Hopp, rauf aufs Podest!!

Märchen zum Thema Fantasie(n)

von  tastifix

Dogge Softy, Schnauzer Pfiff, Dackel Bengel und Chihuahua Winzel waren es endgültig leid.
„Was denken sich die Menschen nur dabei?“. überlegte Bengel.
„Oder - können die vielleicht gar nicht denken?“, zweifelte Winzel.
„Oh weh, die Armen!“, zerfloss Softy prompt vor Mitleid.
Pfiff verdrehte die Augen:
„Von wegen arm! Die haben stattdessen einen Riesenknall!“
„Aaber Pfiff!!“, erschrak Softy. „So darfst du doch nicht über unsere Chefs bellen!“
„Softy, du mit deiner sanften Ader! Pfiff hat recht. Irgendwo hat der liebe Gott bei denen ´nen paar wichtige Gehirnzellen vergessen!“, meckerte Bengel frech.
„Genau!“, wiffte Winzel dazu.

Einen Moment lang schwiegen sie. Danach aber ergriff Pfiff das Wort, worüber sich seine Kameraden allerdings überhaupt nicht wunderten, denn Pfiff war unbezweifelbar der pfiffigste von ihnen:
„Und wenn wir versuchen würden, ihnen zur Erleuchtung zu verhelfen, damit sie mal kapieren, worum es uns geht?“
Geschockt starrte Winzel ihn an:
„Heißt das, dass du etwa aufmucken willst?“
„Wirklich?“, meldeten sich jetzt die Anderen, „Und wie??“
„Na klar werden wir uns endlich wehren. Wird höchste Zeit. Nicht mehr mit uns!“
Dieses Argument ließ sich tatsächlich nicht von der Pfote wischen.

„Was hast du vor?“, forschte Bengel nach.
„Ganz einfach: Wir machen mit denen genau das, was sie seit Jahren mit uns angestellt haben. Mal abwarten, wie das denen dann gefällt!“
Softy, Bengel und Winzel waren fassungslos:
„Und das traust du dich wirklich??“
„Wuff. Klar!“, bellte Pfiff munter. „Wie steht es, macht ihr mit?“
Nach einer Mini-Grübelminute machten die Vier Männchen und legten die rechten Vorderpfoten aufeinander.
„Abgemacht. Einer für alle und alle für einen!“
Regelrecht feierlich war ihnen dabei zumute, denn sie hatten ja einen richtigen Eid geleistet.

Nun ging es an die konkrete Planung des Aufstandes, was sich als recht schwierig erwies. Zum Glück hatten sie ihren Pfiff, der ein zweites Mal sehr pfiffig die Leitung übernahm und seinen Kameraden in betont einfachen Belllauten klar legte, wie alles vonstatten gehen sollte. Softy, Bengel und Winzel quietschten vorsichtshalber zu sämtlichen Vorschlägen ´Ja und Amen`. Sie waren nämlich heilfroh, dass Pfiff einen großen Teil der Verantwortung übernommen hatte und sie so entlastet waren. Dies war besonders wichtig für Winzel, denn der winzige Bursche wäre deretwegen bestimmt zusammengeknackt.

Nachdem Pfiff sie eingeweiht hatte, welchen Rachefeldzug sie angehen würden, begab er sich an die Aufgabenverteilung:
„Du, Softy, sorgst dafür, dass sie ...“
„Bengel, bei Nichtgehorsam wirst du aktiv ...“
„Winzel, du übernimmst die Rolle der Nachhut ...“
„Und was machst du?“, murrten seine Kameraden.
„Ich überwache den reibungslosen Ablauf der Aktion!“, war Pfiffs Antwort.
Die vier Hunde rannten zu ihren menschlichen Chefs zurück, die in Liegestühlen schlummernd, sich auf der Wiese von der Anreise zu diesem Event erholten. Softys Herrchen schnarchte bewunderungswürdig laut und Bengels Chef schimpfte sogar leise im Traum.  Winzels Leittier dagegen machte sich kein bisschen bemerkbar und Pfiffs Vorgesetzter schmunzelte nur leicht vor sich hin.
„Der träumt garantiert von der nächsten Trophäe!“, knurrte Pfiff sauer. „Na, ihr werdet euch wundern!“

In den nächsten Minuten wurden die Vierbeiner sehr aktiv. Softy, das gutmütige Etwas, hatte sich geweigert, etwa eine der brutaleren Aufgaben zu übernehmen und war nun damit zugange, den Zweibeinern klammheimlich die von daheim aus der Arbeitszimmerkommode geklauten Hand- und Fußschellen anzulegen. Wie sie mit den Dingern umgehen musste, hatte sie ihrem Herrn und Meister abgeguckt. Der war nämlich Kriminalkommissar. Sie ging dabei sehr geschickt vor und keiner der Zweibeiner wurde wach davon. Bengel schleppte eine 10-m-Langlaufleine herbei. Pfiff schlang diese durch die Schellen, so dass schließlich alle Zweibeiner an derselben Leine hingen.

Nun war Winzel an der Reihe. Der kleine Hund bibberte vor Aufregung und gleichfalls vor Stolz. Ihm, dem kleinsten von allen, fiel tatsächlich die wichtige Aufgabe zu, ihren Chefs die Ohren voll zu dröhnen.
„W..wiff, wiffwiff!”, stotterte er mindestens zwei Minuten lang, denn es bedeutete echte Mühe, mit einer dermaßen hellen Stimme wie seiner schlafende Menschen zu wecken.
´Und wach werden müssen die. Sonst ist alles umsonst!`
Wirklich reckte sich der erste und gähnte einmal laut, schlug die Augen auf, sah die Vierbeiner mit erwartungsvollem Blick vor sich sitzen und dann leider auf seine eigenen Hände:
„Was soll das denn? Seid ihr durchgedreht?“, rief er.

Damit unterstützte er ungewollt den hündischen Aufweckdienst bei seiner anstrengenden Arbeit. Herrchen Nummer Zwei verließ ebenfalls das Traumland und blinzelte gleichfalls ins Helle:
„Neeiin! Sofoort ...“
Was sofort erfolgen sollte, blieb sein Geheimnis, denn er verschluckte sich, unter Schock stehend, an der eigenen Spuke. Aber das Neeiin reichte aus, um Nummer Drei und Nummer Vier unsanft aufschrecken zu lassen:
„Kann man denn nicht mal ausspannen?“, murrten sie ärgerlich, entdeckten die metallene Hand- und Fußverkleidung und motzten los:
„Eine Unverfrorenheit!! Wenn ihr nicht gleich diese Dinger ... Und wo habt ihr die eigentlich her?“
„Es geht auf Softys Konto!“, bullerte deren Herrchen los. „Softy, freu dich schon mal darauf, ,wenn wir nachhause kommen!!“
Die Dogge dagegen freute sich gar nicht, sondern verkniff sich nur mit Mühe die sonst ausnahmsweise recht unsanfte Antwort darauf. 

„Das ist doch wohl ... “, entrüstete sich Bengel.
„Genau. Und dafür kriegen die Zweibeiner jetzt ´nen Denkzettel, der sich gewaschen hat! - Ihr haltet die in Schach, bin gleich wieder da!“
Ehe die Anderen noch nachfragen konnten, wie denn sie jenes bewerkstelligen sollten und welche Mittel dazu bitte schön erlaubt wären, verschwand Pfiff in die Ausstellungshalle. Er flitzte zu den eigentlich hündisch gehassten Ständen mit den Hundekosmetika, die er heute ausnahmsweise überhaupt nicht hasste, sondern sich stattdessen im Anblick der dargebotenen Scheußlichkeiten in die Pfote lachte.
´Na, freut euch schon mal!`, knurrte er gehässig.
Pfiff schnappte sich eine der bereit hängenden Einkaufstaschen, griff sich wahllos alles, was in die dann noch so gerade hinein passte und schleppte den Jahrhunderteinkauf zurück zu seinen Kameraden. Schon von weitem hörte er deren wütendes Gebell. Sogar der Chihuahua schien außer sich zu sein.

Softy, Bengel und Winzling Winzel standen gesträubten Nackenhaares und mit fletschenden Zähnen vor ihren Zweibeinern, die sich offensichtlich vor Angst fast in die Hose machten.
„Was war los?“, forschte Pfiff nach.
„D..Die haben gespuckt und versucht, uns zu treten, knurr!“, meckerte Bengel.
„Gemeiner geht’s nicht mehr!“, wütete Softy, rollte mit den Augen und zeigte ihrem Herrchen das blitzendweiße, beeindruckende Doggengebiss.
Ihr Leittier wie auch die anderen Chefs zitterten am ganzen Leib, wanden sich und versuchten verzweifelt, ihre Sicherheitsverwahrung an den Händen und Füßen doch noch loszuwerden, doch die saß fest wie angewachsen.
„Wie könnt Ihr nur ...?“, heulten sie.
„Groll, wir können noch viel mehr!“, blaffte Pfiff zurück.
„Rrrwuff!“, bestätigte Bengel.
„K..Knurr!“, hing Winzel an und bewunderte deswegen sich selber.

Ohne sich des Weiteren von der menschlichen Möchtegern-Meuterei beeindrucken zu lassen, verteilte Pfiff das Sammelsurium aus dem Korb an seine Kameraden:
„Softy, du übernimmst das Einsprühen. Aber schön scheußlich bunt, verstanden?“
Die Dogge sah auf die grün-lila-orange-pink farbenen Spraydosen. Ihre Sanftmut war wie weggeblasen:
„Wird erledigt, Pfiff!“
Sie schnappte sich als erstes das Neongrün, zielte treffsicher auf das Haupt ihres Besitzers, das sich dann in Nullkommanix in einen extra frischen Salatkopf verwandelte. Das Herrchen-Gekreisch deswegen ignorierte sie. Dessen Bauch färbte sie pink wie das Kleid einer Barbiepuppe und die Arme und Beine schmückte kurz darauf ein schreiend grelles Lila. Zum Abschluss ihrer künstlerischen Tätigkeit ließ sie sich noch etwas besonders Originelles einfallen: In Orange schrieb sie ihm auf den Rücken, schön groß selbstverständlich, damit es jeder lesen können sollte:
„Frauchens Liebling!“
„Das ist der Knaller überhaupt!“, fand Softy.
Alles in allem stand dort ein extra außerirdischer Außerirdischer, der sich zudem gebärdete wie ein Wilder.
„Sieht wuffcool aus, Softy!“, lobte Pfiff.
Daraufhin kannte Softys Kreativität keine Grenzen mehr. Sie wandte sich den übrigen Zweibeiner zu und innerhalb weniger Minuten kostümierte sie jene zu Wesen aus einer fremden Galaxie.
„Schick sehen die aus!“, wiffte Winzel.
Die Vier amüsierten sich wirklich rudelführermäßig.

„Bengel, jetzt du!“, kommandierte Pfiff.
„Was denn?“, fragte der hoffnungsfroh.
„Lass deiner Fantasie freien Lauf. Guck` mal hier die hübschen Lockenwickler!“
Bengel traute fast seinen Augen nicht:
„Meinst du wirklich, Pfiff?“
„Und ob!!“
„Das werdet ihr uns doch nicht antun?“, jammerten die einstig so würdigen Herrchen ausgesprochen unwürdig.
„Wieso nicht?“, argumentierte Winzel. „Was habt Ihr denn immer mit uns gemacht, na?“
„Los, Bengel: Viel Spaß!“
Kurz darauf sah es auf den Köpfen der Zweibeiner aus wie auf den grellbunten Gemälden mancher moderner Maler und Bengel betrachtete irre stolz sein Werk.
„Wusste gar nicht, dass ich dafür so`n Talent habe!“
„Ist ja der reine Wahnsinn, Bengel!“, bellten Softy, Winzel und vor allem auch Pfiff anerkennend.

„Und, was kann ich tun?“, meldete sich Winzel.
„Hier, nimm den Pinsel. Auf jedes rechte Bein malst du ´Ich hab ´nen Knall!`. Aber fein groß und deutlich lesbar, okay?“
Sich halb kaputt wedelnd vor Freude, dass Pfiff ihm etwas solch Wagemutiges überhaupt zutraute, machte sich Winzel an die Arbeit, wobei er sich von der wüsten Schimpferei aus den vier Menschenmündern ein paar Etagen über ihm kein bisschen mehr einschüchtern ließ.
„Still gestanden!!“, knurrte Pfiff sie an, worauf sie wie erstarrt sich nicht mehr von der Stelle rührten.
„Klappe halten!“, brüllte Bengel seinen Herrn an.
Dem fiel vor Schrecken der Unterkiefer runter.
„Na, geht doch!“, setzte der Dackel ungerührt nach.

Derweil hatte Winzel auch das vierte Bein verschönert. Hechelnd plumpste er auf seinen Allerwertesten. Schließlich war das Malen anstrengend gewesen.
„Klasse!“
Die vier Hunde waren äußerst zufrieden mit sich.
„Es reicht jetzt doch, ooder??“, wollte Softy wissen.
„Denkste! Das Beste kommt erst noch", deutete Piff geheimnisvoll an.
Seine Kameraden bekamen lange Ohren.
„Wiiee? Was denn?“
„Abwarten!“, wedelte er.

Vor den Augen der gespannten Kameraden langte Pfiff nochmals tief in den Korb und hielt triumphierend so eine Art Zahnpastatube hoch in die Luft.
´Ist aber garantiert keine Zahnpasta drin!“, stellte Winzel erleichtert fest, denn unwillkürlich hatte er sich an die tägliche, schmierige Prozedur zu Hause erinnert.
„Was willste denn damit?“, fragte Softy.
„Und auch noch so viel davon ... !?“, bellte Bengel verdutzt.
„Wir kleben sie fest!“, erklärte Piff.
„Wie ... Wen??“
Softy, Bengel und Winzel guckten ziemlich irritiert aus dem Fell.
„Die werden aufs Podest geleimt!“, verriet Pfiff, ohne eine Miene zu verziehen.
„Wir sollen wirklich ... ?“
Je länger die Vier darüber nachdachten, umso mehr gefiel ihnen diese Vorstellung.
„Aber pappt es denn auch fest genug?“, zweifelte Bengel.
„Felsenfest!“, versicherte Pfiff.

Weil dort vier Podeste standen, war die Arbeitsteilung von vorne herein klar. Softy schnappte sich die Tube, raste zum ersten und kleisterte es in aller Ruhe sorgfältig zu. Derweil stauchten die anderen Drei die menschlichen Vorgesetzten zusammen, die die Minuten der verminderten Aufmerksamkeit ihrer Vierbeiner nutzen wollten und versuchten, sich gegenseitig von der Leine zu befreien.
„Stillgestanden! Pfoten, ääh-knurr, Hände hoch!“
Wie auf Kommando fletschten Pfiff, Bengel und Winzel gleichzeitig die Zähne, wie auf Kommando erstarrten darob ihre Herrchen zur Salzsäule und wimmerten nur noch leise:
„Gn..Gnade!“
„Habt ihr gegen uns auch nicht walten lassen!“, grollte Bengel.

Inzwischen hatte Softy ihre Arbeit beendet und Pfiff widmete sich dem zweiten Podest.
„Einmal hin, einmal her und rundherum, das ist nicht schwer!“, quietschte er dabei vergnügt.
Kurz darauf glänzten beide Podeste wie Speckschwarten.
„Beinahe noch zu elegant für die gemeinen Kerle!“, dachte Bengel, was ihn aber keinesfalls davon abhielt, sondern eher noch darin bestärkte, sich bei der Verzierung des dritten Podestes besonders viel Mühe zu geben. Er verstrich dermaßen viel der grausigen Pampe, dass die an allen Seiten der Stufe herunter tropfte.
„Na, wie gefällt es euch?“
„Hervorragend, Bengel!“, wuwuuhten die Anderen begeistert.

Als Letzter war Winzel an der Reihe. Weil er so winzig war, brauchte er ein bisschen länger, aber nach ein paar Minuten hatte auch er es geschafft.
„Grrr, fertig!“, schnaufte er.
Die vier Hunde bewunderten noch kurz ihr Werk, rieben sich die Vorderpfoten - Pfiff spukte sogar in dieselbigen - und dann war es soweit.

Dogge Softy als die Stärkste der Mannschaft nahm das Leinenende zwischen die Zähne und schleifte die laut jammernden Zweibeiner auf die Podeste zu. Deren Geheul ging den hündischen Ohren gewaltig auf die Muschel.
„So nicht!“
Bengel flitzte zu einem Regal in der Nähe, erschnüffelte eine Rolle Klebeband und raste mit der zu seiner Truppe zurück. Winzel kapierte den Plan auffällig fix und knabberte mit seinen spitzen Zahndolchen solange an dem Band herum, bis er die Abdeckfolie abziehen konnte. Dann schnappte sich Pfiff das Band, machte Männchen und klebte einem Herrchen nach dem anderen dessen Klageluke zu.
„Mmmm!“, röchelten die so verschönten Zweibeiner nach Luft.
Mit ´Mmmm` aber konnten die Vierbeiner gut leben.

„Los, rauf mit euch!!“, probierte sich Bengel als Hundefeldwebel.
Siehe da: Es klappte sogar ausgesprochen gut. Herrchen Eins, Zwei, Drei und Vier stolperten gezwungenermaßen hoch auf die Podeste. Pfiffs Vorgesetzter, Herrchen Zwei, besaß tatsächlich noch die Unverschämtheit, nach der Seite hin ausbüchsen zu wollen, was aber erstens die Leine, zweitens die Fußfesseln und drittens vor allem die kneifenden Zähne Winzels bestens zu verhindern wussten. So nahm auch er den ihm zuerkannten Platz ein.

Der Klebeplan funktionierte ausgezeichnet. Selbst das die-Füße-nur-ein-wenig-Anheben erwies sich als unmöglich. Mucksmäuschenstill und völlig regungslos standen ihre Zweibeiner dort.
„Passt auf, gleich wird es erst richtig interessant!“, flüsterte Pfiff seinen Freunden zu.
Und schon spazierten die ersten Messebesucher an dem kunterbunten Quartett vorbei, lachten sich kaputt und machten gehässige Bemerkungen. Aber es waren nicht etwa Menschen, die jene Vier ungläubig anstarrten, sondern eine Riesenmeute von Vierbeinern aller Rassen und Nichtrassen.
„Die sehen aus wie Kasperlefiguren, hihi!“
„Wie bekloppt die wirken, mit diesen Drehdingern im Fell!“
„Geschieht denen ganz recht!!“, knurrten einige.
„Oh: ´Frauchens Liebling`!! - Hat sie dich so untergebuttert?“
Mindestens eine halbe Stunde lang ging es so. Den vier Statuen dort oben wurden allmählich die Beine lahm. Ihre Hunde ignorierten dies gelassen.
„Dauert ja nur noch ne halbe Stunde!“, tröstete Pfiff sie spöttisch.
Allein wütende Blicke trafen ihn, mehr war ja nicht drin.

Doch die Zweibeiner sollten noch mehr ertragen müssen. Kurz darauf nahte eine edle Pudeldame mit ihrem zahlreichen Nachwuchs, alle in vornehmes Silber gekleidet.
„Seht mal!“, sprach sie zu den Kleinen.
„Waulewau, quietsch! Was ist denn mit denen los, Mama?“
„Haben die mit ´nem Farbeimer gespielt und sind rein geplumpst?“
„Mama, will auch so ne Quietschpuppe!“
Die Pudelwelpen amüsierten sich pudelkringelig.
Aber dann entdeckte einer von ihnen, Plim mit Namen, die Fesseln und die Leine:
„Warum sind die denn angeleint?“
So etwas kannte er eigentlich nur von Hunden und genau deshalb grübelte er dann scharf nach:
„Mama, waren die böse?“
„Keine Ahnung! Jedenfalls habe ich so etwas auch noch nie gesehen!“

Prompt wurden Plims Geschwister neugierig.
„Vielleicht haben die ja ...“
„Oder die sind ...“
Wieder war es dann Plim, der auf die dollste Idee kam:
„Ob die etwa dreist das Hundefutter weggefr ... ?“
„Plim!!!“
„Aber, falls doch ...“, blieb Plim hartnäckig.
„Menschen fressen nicht. Die essen!“, verbesserte ihn sein älterer Bruder Plum.
„Stimmt gar nicht: Manche von denen fressen!“
Bevor ihre fantasiebegabten Kleinen noch weitaus deftigere verbale Schnitzer von sich geben konnten, suchte die ums Ansehen der guten Welpenkinderstube besorgte Pudeldame mit den Minis schleunigst das Weite.

Softy, Pfiff, Bengel und Winzel hatten freudig erregt zugehört. Ihre Herrchen dagegen schäumten vor Wut, besonders deshalb, weil sie sich überhaupt nicht wehren konnten, noch nicht einmal mit ein paar saftigen Flüchen. Hilflos waren sie der Lächerlichkeit preisgegeben. Verzweifelt ruckten sie auf ihren Podesten hin und her, doch der Kleber hielt, was er versprochen hatte und all die Mühe war umsonst. Immer bleicher wurden die vier Menschen um die Nasenspitzen. Längst nicht mehr standen sie aufrecht wie Soldaten, sondern leicht vorgebeugt mit krummen Rücken vor Schwäche und schickten flehende Blicke zuerst zu der einst so sanften Softy, dann zu Pfiff.
Prüfend schaute die Dogge ihr Herrchen an:
„Schrecklich, wie groggy der aussieht!“, regte sich in ihr das Mitleid. „Und die anderen Drei ebenfalls!“

„Du, Pfiff!“, meinte sie, „sollen wir sie nicht so allmählich erlösen?“
Pfiff streifte die menschlichen Jammerlappen da vor ihm mit einem verächtlichen Blick:
„Hm, Bengel, Winzel, was meint ihr?“
„Etwa jetzt schon ... !?“, bellte Bengel bengelig zurück.
„Ich mein`, dass Softy vielleicht doch Recht haben könnte ...“, meldete sich Winzel zögerlich zu Wort.
Verunsichert deshalb, ob sein ´Vielleicht` für die Ohren seines Herrchens eventuell wie eine Frechheit geklungen hatte, guckte der Chihuahua sicherheitshalber in die andere Richtung.
„Eigentlich hätten sie es verdient, sich noch länger die Beine in den Bauch stehen zu müssen. Aber so fix und fertig, wie die aussehen, kippen sie uns gleich noch um, was wir keinesfalls riskieren dürfen. Schließlich steht unser guter Ruf als anständige Hunde auf dem Spiel!“
„Oh je!“
„Daran habe ich ja noch gar nicht gedacht!“, gab sich selbst Bengel erschrocken geschlagen.
Wenn er sich vorstellte, dass er sich dann unter Umständen im Jagdklub nicht mehr sehen lassen dürfte ...
„Mich würden meine hoch adligen Verwandten keines ´Wuffs` mehr würdigen“, schloss sich Softy an.
„Und unter Garantie bekäme ich abends nie mehr mein Super-einschlaf-Leckerchen!“, klagte Winzel.
Das fehlte der kleinen Schleckerschnute noch gerade.
„Nun“, setzte Pfiff mit entschiedender Miene zu dem selbstverständlich noch entschiedenderen Entschlussbellen an, „wir sind uns also einig geworden, oder?“
Seine drei Kumpanen wedelten Zustimmung.

Winzel schnappte sich die Leine, an der die vier zweibeinigen Chefs hingen und kaute so lange auf ihr herum, bis sie riss. Bengel schleppte den Schlüssel für die Fesseln herbei, übergab diesen an Pfiff, der daraufhin die Arme und Beine ihrer Herrchen von deren schändlichem Schmuck befreite. Softy schleckte währenddessen ununterbrochen an den schmählichen Pinsel-Tatoos herum, bis diese allmählich verblassten. Zum Schluss verschwand sogar ´Frauchens Liebling`. Und als Größte der Vier übernahm sie noch eine weitere wichtige Aufgabe: 
Sie schnappte sich einen in der Nähe stehenden Eimer, raste zur Besucher-Toilette, deren Türe praktischerweise offen stand, machte vor dem Waschtisch Männchen, drehte mit der Pfote den Hahn auf und füllte den Eimer bis zum Rand mit dem heißem Nass.
„Uff, ist der jetzt schwer!“, stöhnte sie.
Zurück ging es deshalb nicht ganz so fix. Bei ihren Kameraden angekommen, stellte sie den Eimer vor Pfiff ab.

Nun war der an der Reihe. Er lief von Herrchen zu Herrchen und zog jedem das Klebeband vom Mund ab. Dabei schaute er die Zweibeiner streng an:
„Versprecht ihr, uns in Zukunft mit all diesem Mist in Ruhe zu lassen und uns wie normale Hunde zu behandeln, ohne Lockenwickler, Spray oder gar Trachtenlook?“
„Ja, alles was ihr wollt und noch viel mehr, wenn ihr uns nur endlich befreit!“, wimmerten die im Chor.
„Ja, da wäre noch etwas", wuffte Pfiff ungerührt dagegen an. „Keine Zeitung mehr auf den Po und erst recht keinen Klaps mit der Hand!"
„Bestimmt nicht. Nie mehr wieder!"
„Okay!"

Ohne dann das schrille Wehgeschrei der Zweibeiner zu beachten, schüttete er ihnen mit Schwung minutenlang das heiße Wasser über die Schuhe.
„Au!“
„Seid ihr bekloppt?“
„Anders geht es leider nicht!“, erklärte Pfiff.
Es dauerte nur noch kurz und Herrchen Eins, Zwei, Drei und Vier waren frei. Vom langen Stehen steif geworden, stiegen sie ungelenk von den Podesten herunter.
„Sicher ist sicher!“, dachte Bengel und hopste leise knurrend um sie herum: „Nicht, dass die noch auf dumme Gedanken kommen!“
Aber da konnte er völlig beruhigt sein. Nichts lag denen ferner als dies. Schlapp und ohne einen jeden Widerspruch trotten die Vier brav wie die Hunde neben ihren Hunden her, jeder zurück zu seinem Haus. Pfiff, Bengel, Winzel und vor allem Softy registrierten dies hoch erfreut. Von nun an würde sich alles ändern ...

Sie behielten Recht damit, nur total anders, als sie es sich in ihrer hündischen Gutgläubigkeit so erträumt hatten. Bereits am nächsten Morgen hatten sich ihre Chefs von der Schmach erholt und bewiesen ihren Tieren, wer letztendlich denn das Oberwasser hatte. Die üblichen Streicheleinheiten und die zusätzlichen Leckerbissen fielen flach. Stattdessen gab es ausschließlich äußerst strenge Kommandos und schon beim geringsten Fehlverhalten deftige Strafen.
„Aber sie haben es doch versprochen ... !?"
Von diesem gemeinen Vertrauensbruch ihrer Menschen bitterlich enttäuscht und den neuen Umständen schrecklich frustriert, wünschten sich Softy, Pfiff, Bengel und Winzel denn zunehmend sehnlicher die Zeit der Lockenwickler, des rosa Sprays und auch des Trachtenlooks zurück ...

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text


 Sanchina (14.04.10)
tasti, das ist einfach herrlich, wie du dich in die Hunde hineinversetzt und durch ihre Mäuler Kritik am Verhalten ihrer Halter formulierst. Ich finde diesen Text sehr gelungen!

 tastifix meinte dazu am 26.04.10:
Lach, danke Barbara!

Lieben Gruß Gaby
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram