Vielleicht sollte ich an meiner Erwartungshaltung arbeiten

Text zum Thema Allzu Menschliches

von  mnt

In Wirklichkeit hatte ich gar nicht gewollt. Aber bei einer nächtlichen Schlafration von durchschnittlich vier Stunden, kann man es sich nicht leisten, nachts mehrfach aufzuwachen und den Schmerz an die Decke zu starren.
Elegantes Büro, großzügig und so gepflegt. Schick auch die anatomischen Bilder, heben sich schön vom Weiß, das selbst die akkuraten Gardinen befallen hat, ab. Ein Zahnweißlächeln empfängt mich und deutet auf den ergonomisch korrekten Stuhl. Ich verneine die Frage, ob ich nicht meine Jacke ablegen möchte, ich habe nicht vor, lange zu bleiben.
Nach der Erzählaufforderung bemühe ich mich um Kürze. Nur die wichtigsten Gegebenheiten lege ich in den Raum: Schulterverhärtung rechts, Rücken im Allgemeinen, Genicksteife, Kopfschmerzen mit einer täglichen Mindestpräsenz von zehn Stunden, die auch gern mal nahtlos in eine geschmeidige Migräne übergehen, Schwindelgefühl, das in etwa quartalsmäßig zu Ohnmachtsanfällen führt und das Zittern der Hände. Demonstrativ strecke ich die Finger locker nach Vorne. Die getrimmten Augenbrauen halten ihren Tanz kurz an. „Hauptsächlich“, sag ich, „geht’s mir um die Rückenschmerzen, die bringen mich um!“ Im Blick des Gegenübers lauert Interesse.
Dann schiebe ich meine Verdachtsdiagnose nach und bitte um eine Überweisung zum Orthopäden.
Das Gesicht des Mittdreißiger, das durchaus Sympathieträger einer Werbeagentur sein könnte, entgleist. Das Interesse ist erloschen. „Wissen Sie, Frau Sowieso, Patienten wie Sie die verderben mir den Spaß an der Arbeit!“, lässt er mich wissen. Aha!, denk ich und überlege kurz, ob ich nachhaken soll, was nun mit meiner Überweisung ist. „Sind Sie vom Fach?“, will er barsch wissen. - „Bitte?“ - „Sind Sie Arzt?“, fragt er mit brüsker Stimme. „Nein…“ „Sehen Sie! Wo kämen wir denn da hin, wenn jeder meint, er könne sich selbst diagnostizieren und die Ärzte bräuchten nur noch zu Studieren, um ihren Servus auf Rezeptblöcke zu setzten!“ „Hm“, mache ich und überlege, ob ich darauf hinweisen solle, dass ich den lieber auf dem Überweisungsträger hätte.

Nach kurzem Schweigen interessiert ihn, was ich von Beruf bin. „Altenpflegerin“ sage ich und komme mir vor, als säße ich bei Günter Jauch. „So!“ Sein Gesicht verrät, dass das Gehirn eine Schublade aufreißt. „Na, dann sind Sie ja mit den Aufgaben eines Mediziners vertraut, nicht?“, fragt er, mit einem Ton, der einem nur missfallen kann. Die Frage ist so dämlich, da reagier ich nicht drauf.
Er schießt schon die Nächste nach: „Sagen Sie mal, haben wir Ihre Daten?“ „Wenn Sie das Formblatt meinen, das ich vorne ausfüllen musste…?“, setze ich an. - „Wer ist denn Ihr Hausarzt?“ - „Ich habe keinen.“, murre ich und atme affektiert ein und aus. Er ächzt und flötet dann: „Ich formuliere die Frage anderes: Bei welchem Allgemeinmediziner waren Sie zuletzt?“ „Das ist ein paar Jahre her. Muss der Betriebsarzt gewesen sein, zwecks Impfung.“, antworte ich wahrheitsgemäß.
„Nun ja, aufgrund ihrer Berufstätigkeit lässt sich festhalten, dass sie sich wohl auf Arbeit ein bisschen verausgabt haben, hm?“ - „Also, eigentlich studiere ich seit zwei Jahren überwiegend!“ Wieder der Schubladenblick.
Er erhebt sich hastig, zupft den astrein gebügelten Kittel gerade und gibt sein Fazit bekannt: „Sie müssen einfach mehr trinken! Das ist alles kreislaufbedingt! Trinken Sie ab sofort drei bis vier Liter am Tag! Sie werden sehen dann wird alles gut!“ Das krieg ich hin, denk ich und verkneife mir die Frage, wie den der Stand um die Kaffeediskussion diesbezüglich ist. Schnell ergreife ich die Chance, als die helfende Hand schon auf der Türklinge liegt, und frage freundlich, ob ich dennoch die Überweisung haben könnte. „ Wo kämen wir denn da hin, also wirklich Patienten wie Sie…“, poltert er los. „Ich weiß schon!“, falle ich ihm ins Wort und verabschiede mich mit einem gezwitschertem „ich will ihre wertvolle Zeit nicht überbeanspruchen.“
Abends klatsche ich mir eine Handfläche voll Voltaren auf die rechte Schulter und fülle den Becher nach. Zwei bis drei Liter noch - dann ist alles gut.


Anmerkung von mnt:

Ein Versuch mal etwas in Textform zu schreiben, denke ist noch Überarbeitungsbedarf. Würde mich über Rückmeldung, ob s inhaltlich zum Kieferausrenken ist, freuen.

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Kommentare zu diesem Text


 princess (19.04.12)
Hallo mnt,

also erst mal: Entwarnung! Mein Kiefer sitzt auch zweimaligem Lesen noch bombenfest.

Der Text ist nett, er ist flott geschrieben, er hat Hintergrund und Leichtigkeit und ich mag ihn. Die Groß- und Kleinschreibung wackelt an einigen Stellen (z. B. bräuchten nur noch zu Studieren bitte klein ... wer ist denn ihr Hausarzt bitte groß) ebenso wie die Kommasetzung. Dann benutzt du einige Male nachhacken, was ich jetzt nur als nachhaken kenne. ??? Und dann gibt es einige kurz aufeinander folgende Wortwiederholungen, die sich unschwer ausbügeln ließen (überlege kurz, ob ich nachhacken soll - hackt er nach; fülle den Becher nochmal - zwei bis drei Liter noch).

Okay, Kleinkram, der mir aber ins Auge stach.

Eine etwas klarere Struktur mit mehr Absätzen täte vielleicht nicht dem Text aber ganz sicher mir gut.

Besonders amüsant finde ich übrigens den Titel. Ließe sich auch auf die Situation einer Kommentierenden übertragen!

Ein schwungvoller Text, mit dem ich mich gerne beschäftigt habe!

Liebe Voltarengrüße, princess
(Kommentar korrigiert am 19.04.2012)

 mnt meinte dazu am 19.04.12:
Hallo Princess,
Vielen Dank für deine entwarnende Rückmeldung! Und fürs aufmerksame Lesen des Textes.
RS besser ich aus, danke für die Hinweise.
Mit der Kommasetzung habe ich manchmal so meine Schwierigkeiten (muss ich mich nochmal mit auseinandersetzten) und die Entertaste und ich, wir haben kein allzu inniges Verhältnis;) Stimme schon zu, würde auflockern, ist halt mehr oder weniger ein Fließtext.
(Anbei noch ein  Topangebot ;))
LG mnt

 irakulani (19.04.12)
Zu den Wirkungen und Nebenwirkungen belehren Sie bitte ihren Arzt oder Apotheker...

Kein Wunder, dass die Ärzte reihenweise mit Burnout in Kliniken landen oder sich am Alkohol vergehen - bei solchen Patienten! )

Schmerzfreie Grüße,
Ira

 mnt antwortete darauf am 20.04.12:
Bei Nebenwirkungen erschlagen Sie Ihren Wecker wäre auch passend;)
Mediziner sind schone in spezielles Thema, da könnt ich ein Buch drüber schreiben, wobei man klar sagen muss, wie überall im Leben gibt’s solche und solche und ich bin sicher kein einfacher Patient;)
Das schmerzfreie liest sich gut :)!
LG mnt
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