2. Kapitel Attenkirchen liegt hinter den Hügeln

Roman zum Thema Heimat

von  kirchheimrunner

Attenkirchen liegt hinter den Hügeln

Was man von all dem, was sich in der weiten Welt ereignete,  drüben in Attenkirchen mitbekam, ist mir nicht bekannt. Tut auch nichts zur Sache.
Sicher ist jedoch, dass sich in den Hopfendörfern hinter den sanften Hügeln zwischen Wolnzach und Mainburg, seit dem Kriegsende kaum etwas getan hatte.
Alles ging dort seinen gewohnten Gang.

Es war das Milieu, das ihr von den vergilbten Schwarzweißfotografien eurer Großeltern her kennt:
Harte Arbeit, karger Lohn.

Als man in München schon vornehm mit dem Brezelkäfer nach Tegernsee zum Sonntagskaffe hinauschauffierte, pflügten die Halledauer Kleinhäuselbauern noch mit ihren gutmütigen Rössern, - die man am Feiertag auch noch zum Kirchgang vor den Landauer spannte.

Die Großbauern, wie der Marx zu Brandloh oder der Weinzierl von Willertshausen protzten auch seinerzeit schon mit ihren Schlüter Traktoren; - und ihren sage und schreibe 26 PS.

Die reichen Jungbauern fuhren mit der 250er DKW zum Maitanz und spendierten den armen Dienstmägden oder Armeleutetöchtern so manches Glas Maibowle; das den unerfahrenen Mädchen oftmals nicht so gut bekam!
Uneheliche Kinder gab es deshalb auf den Dörfern wie Stroh im Schober. Die Alimente wurden unter der Hand und in bar bezahlt! Das Einkassieren war natürlich mühsam und demütigend:

Katzbuckelnd mussten die armen Geschöpfe durch die Hintertüren der Bauernhöfe hereinschleichen und sich das erbetteln, was ihnen von Rechts  her zustand:

„Nix für ungut, du dummes Ding, da hast dein Geld für dein Bankert!

Unbekannt blieben die Väter,
die Schande aber war öffentlich
und Dorfgespräch:

„da schaugt´s her, da kommt sie ja, die Hopfenzupferschlampe„, zischelten die alten Hofbäuerinnen einander zu; vergaßen aber tunlichst, dass sie, als sie noch jung waren auch jeden dahergelaufenen Erntehelfer abgebusselt haben; - jedenfalls wenn er ihnen fesch genug war.

Ihr seht schon:
In Attenkirchen und den darum herumliegenden Weilern und Kirchdörfern, wie Pfettrach, Willertshausen, und Brandloh, waren es doch noch die Menschen die Geschichte schrieben!

Geschichten, wie die vom verlorenen Sohn von Attenkirchen:

Glaubt mir, es ist eine wahre Begebenheit, die ich für euch aufgeschrieben habe. Mir hat sie meine Mutter erzählt.
Sie war geborene Thalhammer aus Willertshausen; bodenständig und ohne alle Illusionen über die Gerechtigkeit in der Welt;  - warum hätte sie irgendetwas beschönigen sollen?

Hinterfragen können wir nichts mehr. Meine Mutter kann sich an nichts mehr erinnern; - nicht einmal an die Sonnenstunden des Lebens; -  Alzheimer Demenz und Pflegestufe 3.

Mit meiner Mutter und ihrer Generation werden also viele dieser Geschichten ins Vergessen der Vergangenheit zurücksinken. Verschwinden auf nimmer- wiedersehen.
Keine Dorfchronik wird diese Episoden aufschreiben; warum auch? Nichts wird diese Menschen und ihr Leben vor dem Verlorengehen bewahren.

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