Der lüsterne Staatssekretär

Kurzgeschichte zum Thema Sexismus

von  Koreapeitsche

Die junge Soziologiestudentin stand von Haus aus der konservativen Partei nahe, und war inzwischen Mitglied in deren Jugendorganisation. Als ihr Studium immer weiter voranschritt, wollte sie unbedingt ein Praktikum bei der konservativen Partei absolvieren. Als Mitglied der Jugendorganisation bekam sie sofort die Chance, bei einem Staatssekretär ihr Praktikum zu absolvieren. Sie wusste bisher nicht, dass der Politiker als wahrer Schürzenjäger galt und diverse Affären mit deutlich jüngeren Frauen hatte. Darüber hinaus war er ein enger Weggefährte eines gestrauchelten Politikstars aus dem Norden, der einen Abhörskandal zu verantworten hatte. Die Medien berichteten intensiv über den Fall.
      Die junge Frau begann das Praktikum und wurde schon bald mit der Büroarbeit vertraut gemacht, sollte dem Politiker auch bei wichtigen Terminen begleiten, um einen Einblick in dessen tägliche Arbeit zu gewinnen und ihn zu unterstützen. Doch sie fühlte sich von ihm bald angemacht. Als sie sich verunsichert an Kollegen aus dem Büroumfeld wandte, hieß es, dass doch bekannt sei, dass der Herr Staatssekretär ein kleiner Schürzenjäger sei. Da müsse sie sich nichts bei denken. Kollegen sagten ihr, sie müsse den Mann ja nicht an sich heranlassen und könne sich einfach auf ihre Aufgaben im Praktikum konzentrieren. Die Studentin gab nicht auf. Sie hielt es für wichtig, im Politikalltag Erfahrungen zu sammeln, die sie wohlmöglich für ihre bald anstehende Abschlussarbeit verwenden könnte. Doch die Ovationen des Politikers wurden immer penetranter, sodass sie sich belästigt fühlte. Sie musste erkennen, dass es für sie Nachteile zur Folge hätte, wenn sie sich dem Mann weiter verweigern würde. Zusätzlich wirkten die Kollegen auf sie ein, sie könne auch nach Dienstschluss etwas mit dem Herrn unternehmen, mit ihm Sport machen, an kulturellen Veranstaltungen teilnehmen oder etwas mit ihm essen gehen und trinken. Das wirkte so, als wollten diese Kollegen sie an den Herrn heranführen und sie gefügig machen.
      Sie konnte während des Praktikums immer noch ein paar obligatorische Veranstaltungen an der Uni besuchen, im Prinzip die letzten Lesungen und Seminare, bevor es in die Prüfungsphase ging. Sie traute sich nicht, mit ihren Freunden und Komilitonen uber den überfreundlichen Politiker zu sprechen.
      Die Situation mit dem Praktikum blieb problematisch, sodass sie mit dem Studium ins Stocken geriet. Das Verhalten des hohen Staatsbeamten war natürlich nicht gesetzeskonform. Wäre das grenzwertige Verhalten an die Öffentlichkeit gedrungen, hätte es alle Male für einen Rücktritt gereicht. Doch alles schien wasserdicht. Es wirkte, als wäre sie nur deshalb als Praktikantin eingestellt worden, damit sie dem Politiker als Gespielin an die Seite gestellt werden konnte, denn er war ein hohes Tier.
      Der Anzugträger setzte sich mehrmals ganz dicht an sie heran, schaute ihr über die Schulter und nahm sogar Körperkontakt auf. Sein Brustkorb berührte ihren Rücken, und sein Oberschenkel berührte einmal ihren Hintern. Es kann auch seine Hand gewesen sein. Dazu starrten seine Augen mehrmals auf ihren Ausschnitt, sodass sie einen Schreck bekam. Sie konnte sein penetrant riechendes Herrenparfüm nicht ertragen. Darüber hinaus hatte er einen widerlichen Mundgeruch, wenn er ihr mit dem Kopf zu nahe kam. Er atmete ums schwerer, je näher er ihr kam. Er wirkte richtig pervers aus sie und notgeil. Worauf sollte das hinauslaufen?
      Als die Frau die Annäherungsversuche nicht mehr aushielt, brach sie zunächst das Praktikum ab. Sie rief im Büro an und sagte, dass sie nicht mehr kommen werde. Die Vorfälle erwiesen sich als dermaßen schwerwiegend, dass sie sich als Frischfleisch für den lüsternen Politiker fühlte und depressiv wurde. Schließlich unterbrach sie das Studium, wollte es fortführen, sobald sie sich besser fühlte. Doch ein Arzt riet ihr, sich in psychiatrische Behandlung zu begeben. Nach den ersten Sitzungen, hatte sie den Eindruck, dass sexuelle belästigung durch den Politpromi ein Tabuthema sei, da  der Psychiater die Thematik ignorierte und stattdessen auf Themen aus ihrer Jugend- und Schulzeit stöberte, als suche er nach Gründen, weshalb sie während des Praktikums so empfindlich auf die gekonnten Annäherungsversuche des Politikers reagierte. Zusätzlich verschrieb der Seelendoktor ihr starke Medikamente. Die Konzentration ließ nach, sie war unruhig und meldete sich auch fürs nächste Semester nicht mehr fürs Studium zurück.
      Als der Psychiater sie schließlich in eine psychiatrische Klinik überwies, bildete sie sich ein, dass sie wirklich psychisch krank sei und ließ alles über sich ergehen, unzählige Befragungen, Austarieren von geeigneten Medikamenten, Unterbringung auf unterschiedlichen psychiatrischen Stationen mit ständig wechselnden Bezugspersonen, bis sie bald nicht mehr wusste, was die Ursache für ihren Klinikaufenthalt war, nämlich die sexuellen Annäherungsversuche des Staatssekretärs. Hin und wieder kam sie auf das Praktikum zu sprechen, doch die Ärzte suggerierten ihr, dass damit alles korrekt verlaufen sei, sie bloß eine Psychose entwickelt habe. Nach weiteren Medikamentenwechseln wirkte sie wirklich wie irre. Auf einer geschlossenen Station der Klinik lernte sie Leute aus der Drogenszene kennen, mit denen sie während des Krankenhausaufenthaltes heimlich Drogen nahm. Als sie schließlich entlassen wurde, war sie Bestandteil der Drogenszene, nahm vor allem Heroin, Kokain, Speed und andere Amphetamine. Offensichtlich hatten die Ärzt*nnen in der Klinik kein Interesse daran, dass der Konflikt mit dem übergriffigen Staatssekretär aufgearbeitet wird. Schlussendlich wurde ein Drehtüreffekt erzeugt, dem sie nicht mehr gewachsen war. Heute will niemand mehr etwas mit ihr zu tun haben. Sie ist stark tabletten- und drogenabhängig, lebt ganz isoliert und ist ein schwerer Sozialfall. Ihr Leben ist zerstört, weil sie sich dem Politiker verweigerte und daran zerbrach.



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