Ja,...

Text

von  Saudade

... manche sind einfach Arschlöcher, das kann keiner schön reden. Besonders litten wir in der Schulzeit unter diesen "Schöngeistigen". Früher verwendete man noch ungute Worte wie "Liliputaner", "Neger" oder eben "Mißgeburt", heute ekelt es mich vor solchen Wörtern, aber früher war das gebräuchlich und so waren es eben "Mißgeburten", solche Leute, die Freundschaften verrieten, Menschen gegenseitig ausspielten und sich überall einschleimten, um Geheimnisse zu erfahren und woanders auszuplaudern. 

Was wäre die Schulzeit reizend gewesen, ohne solche ätzenden Menschen. Aber, sie waren nun mal gegeben. 

So gab es einen, heute ein gutbürgerlicher Herr, der stets den Unterricht störte und sich überall wichtig machte, im Grunde ein - wir sagten "Armutschkerl" - ein armer Kerl, der überall mitredete, aber im Grunde niemals mit gewichtigem Inhalt sprach, den keiner ernst nahm, überall sich anhängte, der bis dato zwar auffiel, aber nicht ernst genommen wurde, der brach sich bei einer Nachahmungsaktion - die Buben balancierten auf dem Gitter vor der Schule - das Bein. Das trug sich vor der vierten Stunde in der Pause zu und somit fiel die fünfte aus, zum Glück Latein, weil die Rettung spannender war und an Unterricht war vor Aufregung nicht mehr zu denken. 

Fakt war, dass sich dieser Junge freiwillig und mit eigenem Willen, es zwang ihn niemand, in die Misère geritten hatte, und zwei Monate mit Oberschenkelhalsbruch im Spital lag. Die Klassengemeinschaft war wirklich gut und so brachte ihm alle paar Tage jemand anderer die Hausaufgaben in das Krankenhaus, so waren wir. 


Als er zurückkam, hatte er sich verändert, war stiller und kaum merkbar, fast wie ein Geist. Das beunruhigte uns sehr, schlussendlich war schon so etwas da wie Mitgefühl und Empathie. 

Einige freundeten sich regelrecht mit ihm an und fassten Vertrauen zu ihm, erzählten ihre Geheimnisse bei ihm Zuhause zwischen Lernen und Spielen, manche Lästerten auch über Klassenkameraden, die Mädchen erzählten von ihrem Verliebtsein. Er wurde ein Freund. 

Doch, das war er nicht. Denn plötzlich änderte sich nach und nach die Gemeinschaft, es begannen wirklich gute Kameradschaften zu zerbrechen und Liebschaften auseinander zu gehen, Hass und Häme zogen ein.

Der Zufall wollte es, dass dieser Kerl einmal fehlen musste, die Grippe streckte ihn nieder, da, in der Woche wurde wieder einmal furchtbar gestritten, es war unerträglich gehässig, wurde es dem Mathematiklehrer, der auch Klassenvorstand war, zu bunt und er ließ die Gleichungen sausen und ließ uns in den Festsaal gehen, dort war mehr Platz, ließ uns einen Sesselkreis bilden und verlangte, dass wir miteinander sprachen, ernsthaft sagten, was die Probleme untereinander waren.

Die Fäden der Probleme liefen alle zu diesem Schüler, der alle Geheimnisse "auf seine Art und Weise" ausschmückte, dazuerfand, übertrieb und schlichtweg log, all das ausplauderte, was er phantasierte.

Als alles auf den "Tisch" kam, sahen wir regelrecht die Steine, die vom Herzen fielen. Die Mädchen umarmten sich und die Buben gaben sich die Hände zur Entschuldigung.

Zwei Wochen später kehrte der Junge wieder von seinem Bettenlager zurück und wir sprachen kein Wort mit ihm. Nicht, weil wir ihn böse ausgrenzen wollten, sondern aus Angst vor seinen Spielchen. 

Dann drehte er durch, sprang in der Religionsstunde auf, in der wir unsere Späße trieben, ihn ignorierten, schrie uns alle an, schrie Geheimnisse von annodazumal - Geheimnisse sind in der Pubertät von kurzer Dauer und sobald nicht mehr interessant - über unsere Köpfe, schrie, dass wir das alles verdient hätten, wir seien ein dreckiges Pack, das ihn verletzt hätte, er wegen uns zwei Monate seines Lebens verloren hätte und wir sollen alle elendig krepieren! Ja, das schrie er, da packte ihn der Religionslehrer an der Schulter und schob ihn hinaus. Empört und entgeistert ließ er uns zurück. 

Ja, er kam wieder, aber nur an diesem Tag, am nächsten war er in der Parallelklasse, wo er dort dasselbe Spiel trieb und im nächsten Schuljahr war er in einer anderen Schule.

Seitdem passten wir doch auf, wem wir etwas erzählten, das machte etwas mit uns. Trauten dem Gegenüber nicht mehr ganz. Es war etwas Schönes zerbrochen. Dies, wegen einem Buben, der nicht fähig zur Selbstreflexion war und seine Unachtsamkeit auf ein kleines Grüppchen abwälzte und dies zur Lawine wurde. 


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