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Erzählung zum Thema Zukunft

von  bluedotexec

Es war der schönste Morgen, den Gee je erlebt hatte. Das Licht war weiterhin gedimmt, doch sie wurde durch eine laute, schrille Alarmglocke geweckt. Sie fühlte sich wie gerädert, als hätte sie kaum geschlafen, aber sie hatte keinen Schlafkater, und zum ersten Mal erlebte sie, was es heißt, ohne ihn aufzuwachen. Sie schwang sich elanvoll aus dem Bett und wechselte ihre Anziehklamotten erneut. Dann blickte sie sich um. Überall standen Menschen auf, Junge und Alte, Frauen und Männer, und begannen ihren Tag, indem sie zu dem riesigen schwarzen Pinboard pilgerten. Gee seufzte schwer. So also sah ihr neues Leben aus. Dann schloss sie sich den Menschenströmen an.
Das Bulletin Board war übersichtlich gestaltet. An der linken Seite hingen Aufgaben, unter denen sie sich nichts vorstellen konnte, Dinge wie "Vic-Koordinator" oder "Orga-Infiltrator". In der Mitte waren Aufgaben ausgehängt, deren Hintergrund sie zwar verstand, die sie aber aufgrund mangelnder Erfahrung nicht ausführen konnte, etwa "Lebensmittelüberfall" oder "Aufräumaktionen". Rechts schließlich waren einfache Dinge, die zu erledigen waren.
Sie beschloss, sich an Cabs Rat zu halten, und nahm einen Zettel von der Wand, auf dem "Unterstützung: Mechaniker" stand und drehte ihn um.
"Benötigen Unterstützung bei der Reinigung der Luftschächte. Melde dich bei Fox Red."
Sie drehte sich um und stellte sich einige Meter entfernt von der Wand auf, sah sich um.
Fremde Menschen sahen umher. Die meisten nahmen keine Notiz von ihr, aber es war trotzdem anders als oben. Oben nahmen die Menschen auch sonst von niemandem Notiz. Hier kannten sich die Leute, begrüßten sich auf unterschiedlichste Arten - die einen schlugen die flachen Hände auf Kopfhöhe zusammen, andere nickten einander zu, wieder andere streckten nur Zeige- und Mittelfinger auf Hüfthöhe aus. Sie spürte eine Wärme in der Luft liegen, die nichts mit dem Belüftungssystem zu tun hatte. Sie spürte, dass sie Teil dieser Wärme würde. Paul hatte es ja auch geschafft. Entschlossen ging sie auf einen jungen Mann zu, der etwa in ihrem Alter sein musste.
"Hallo." Sagte sie mit trockenem Mund, heiser.
"Oh, hi, Gee."
Gee sah ihn überrascht an. Er zog eine Augenbraue hoch und lächelte süffisant.
"Ich verstehe. Nun, es tut nicht weiter Wunder, dass ich deinen Namen kenne, denn schließlich schlafe ich im Bett unter dir. Also, Gee Pax, wie kann ich dir helfen?"
Der Redeschwall endete mit einer abrupten Endgültigkeit, dass Gee kurz überlegen musste, ob der Mann überhaupt etwas gesagt hatte.
"Also, ich bin neu hier und muss zu," sie sah erneut auf den Zettel, "Fox Red. Wo finde ich den?"
Der Mann sah kurz zur Decke.
"Ja, Fox hat einen Stand auf dem Marktplatz. Also, du gehst durch die Tür da," er deutete auf ein Stahlschott, "dann bist du in einem langen Tunnel, an dessen Seiten Marktstände stehen. Fox betreibt den vierten oder fünften auf der rechten Seite. Du solltest ihn erkennen, er ist der einzige Mechaniker unter den Lebensmittelhändlern da unten." Er lachte kurz auf. Gee beobachtete sein Gesicht, er hatte fast schwarze Haut, leuchtende Augen und dichtes, wolliges, schwarzes Haar. Seine Nase war breit und flach, und seine Zähne von leuchtendem Weiß. Unter seinem Hemd spannten sich die Muskeln. Im Großen und Ganzen, dachte sie, sieht er wirklich gut aus.
"Danke sehr." Sagte sie leise und ging zu der Tür.

Der Marktplatz war fast so eindrucksvoll wie die Generatoren, mit einem Unterschied - er war lauter. Im Boden verliefen keine Schienen, Gee sah sie an die Wand geschoben liegend.
Sie hatte mehr Menschen hier erwartet, denn dem Lärm, der herrschte, nach erwartete sie die doppelte Menge Menschen. An der Wand standen kleine Hütten aus allen möglichen Materialien - Edelstahl, Holz, Leinen, Plastik - die alle keine vordere Wand hatten. Statt dessen standen dort Tische, die mit allerlei Krimskrams bedeckt waren. Zwischen den beiden Reihen schlenderten Menschen gemächlich entlang, unterhielten sich lautstark über Materialien oder Geschmack und schrieen einander an, wenn sie länger nicht einer Meinung waren. "Der vierte oder fünfte auf der rechten Seite." Murmelte sie leise und ging los. Dabei betrachtete sie die Auslagen der einzelnen Läden. Der erste verkaufte kleine Stückchen Teig, die frittiert wurden und recht appetitlich rochen, am zweiten gab es Brote, die mit Wurst oder Käse belegt wurden. Jetzt spürte Gee, dass sie Hunger bekam. Cab hatte gesagt, Fox würde ihr ein Frühstück geben. Und wenn er das nicht tat?
Plötzlich erkannte sie ihre Situation. Sie war allein. Sie kannte sich nicht aus, mit nichts hier unten. Ein Taumel begann, ein schwindliges Gefühl machte sich in ihr breit. Doch dann besann sie sich wieder auf Cab und Paul, die sie beide kannte und die ihr mit Rat und Tat zur Seite stehen würden. Sie straffte ihr Kreuz und ging entschlossen auf den vierten Stand zu. Dort lagen verschiedenfarbige Kleidungsstücke auf dem Tisch. Auf dem nächsten Stand lagen fremdartige Geräte, Maschinenteile, Blechstücke und Kabelrollen aus. Der Mann, der dahinter stand, funkelte sie unfreundlich an. Er hatte dichtes rotes Haar und einen ebenso feuerroten Bart.
"Entschuldigung. Ich möchte zu Mr. Fox Red, er hat eine Aufgabe..."
"Ja, Kind. Er steht vor dir. Willst du frühstücken? Dann nimm'  dir eine Essensmarke und geh' zur Ausgabe. Und sie zu, dass du so schnell wie möglich wieder an Laden kommst."

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