Dienstweg

Persiflage zum Thema Erfolg

von  loslosch

Prospera omnes sibi vindicant, adversa uni imputantur (Tacitus, ~58 n. Chr. bis ~120 n. Chr.; De vita de Iulii agricolae). Erfolge nehmen alle für sich in Anspruch, Misserfolg wird nur einem zur Last gelegt.

Das deutsche Pendant lautet eher lakonisch: Der Erfolg hat viele Väter. Und der Misserfolg? Hier scheint kein Sprüchlein wohlfeil zu sein. Hilfsweise der eines seligen Gymnasiallehrers: Da hängt die ganze Tertia (früher als Bezeichnung für die 4./5. Gymnasialklasse) zum Fenster heraus, und wenn einer rausfällt, will´s wieder keiner gewesen sein. - Ja, Misserfolg ist unerwünscht.

In einer Anekdote der Ministerialbürokratie gewinnt die Sentenz wieder alten Glanz: Eine untere Charge des Höheren Dienstes hat eine Idee zur Effizienzsteigerung administrativer Entscheidungsprozesse, die ausformuliert a. d. D. (auf dem Dienstweg) zum Minister zunächst von RL (Referatsleiter), UAL (Unterabteilungsleiter) und AL (Abteilungsleiter) abgezeichnet wird. Das MB (Ministerbüro) schlägt M (Minister) Ablehnung vor. Der Vorgang landet a. d. D. wieder beim Entwurfsverfasser - mit höhnischen, hämischen, distanzierenden Anmerkungen von AL, UAL und RL. Die Hölle für den Referenten. Fazit: Misserfolg wird nur einem zur Last gelegt.

Betrachten wir die Alternative: Derselbe Vorgang trifft auf die Zustimmung des Ministers. A. d. D. zurück zum Referenten findet der Vorgang lobende Anmerkungen, je nach Entscheidungsebene in blau, braun, rot oder grün abgezeichnet. Etwa so: Bitte noch folgendes beachten ... diesen Plan hegte ich seit längerem ... wir müssen die Einzelheiten erörtern ... Fazit: Erfolge nehmen alle für sich in Anspruch.

Ja, die alten Römer wussten, wo und wie der Hase hüpft.

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Kommentare zu diesem Text


 Bergmann (09.12.10)
Ich sag mal rheinisch: Es geht.
Ministerialhierarchie-Lotinos knapp halten.
LG, Uli

 loslosch meinte dazu am 09.12.10:
§1 Et es wie't es
§2 Et kütt wie't kütt
§3 Et hätt noch immer jot jejange

t.t. Lo

 Didi.Costaire (09.12.10)
Moin Lothar,
abgesehen von den mehr oder weniger Beteiligten, die sich gerne als Väter des Erfolges wähnen, wollen die zuschauenden Menschen einen einzelnen, strahlenden Helden sehen, genauso wie den Sündenbock. Das ist in vielen Bereichen so und geht bis hin zu Gott (ohne Schalk und mit dem Teufel als Pendant).
Der Spruch des Gymnasiallehrers gefällt mir an deinem Text besonders.
LG, Dirk
(Kommentar korrigiert am 09.12.2010)

 loslosch antwortete darauf am 09.12.10:
Ja, der Spruch des Lehrers stammt aus den 1930er Jahren. Ein Kalauer in Wut! Gefunden in einem Witzlexikon (Hidigeigei), als ich 15 war. Davon werde ich als Alzheimer noch erzählen können. Lo
wishfulthinking (45)
(09.12.10)
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 loslosch schrieb daraufhin am 09.12.10:
Ein Kindergartenkind meinte: Der Papa geht morgens in die Garage und abends kommt er aus der Garage. Was macht er den ganzen Tag in der Garage? Lo
Graeculus (69)
(26.05.15)
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 loslosch äußerte darauf am 26.05.15:
aha. ich muss das schriftbild polieren.
Graeculus (69) ergänzte dazu am 26.05.15:
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