7. Kapitel: . der Klingelbeutel von Pfettrach .

Erzählung zum Thema Heimat

von  kirchheimrunner

„Jeus Maria und Josef! „Der Kerl lebt ja noch!„

... So schnell wie sich die alte Hufnaglin drei Mal bekreuzigte, und ihren Rosenkranz abbusselte, konnte man gar nicht schauen.

Der Lenz allerdings, redete nur unzusammenhängendes Zeug, als sie ihn halbtot wie er war, zum Pfettracher Pfarrhaus zu-rückbrachten. Er stand sichtlich unter Schock! Er redete unzusammenhängendes Zeug:

„Sei mir nicht böse, ich hab’s doch nur gut gemeint! Ich konnte doch gar nicht anders!
... Marie?„

„Halt dich ruhig Bub! Alles wird gut! Musst nur auf Gott vertrauen!„

Der Herr Hochwürden hatte leicht reden... Auf Gott vertrauen! Wie sollte sich denn die verfahrene Geschichte wieder einrenken? Glaubt ihr vielleicht an Wunder? Der Lorenz glaubte nicht daran; - brauchte er auch nicht. Denn er war im Grunde ja unschuldig!

Aber jetzt in seiner größten Seelennot hatten ihn alle guten Geister verlassen; - auch die Pfettracher Bittgänger. Sie warteten draußen. Murmelten ihre Litaneien.

Den Arzt wollten sie holen, den Sanitätsrat Leopolzeder aus Reichertshausen; - der würde ihn schon wieder einigermaßen zusammenflicken.

Aber die DKW war nicht mehr zu retten; - sie war Schrott; - kaum 150 Kilometer zeigte der Kilometerzähler an; - was sollte er nun anfangen? Wie sollte er die Suppe auslöffeln, die er sich in seinem Liebeskummer eingebrockt hatte? Nie und nimmer würde er so viel Geld zusammenkratzen können, dass er dem Weinzierl Schorsch das Moped bezahlen könnte.

Sein Kopf sank erschöpft zurück aufs Steppkissen, das ihn die fürsorgliche Hufnaglin untergelegt hatte.

Der Schmerz, der sich vom Hinterkopf zu den Augenhöhlen durchbohrte brachte ihn schier um den Verstand. Jetzt war alles aus! So hatte sein Leben hatte keinen Sinn mehr ..

Draußen hatte sich der Sturm gelegt. Das Gewitter war vorübergezogen. Der uralte, knorrige Birnbaum, den anno dazumal, vor mindestens einhundert Jahren, ein Pfarrherr gepflanzt hatte, schaukelte seine narbigen Äste müde im Wind hin und her. Sonst war es still.

Vor der Türe hörte er, wie der Herr Pfarrer auf und ab ging. Klack – klack – klack! Die altmodischen genagelten Schnürstiefel schleiften und kratzten über die Steinfliesen.

Bald würde er wieder bewusstlos werden; er spürte, wie die Wellen der Übelkeit durch seinen geschundenen Körper schwemmten. Gleich würde es wieder schwarz werden, und er war erlöst.

Erschöpft dreht er seinen Kopf weg von der Türe, weg vom Licht, das ich blendete, weg vom Leben – da draußen; - vom Leben, das ihn achtlos weggeworfen hatte.

Ein paar Tränen der Wut, des Zorns und der Hilflosigkeit rinnen noch aus seinen glasigen Augen. Es bleibt ihm nichts anderes übrig: Er schaut auf die Heiligenbilder, die an der Wand der Sakristei hängen.

Überfromm, keusch und heilig spotteten ihn die blicken die frommen Büßer Märtyrer auf den armen Sünder herab.


Er, der Armeleutesohn war aus einem anderen Holz geschnitzt als dieser überscheinige Heilige Aloysius, - der wegen seiner Keuschheit von allen ledigen Mannsbildern hochgeehrt wird.

Seine Augen schweiften weiter,  - über die bunten Hinterglasbilder von Josef und Maria. Wie gut und wie fromm sie waren ... Wenn auch etwas angestaubt. 

„Alles schön  und gut„ ; - aber keiner dieser gemalten Heiligen würde ihm helfen, da könnte er noch so laut zum Himmel schreien. Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott!„, war der einzige klare Gedanke, den er fassen konnte. 

Und da, liegt sie, die unwiderstehliche Versuchung, dort auf der geschnitzten Kommode, neben dem Stehkreuz und den zwei goldenen Leuchtern; - da wartet sie, die Sünde aus dem Gebot, du sollst nicht stehlen! Aber, es gibt auch keinen anderen Ausweg für die Zukunft mit der Marie.

Da liegt der Klingelbeutel mit der Sonntagskollekte vom Erntedankfest, wo die reichen Hopfenbauern mit ein paar Mark-stückeln , ihr schlechtes Gewissen erleichtern wollten.

Wenn er das Geld nimmt, straft ihn bestimmt der Himmel, weil es ein Gottesfrevel ist! Wenn er es nicht nimmt, verliert er seine Zukunft; verliert alles was er hat: seine Liebe zu Marie!

Noch einmal schaut er sich um. Keiner ist da. Er braucht das Geld bloß zu nehmen, in die Tasche stecken, -  keiner kann es ihm dann beweisen. Die Heiligen an den Wänden blieben stumm. Sie schauen zwar nicht weg, aber sie gaben ihm auch keine Antwort; -  kein Zeichen vom Himmel. Und kein erhobener Zeigefinger. Immer noch lief ihm Blut von der Schläfe zum Kinn herab als er sich vorsichtig erhob.
Es war jetzt seine Stunde.Die Stunde des Lorenz Küblböck.

Nur noch wenige Augenblicke hatte er Zeit. Gleich musste der Sanitätsrat Leopolzeder kommen.So entschied sich also der Lenz für den Raub; für die Sünde, für den Gottfrevel; für die Marie ....

Er nahm das Geld und steckte es in seine Joppe. Legte sich hin und schloss seine Augen.

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