SCHMATZENDES UNEND

Text

von  Isensee

flatsch

senf tropft. gelb-rissig wie nägelbetten von morgen. Senf. senf. senfsenfsenfsenfsenfsenfSENFSENFSENF.

die bratwurst zuckt. bricht aus, schwabbelt, SCHWIRLT. Magenmilieu! DÄRMER, heißgespült von vergangenem Leben, schwitzen sich aus in schlaffer Wurstpelle, die pappt, pappt, pappt. sie lebt.

im rachen—ein schnapp! zu tief, zu breit. SCHLEIMSTREIFEN ziehen sich lang wie erkaltete Gedanken. Senf mischt sich. Magenspiegel, aufgesäuert, ein Gurgeln. die Wurst räkelt sich im nachhallenden Gaumen wie ein wurmartiges Kind. zerreißt.

sie will raus.

schiebt sich durch die peristaltik der neuen welt, gleitet, rutscht, PRESST. krallt sich fest in enddarmlappen, schreit, bohrt sich ein: „ich will nicht gehen!“ aber die sphinkter zucken, flehen, kämpfen den salzsäurigen Senf nach vorn, nach draußen, nach—

—SPRITZ.

sie zerberstet. fleischige, faserige explosien, senfiger bratschleim explodiert gegen kacheln, sprenkelt, tropft, LEBT.

und irgendwo, unter dem kühlenden Licht der Welt—
raucht eine neue Bratwurst,
und wartet.












Randbemerkung:

Leipzig. Lene-Voigt-Park. Ich, erhaben auf der Steinmauer thronend, bereit, Worte wie Schneidezähne ins Fleisch der Realität zu treiben. Und dann—die Orgie. Bratwurstverschlingende Pavianmenschen, Senfspuren an den Lippen wie Kriegsbemalung, sie schmatzen, sie würgen, sie lachen in der verzweifelten Unschuld der Ahnungslosen. Ein Kind tunkt seine Pommes wie ein Ritualmesser in den Mageninhalt einer Tube. Ein Mann—mein Gott—leckt genüsslich an seinem Senffinger, sein Blick? Sakral. Ich atme durch den Mund, versuche die Textsplitter in mir zu retten. Doch es ist zu spät. Ich bin kontaminiert. Die Worte, die herausbrechen, sind nicht mehr meine. Sie gehören dem Abgrund, dem gelben, stechenden, unerbittlichen Wahnsinn.




Anmerkung von Isensee:

ich saß. stein. der regen hatte ihn nicht berührt, nur mich. ich tropfte, schwitzte, dachte. und dann – die perversion.
sie kamen. brötchenkrustenschmirgelnde kiefer. brätquetschende zahnräder. ein schmatzkonzert. fettgeölte lippen labten sich an gepresstem körpermatsch, gebettet auf pappe, gestützt von fingern, die senflickend ihre eigenen existenzen ausradierten.
und ich? saß. sah. fühlte. hörte. das gnash-gnash-gnash in meinem ohr, der klang wie ein gebissener morgen, ein zerriebenes leben.
warum so schmatzend? warum so fleischig? warum so da?
die bratwurstesser störten mich. zerstörten mich. nahmen mein denken, mein hören, meine möglichkeit, nichts zu sein. und dann – der gedanke. die bratwurst als kreatur. als existenz. als blutkloß mit wille. und ich schrieb. schrieb, um sie aus mir zu verbannen. schrieb, um mich zu entleiben von diesem ton, diesem anblick, diesem senfigen massengrab aus zähnen und speichel.
und dann ging ich. stein. leer. tropfend.

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