8. Kapitel . Festungsanstalt Landsberg am Lech .

Erzählung zum Thema Heimat

von  kirchheimrunner

Als der Lenz im Krankenzimmer des Freisinger Spittals aufwachte, war alles weiß um ihn herum:
Das Bettlaken, die getünchte Mauer, die Betten der anderen Siechen und der Kittel der Krankenschwester.
"Marie, bist du es?"

Er konnte immer noch keinen klaren Gedanken fassen. Die Schmerzmittel und die Beruhigungsspritze hatten seinen Verstand vernebelt.

Der Verstand der beiden Beamten von der Landpolizei, die hinter dem Arzt und der Krankenpflegerin auftauchten, arbeitete aber messerscharf und präzise:

Kurz angebunden notierten sie in ihr Notizbücherl:
Küblböck Lorenz,
geboren am 21.Mai 1934 in Pfettrach,
Post Attenkirchen.
Beruf: Landwirtschaftshelfer; wohnhaft am elterlichen Bauernhof.


„Sei gescheit Lorenz, gestehe alles und es wird halb so schlimm! Dass du des Motoradl vom Weinzierl Schorsch g’stohlen hast, dafür haben wir mehrere Zeugen. Das könnten wir noch als Kavaliersdelikt und Dummejungenstreich durchgehen lassen; - da ist dir halt die Sicherung durchbrennt!

Aber Motorrad klauen und dann noch die anderen bestehlen; bist du noch bei Verstand?
Des kommt dich teuer zu stehen mein lieber Lenz. Da kommst uns nicht so leicht davon.

„So kommt doch alles ans Tageslicht, dachte er sich..... Ist auch recht; ist eh alles vorbei...„

„Gib schon her, ich unterschreib denn Wisch schon, aber lasst mir meine Ruhe.„

Tausendmal mindestens - hätte der Lenz die darauf folgenden Jahre - seine Unterschrift ungeschehen machen wollen. Aber wer hat schon einen wachen Verstand  mit einen schlechten Gewissen. Sechzehn Monate ohne Bewährung brachte ihm sein Geständnis ein; trotz milder und einsichtiger Richter; - trotz schriftlichem Geständnis; - aber: Bei Motorraddiebstahl in Tateinheit mit Körperverletzung und schweren Raub;
da kann niemand Gnade - vor Recht ergehen lassen!.

Den angetrunkenen Kopfhammer Franz - Xaver hatte er am 12September 1956, kurz vor Mittag im Wirtshaus niedergeschlagen und ihm die Brieftasche mit eintausend fünfhundert  Mark geraubt. Der Weinzierl Schorsch und der Stangassinger Hans hatten es bezeugt und hätten vor Gericht auch jeden Eid darauf geschworen. Alles erstunken und erlogen; - aber darauf kam jetzt auch nicht mehr an.

Der Geistliche Rat von Pfettrach und seine gramgebeugten Eltern waren die Einzigen, die den Lenz in der Strafanstalt besuchten.

Die Marie kam nicht!

Der Lorenz hatte während der Monate, die er hinter Gittern saß genug Zeit über sein verpfuschtes Leben nachzudenken:
Wer einmal aus dem Blechnapf frisst ...

Eines wurde ihm sehr schnell klar: Alle Menschen waren von Grund auf schlecht. Nur komischer Weise der Pfettracher Pfarrer nicht.  Der Lenz konnte immer noch nicht verstehen was der geistliche Rat für ihn getan hatte: Genau 385,21 DM hatte man in seiner Joppentasche gefunden, als man ihn im Spital eingeliefert hatte. Der Pfarrer, - als einziger Zeuge, hatte den Beleg unterschieben und bestätigt:

Persönliches Eigentum, des Lorenz Küblböck.

Obwohl er es besser wusste: Es war genau sie Summe der Kollekte. Das Geld gehörte der Kirche, den Armen und dem lieben Gott! Aber er wollte dem Buben nichts antun, sondern die Untat bewahren wie ein Beichtgeheimnis. Die Leviten würde er ihm ein andermal lesen. Die Wahrheit wollte er versiegeln und aufheben für später.

Immer noch ging eine kleine, braunäugige Marie mit ihren süßen Sommersprossen um die Nase in den Täumen von Lorenz spatzieren; -aber auch sie würde bald nur noch schemenhaft zu sehen sein: Noch ehe das Jahr um war, den Schleier der Benediktinerinnen anziehen, ihre Gelübde ablegen, für ihn beten, und ihn dann für immer vergessen. Das war gewiss! - Etwas anders konnte sich der Lenz beim besen Willen nicht vorstellen.

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