Die unheimliche Straße

Kurzgeschichte zum Thema Horror

von  Der_Rattenripper


Ich schreibe dies, um euch zu warnen, ich hoffe, jemand in der eigentlichen Welt findet meinen Brief und gibt ihn weiter, warnt seine Mitmenschen vor der Straße ins Nichts. Seit über zwanzig Jahren leben ich bereit in dieser kleinen Stadt in NRW. Ich kenne jede Straße, jedes Haus und jeden Laden. Ich habe Geschäfte, kommen und gehen sehen. Ich weiß gar nicht mehr, wann genau es war, als ich über den Hessenweg Richtung Galenstraße ging, als ich plötzlich diesen Weg entdeckte. Eine kleine Nebenstraße dort wo eigentlich die Arztpraxis stand. Die Arztpraxis und die dazugehörige Garage waren verschwunden. Stattdessen befand sich dort eine kleine Nebenstraße mit Häusern, Geschäften, aber keine Menschen. Was war das für eine Straße, wohin führte sie und seit wann existierte diese Straße? Ich griff zu meinem Smartphone und rief Google Maps auf. Seltsam die Straße wurde auch nicht, auf Google Maps angezeigt, wo führte sie hin und wie hatte sie quasi über Nacht entstehen können? Oder gab es die Straße schon länger und ich hatte sie nur nie gesehen? Aber ich war Hunderte Male, an diesem Ort gewesen über zwanzig Jahre lang war ich fast täglich über den Hessenweg gelaufen, wie hätte ich die Straße da übersehen können? Oder bildete ich mir die Straße nur ein? Halluzinierte ich? Ich schloss für ein paar Sekunden die Augen, dann öffnete ich sie wieder. Die Straße war da definitiv, ich sah mich um, ob ich ein Schild auf dem der Name der Straße stand entdecken konnte, aber ich fand keins. Kein Straßenschild, kein Name, nichts verzeichnet auf google Maps? Es hatte keine Bauarbeiten gegeben, keine Bagger kein gar nichts. Wo und wie war diese Straße über Nacht entstanden? Von meiner Neugier gepackt trat ich zwei Schritte an die Straße heran. Ich sah keine Menschenseele auf dieser Straße, keine Autos, keine Kinder? Kein gar nichts, außer mehreren Häusern und Gebäude, welche mir vollkommen fremd waren. Ein Zettel flog über den Asphalt direkt auf mich zu. Seltsam kein Lufthauch wehte, kein Lärm, nichts und doch war der Zettel mir direkt vor die Füße geflattert. Ich hob ihn auf und faltete ihn auseinander.

Nicht betreten

Einige Sekunden starrte ich auf die Worte. Was war damit gemeint, was sollte man nicht betreten? Die Straße, ein Gebäude oder was? Oder war der Zettel einem Kind aus der Hosentasche gefallen und ich hatte ihn zufällig gefunden. Zufall, das musste es sein, reiner Zufall nichts weiter. Ich warf den Zettel weg und ging einige Schritte auf die Straße zu. Wohin führte sie? Vielleicht war ich der erste, der es herausfand und eventuell gab es auch ein paar lohnenswerte Locations in dieser Straße ohne Namen. So wie diese Straße. Ich lief an einigen Häusern vorbei, deren Vorgärten alle verwildert waren. Die Natur hatte sich an diesem Ort einen Großteil ihres Terrains zurückerobert. Die Häuser in dieser Straße waren grau in grau. Graue Betonklötze fast wie die Plattenbauten in den Großstädten. Nur schienen diese hier unbewohnt zu sein. Waren das Sozialwohnungen? Waren hier Wohnungen für sozial schwache Menschen entstanden? Das wäre ja mal der richtige Kurs, bis jetzt hatte die Politik immer nur Versprechungen zu bezahlbaren Wohnraum abgegeben, aber nie etwas gehalten. Aber wieso hatte nie etwas von dem Projekt in der Zeitung oder im Internet gestanden? Weder auf der Seite von Ahaus noch im Ahauser Stadtmagazin der Ahauser hatte etwas darüber gestanden, dass hier ein neuer Wohnblock entstehen sollte. Aber vielleicht hatte ich diese Meldung auch überlesen. Ich schritt den Weg weiter entlang, als mir ein zweites Stück Papier entgegen flatterte. Ich hob ihn auf dem Zettel stand:

Jetzt ist es zu spät, es gibt kein Zurück mehr.

Der erste Zettel kam mir in den Sinn, dort hieß es nicht betreten und jetzt es ist zu spät, es gäbe kein Zurück. Für was war es zu spät, was war damit gemeint, es gäbe kein Zurück mehr? Ich verwarf, den Gedanken, mit Sicherheit waren das nur vergessene Nachrichten von Kindern, die irgendein Spiel gespielt hatten. Ich zerknüllte den Zettel und warf ihn auf den Gehweg, dann ging ich weiter, als ich mich plötzlich das Gefühl beschlich beobachtet zu werden. Ich drehte mich um, es war niemand zu sehen, kein Mensch weit und breit. Die Häuser standen einsam und verlassen an Ort und Stelle, aber niemand war zu sehen, kein Geräusch war zu hören, bis auf stetige Klackern meiner Schuhe auf dem Asphalt. Keine Vögel, keine Autos, nicht mal ein Radfahrer oder Fußgänger war mir begegnet, seit ich diesen Ort betreten hatte. Nur diese beiden etwas seltsamen Nachrichten. Selbst die Häuser wirkten unbewohnt. Keine Gardinen an den Fenstern, keine Blumen oder Kleidungsstücke hingen in den Fenstern. Bei keinem dieser Häuser gab es Anzeichen dafür, dass irgendwer dort lebte. Doch wurde mir mit jedem Schritt, den ich tat unwohler. Ich wurde das Gefühl nicht los, als ob mich jemand oder etwas jeden meiner Bewegungen beobachtete. Die Nachrichten der beiden Zettel schossen mir in den Sinn, waren das vielleicht gar keine Botschaften aus einem Kinderspiel gewesen, sondern Warnungen? Wenn ja wer hatte die Warnungen geschrieben und wie konnte derjenige wissen, wo ich mich befand? Ich hatte keine Menschenseele getroffen. Ein kalter Schauer lief mir bei dem Gedanken über den Rücken. Das war bestimmt nur ein Zufall, redete ich mir selbst ein. Ich kam an einer verlassenen Imbissbude vorbei und warf einen Blick hinein, kein Mensch stand hinter der Theke, keine Gäste befanden sich im Innerem des Lokals. Ich sah auf mein Smartphone, doch das Display meines Smartphones blieb schwarz auch, nachdem ich mehrfach den Ein – und Ausschaltknopf betätigt hatte, zeigte mein Smartphone kein Bild, als ob der Akku leer war. Das konnte doch gar nicht sein. Ich hatte mein Smartphone so wie jeden Abend an der Steckdose gehabt. Ich lud den Akku jeden Abend auf, wie konnte der Akku meines Smartphones dann jetzt leer sein? Ich verstaute das Smartphone wieder in der Hosentasche.
Das glaubt mir kein Mensch, wenn ich das jemanden erzähle, wird man mich eine Gummizelle stecken, schoss es mir in den Sinn. Ich studierte den Namen Opas Imbiss, stand in verblichenen Buchstaben auf der Werbetafel, ich sah keine Öffnungszeiten. Die Tische und der Armaturen waren auf Hochglanz poliert, aber kein Mensch weit und breit. Mein Magen knurrte. Ich hatte zwanzig Euro in der Tasche und beschloss, eine Kleinigkeit zu mir zu nehmen. Ich betrat den Imbiss, die kleine Glocke an der Tür klingelte, als ich den Laden betrat. Ein paar Tische und Stühle standen fein säuberlich nebeneinander. Der Empfangstresen aber war aber leer. Auch nachdem ich mehrere Minuten gewartet hatte, kam niemand. War niemand hier? Warum hatte der Imbiss dann geöffnet? Einige Tische in dunkelbraunem Holz mit einer Servierte als Deko standen gut aufgeteilt in der Imbissbude. In der Theke sah ich frische Hähnchen, Schaschlik und Bratwürste. Der Gyrosspieß drehte sich langsam und gleichmäßig.
„Hallo ist hier jemand?“, rief ich in die Stille, die fast schon unheimlich wirkte.
Ich erhielt keine Antwort. Ich wollte mich schon umdrehen und das Lokal verlassen, als ich die Stimme einer älteren Dame vernahm.
„Ich komme ja schon eine alte Frau ist kein D – Zug.“ , rief mir eine Frau zu. Ich drehte mich wieder um und trat abermals an den Tresen. Ich schluckte, als ich die Bedienung sah. Die Dame hatte verfilzte weiße Haare und ging in gebückter Haltung an einem Gehstock auf den Tresen zu.
War die Altersarmut wirklich so schlimm geworden? Unsere Scheißregierung. Wie konnte diese Frau mit fast 90 Jahren hier noch arbeiten?
„Was wünsche Sie?“
„Ich hätte gern eine Currywurst und eine Pommes bitte“, sagte ich und setzte mich an einen der leeren Tische. Ich hörte das Brutzeln von Fett, der Geruch von Pommes stieg mir in die Nase und mir lief das Wasser im Mund zusammen. Die Zettel auf meinem Weg hatte ich längst vergessen.
Ich schaute auf die Speisekarte, Gyros mit Zwiebeln, Currywurst, Paprikarahmschnitzel. Dann vernahm ich einen Schmerzenslaut im hinteren Teil der Pommesbude. Dieser Schrei ließ mir das Blut in den Adern gefrieren.
„Hallo ist alles in Ordnung?“, fragte ich, als ich zufällig einen Blick in die Küche erhaschen konnte, blieben mir weitere Worte im Halse stecken. Eine rote Flüssigkeit kroch langsam über die Fliesen. War das Blut? Menschenblut? Ich sah wie Fliegen, durch die Luft der Küche schwirrten. Und was war, das war das? War das eine Kakerlake, die an den Wänden der Küche entlangkroch? Wo war ich hier gelandet? Was war das für ein Lokal und was war das für eine gottverdammte Straße? Ich schloss für einen Moment die Augen, war das etwa eine ... Ka – ker- la- ke? Ich stand auf als die Bedienung, an meinen Tisch kam und mir mein Essen brachte. Als ich einen Blick auf den Teller warf, übergab ich mich direkt auf den Teller. Lebende Maden krochen auf der heißen Pommes herum und schwammen in der Currysauce. Als ich aufstand, musste ich mich am Rand des Tisches festhalten, weil mir die Beine wegzusacken drohten. Diese Scheiße wird mir keiner glauben. Mein Mund war plötzlich so trocken wie in Reibeisen. Kalte Schweißperlen standen mir auf der Stirn.

Was war das für ein Ort, war da ein Traum? Aber warum konnte ich dann nicht erwachen? Ich kniff mir in die Wange und schloss für einige Sekunden die Augen. Doch als ich sie wieder öffnete, schwammen noch immer Maden, in der Currysauce herum. Ich erhob mich, wankte und wäre fast gestützt, wenn es mir nicht gelungen wäre, mich am Rand des Tisches festzuhalten. Ich wankte zur Tür, das war zu viel, erst diese seltsamen Botschaften und jetzt Essen mit lebenden Maden. Ich vernahm die Stimme der Frau, nur dass sie jetzt anders klang als vorhin, als sie fragte: „Entschuldigen Sie, der Herr, ist mit Ihnen alles in Ordnung?“
Ich warf einen Blick über die Schulter. Halluzinierte ich? Waren dem Essen vielleicht bewusstseinserweiternde Drogen beigemischt gewesen oder was war hier los? Ihre Augen waren jetzt leere Höhlen, ihre Haut so dünn Pergament.
„Kann ich Ihnen helfen?“, kam es aus ihrer Kehle, aber jetzt mit einer Stimme, welche direkt aus der Hölle zu kommen schien. Ich taumelte einige Schritte rückwärts, dann stolperte ich und setzte mich auf den Hosenboden. Ein stechender Schmerz schoss in mein Steißbein und Blitze tanzten vor meinen Augen. Ich schloss die Augen für den Bruchteil einer Sekunde, während ich das Klackern der Schuhe dieses Wesens auf den Fliesen hörte, welches sich mir langsam näherte.

Jetzt ist es zu spät, es gibt kein Zurück mehr.

Der Satz leuchtete in roten Lettern vor meinem inneren Auge auf. Warum hatte ich nicht auf die Warnungen reagiert? Ich Trottel aber ich musste auch für alles eine rationale Erklärung finden. Aber für das, was hier geschah, gab es keine rationale Erklärung. War ich in eine andere Dimension geschlüpft und wie war das möglich? Doch wenn ich in eine andere Dimension übergetreten war, musste es auch einen Weg hinaus in meine Realität geben oder? Ich erhob mich, das Herz in meiner Brust hämmerte wie eine Lokomotive, dann stürmte ich aus dem Lokal, während das Ding hinter mir in ein Gelächter verfiel, bei dem mir das Blut in den Adern gefror. Ich rannte, ich weiß nicht, wohin ich rannte, ich wollte nur eines weg von diesem Ding, weg von diesem Ort? Ich stolperte über eine Bordsteinkante und fiel der Länge nach auf dem Asphalt, dann verlor ich das Bewusstsein.

Ich erwachte im Krankenhaus, mein Körper schien ein einziger Schmerz zu sein. Jeder Atemzug bescherte mir regelrechte Flammen in meiner Brust. Was war geschehen? Wo war ich?

Verschwommen nahm ich die Umrisse meiner Frau wahr. War ich verheiratet?
„Schatz du hattest einen Unfall. Du hast zwei Tage im Koma gelegen. Du bist von einem Autofahrer erfasst worden, als du die Straße überqueren wolltest. Heute ist der erste Tag, an dem du wieder bei Bewusstsein bist. Du hast ein schweres Schädelhirntrauma einen gebrochenen Arm und zwei gebrochene Rippen. Was war los? Mehrere Augenzeugen habe ausgesagt, du seist wie ein Irrer schreiend und völlig verwirrt durch die Gegend gelaufen.“, sagte meine Frau.
Frau hatte ich überhaupt eine Frau? Ein wabernder Nebel scheint sich in meinem Schädel zu befinden und ich hatte Durst, meine Kehle war so trocken wie ein ausgetrockneter Schwamm. Ich atme erleichtert auf, mir fällt ein Stein vom Herzen, das Bett, meine Frau alles war ganz normal.
„Ich hole die Schwester bleib ruhig liegen und nicht reden, du darfst dich jetzt nicht überanstrengen hörst du?“, fragt meine Frau.
Ich lächelte vorbei, der Albtraum war vorbei. Als ich ihre Hände an meinen Körper spürte, wurde mir ganz warm ums Herz. Ich dachte schon, ich würde sie nie wiedersehen.
Meine Frau klingelte nach der Krankenschwester, doch als meine Frau mir kurz den Rücken zukehrte, sah ich, wie sich eine kleine Spinne langsam durch ihren Rücken und ihre Bluse ins Freie bahnte. Meine Frau schien  von alledem nichts zu bekommen. War ich wirklich entkommen?


Hinweis: Der Verfasser wünscht generell keine Kommentare von Teichhüpfer.

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Kommentare zu diesem Text


 AZU20 (05.03.25, 11:37)
Eher nicht. LG

 Der_Rattenripper meinte dazu am 05.03.25 um 13:14:
Vielen Dank für die Empfehlung und du hast recht, der Protagonist ist tatsächlich nicht entkommen. Der Einfall dazu kam, als ich einkaufen war. Wir haben da so eine interessante Seitenstraße. Nichts wildes, aber ich hatte den Gedanken was wäre wenn da über Nacht etwas wie aus dem Nichts entstehen würde.

Schönen Gruß 

Der Rattenripper

 AchterZwerg (06.03.25, 06:50)
Wirklich spannend.

Gedanken an Parallelwelten kommen mir zuweilen auch.
Besonders auf dem Weg zum Aldi-Süd, wo mir die mitgeführten Dackel/Pudel/Kampfhunde oft als die einzigen vernünftigen Wesen erscheinen.

Liebe Grüße
der8e

 Der_Rattenripper antwortete darauf am 06.03.25 um 07:21:
Vielen Dank AchterZwerg für deinen Kommentar und die Empfehlung.

Schönen Gruß

Der Rattenripper
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