Steine schmecken bitter

Gedanke zum Thema Absurdes

von  Muuuzi

Was ist passiert?

Da war ein Brunnen. Er war alt. Mit Steinen gepflastert. Es roch nach Verwesung. Es war kalt.
Kinder waren darin gefangen.
Sie fielen einfach in den Brunnen und konnten sich nicht mehr befreien. Vor langer Zeit.
Hat sie damals ein Mann hinein geworfen? Ich habe nur einen Schatten gesehen.
Dieser bewegte sich ruckartig. Fast so, wie sich Kakerlaken bewegen.
Ich werde es nie vergessen. Doch ich konnte ihnen nicht helfen.
Schmetterlinge und Libellen flogen manchmal zu ihnen hinunter und brachten ihnen Fächer gegen die schlechte Luft...
Sie waren bunt.
Doch es half nichts.
Wie hätte ich ihnen helfen sollen?
Manchmal sah ich die Kinder. Wenn ich von ihnen träumte.
Kleine Kinder weinten.
Größere Kinder schluchzten.
Die größten Kinder blieben stumm.
Niemand konnte sie retten. Nicht ganz. Es war furchtbar.
Ich schaute zu und doch schaute ich weg.

Eines Tages zog sie ein Freund von mir aus dem Brunnen.
Doch die Kinder waren zerstört.
Spuren blieben. Man konnte sie nicht mehr entfernen. Man konnte sie nicht mehr rein waschen.
Er brachte sie zu mir. Sie setzten sich auf die Stühle.
Er spürte ein Unglück, als ich Steine mit Käse auf den Ofen stellte.
Ich wollte für die Kinder kochen. Ich glaubte, dass ich ihnen damit eine Freude mache.
Weil sie ja an Steine gewohnt waren. Ich wollte nicht, dass sie sich wie Fremde fühlten.
Doch sie aßen sie nicht. Ich verstand nicht warum.
Sie blickten alle zu Boden.
Mein Freund sagte nur: „Steine schmecken bitter!“
Danach hat er gesagt, dass er bald sterben wird. Ich habe nur gelacht und gesagt, er solle damit aufhören und lieber sein Abendessen essen.
Doch auch er legte die Gabel beiseite.
Er schaute mich irritiert an und fragte mich, ob ich die Steine vom Brunnen hätte.
Ich schwieg.
Er sagte, dass ich sie wegwerfen muss.
Ich schwieg und rührte weiter in meinem Topf.
Ich versuchte, dass die Kinder nicht mehr weinten, nicht mehr schluchzten und wieder sprachen. Doch ich schaffte es nicht.
Ich versorgte sie nicht ausreichend.
Sie hörten nicht auf.
Die Steine warf ich dann doch irgendwann wütend aus dem Fenster.
Sie flogen in den Brunnen. Sie versanken schreiend in die Tiefe.
Ich wollte, dass sie versorgt wurden.
Ich wollte, dass sie glücklich wurden.
Ich sah nur ihr Gesicht.
Ich traute mich nicht, dass ich sie genauer betrachtete.

Wir fuhren mit einem Steinbus in die Stadt.
Werden sie jemals wieder essen?
Ich sah aus dem Fenster. 
Dann sah ich meinen Freund an und er erinnerte mich plötzlich an den Schauspieler von „unsere kleine Farm“. Er hatte den selben Strohhut, der eine braune Lockenpracht bedeckte.
Er wirkte stark.
Der Bus fuhr über Holpersteine. So groß wie Felsstücke.
Ich schrie.
Ich erschrak.
Plötzlich warf ich mit voller Kraft ein Bierglas gegen die Fensterscheibe, das  zuvor am Boden hin- und her rollte.
Im selben Moment wurde mein guter Freund von einem Fahrgast erschossen.
Ich schrie weiter.
Er fiel um und lag in einer Blutlache. Regungslos.
Der Bus färbte sich rot.
Der Mörder flüchtete augenblicklich.
Ist er vom fahrenden Bus gesprungen? Oder hat dieser bereits angehalten?
Ich weiß es nicht mehr.
Doch ich hoffte, dass er nicht durch mein kaputt gegangenes Fenster geflohen ist.
Er erinnerte mich an eine Kakerlake. Er bewegte sich ruckartig und schnell. Kriechend.
Ich bekam eine Gänsehaut.

Wir verteilten Blumen im Hörsaal der Universität.
Niemand sprach.
Oder waren es orientalische Kräutermischungen, die wir verteilten?
Niemand bewegte sich.
Mein Freund war weder ein Bauer.
Schon gar nicht einer, mit braunen Locken und Strohhut.
Noch ein Professor,
obwohl das Podest ganz vorne seinen Namen trug.
Noch ein orientalischer Gewürzekenner,
obwohl die Gewürze trauernd weinten.
Er war ein starker Mann.
Sein Steingrab war mit Blumen geschmückt.
Er wollte, dass ich nicht wegsah!
Er wollte, dass ich es weiß.
Er wollte, dass ich begreife.
Er wollte, dass ich handle.
Er wollte, dass es nicht Jahre dauern würde, bis ich erwachte.
Die Kinder weinten Steine, als sie an seinem Grab standen.
Ich werde ihn vermissen.

Er war ein lieber Mensch, der vergewaltigten Kindern half.
Er allein. Obwohl es alle wussten.


Anmerkung von Muuuzi:

ein Traumgebilde.

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Kommentare zu diesem Text

Dolphilia (48)
(18.02.11)
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 Muuuzi meinte dazu am 18.02.11:
es war ein traum, den ich heute hatte. wenn ich den zusammenhang erkennen könnte, wäre ich froh!
vielleicht muss ich einfach was dazu dichten.
danke für deine meinung. lg
Dolphilia (48) antwortete darauf am 18.02.11:
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 Muuuzi schrieb daraufhin am 18.02.11:
du hast recht. danke für deinen gedanken.
ich werde mir wirklich was ausdenken. der traum hat mir leider nicht mehr verraten. Aber wer sagt denn, dass mein Bewusstsein nicht noch etwas dazu dichten darf!
ich bin gespannt, was du dann zum Endergebnis sagst! (falls es dich interessiert)

Steffi winkt motiviert zurück
Vincént (19)
(18.02.11)
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 Muuuzi äußerte darauf am 18.02.11:
Gut, mache ich! Danke für den Hinweis
sol (32)
(07.03.11)
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 Muuuzi ergänzte dazu am 07.03.11:
Ja nur der Käse hat nicht ganz dazu gepasst!
danke. das freut mich sehr, dass du das so findest.
mir kommts auch irgendwie bekannt vor... jetzt, wo du mich erinnert hast.
Ich überlege.
sol (32) meinte dazu am 10.03.11:
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 Muuuzi meinte dazu am 10.03.11:
Wow. Ich bewundere deine Assoziationsgabe! Erstaunlich. Das würde so tatsächlich passen!
JEtzt weiß ich endlich, was mit mein unterbewusstsein sagen wollte!
LG
sol (32) meinte dazu am 10.03.11:
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 Sternenpferd (08.04.11)
traumatischer traum

hm, absurd und doch nicht

lg m.
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