntherThieme (16.01.25, 12:52)
Er lud sie in seine Wohnung ein und erzählte ihr von seinem Leben und seinen Problemen.
Spätestens hier sollte man sich verabschieden.


Und jemand kennenlernen, der von seinen Erfolgen erzählt.

Oder, noch besser, dem anderen zuhört.

 Augustus meinte dazu am 16.01.25 um 13:17:
Probleme können vielfältig sein. Selbst verschuldete Probleme, aber auch unverschuldete Probleme, zb körperliche Probleme durch einen Unfall oder die Trauer über den Tod naher Angehöriger, wonach jemand dann Mitgefühl zeigt und im Verletzten Menschen nicht mehr den selbstverschuldeten Alkoholiker sieht, sondern einen von tiefster Trauer verletzten Menschen, der diesen Schmerz nicht erträgt und ihn auf irgend eine Art und Weise zu betäuben sucht. Dass eine empathische Frau sich hier offen zeigen, ist offensichtlich; denn nicht der alohohlkinsum des anderen trennt sie, sondern Mitgefühl, Verständnis des einen und Schmerz des anderen treffen zusammen und binden einander. 

Da im Text nicht näher auf „Probleme“ eingegangen wird, und dass die Frau weiterhin den Kontakt sucht, wird es sicherlich sich nicht um Probleme handeln wie: Schulden, Alkohlsucht, Drogensucht, kriminelle Vergangenheit usw.; Betrüger vllt auch sadisten, werden von Problemen sprechen, die an die Empathie des Gegenübers appellieren, bzw. wecken, nähren  sollen.

Sie sind die marketingexperten, wenn es darum geht, Empathie zu vermarkten, sodass in den Käufern das Bedürfnis dazu geweckt wird, Empathie zu zeigen.

 AndreasGüntherThieme antwortete darauf am 16.01.25 um 16:27:
Augustus, warum sollte man sich mit jemand treffen, der Probleme hat, wenn man kein Geld mit dem Lösen von Probleme verdient?
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