Kreuz - Feuer.

Erzählung zum Thema Schicksal

von  franky

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Kurz nach dem in der Volksschule in Laufnitzdorf ein Hitlerbild und Hakenkreuzfahnen gegen das Kreuz ausgetauscht wurden, fingen die stressigen Tieffliegerwarnungen an. Da das Schulgebäude über keinen bombensicheren Keller verfügte mussten wir Kinder alle Kopf über nach Hause laufen, wenn die Sirene aufheulte. Jeder hatte einen längeren oder kürzeren Heimweg vor sich. Die ersten beiden Male konnte ich rechtzeitig die Schützenden Mauern unseres Hauses oben am Waldrand erreichen. Dann aber erwischte es mich kalt auf dem relativ kurzen, steilen  Anstieg zu meinem Elternhaus. Ich lief um mein Leben, Berg auf unter erbärmlichen Seitenstechen.
Als der erste Flieger mit höllischem Geballer über mich hinweg donnerte, ließ ich mich auf die Erde fallen. Kein Baum, kein Zaun, nichts wo ich mich verstecken konnte, nur Wiesen so weit das Auge reichte, gnadenlos ausgeliefert. Kaum ein paar Schritte keuchend hinauf zum Elternhaus getorkelt, höre ich in den Bergen schon das Echo des nächsten heran fegenden Tieffliegers. Während sie eine enge Spitzkehre flogen, ratterten schon die automatischen Bordkanonen. Sie hatten alle das Elektrizitätswerk im Visier. Am Boden kauernd, sah ich den Schatten des Fliegers über mich hinweghuschen. „Noch einmal davongekommen, ich lebe noch.“ Aber da stürmte schon der nächste Tiefflieger um den Bergvorsprung, alle Rohre feuerten Richtung Ewerk. Das Heulen der Motoren und das Krachen der Automatischen Waffen mischten sich zu einem riesigen unheimlichen, akustischen Feuerwerk, welches hundertfach in den Steirischen Bergen widerhallte. Ich rappelte mich auf und meine Beine wurden zu Blei, die zwar Schritte hinauf zum Haus bewegten aber nicht vorankamen. Mein offener Mund versuchte Luft in die Lunge zu pressen, da hatte eine Todesangst meine inneren Organe gänzlich in seine Kontrolle gebracht. Mein Brustkorb stieß im hektischen Stakkato die Luft in die Lunge, es hörte sich an, wie eine Lokomotive, an der sich bei der Steigung die Räder durchdrehten. Meine Lunge und Herz waren total überfordert und ich hatte noch einigen Weg bis zum Haus zurückzulegen. Ein weiterer Tiefflieger wand sich mit Höllen Getöse um die Spitzkehre, die Geschosse gingen über mich in den Wald und Berg. Auf allen Vieren versuchte ich die Steigung zum Haus zu überwinden, doch mein Gewinn war  so zermürbend gering, es war zum Verzweifeln! „Warum wird auf mich geschossen, ich habe mit diesen Krieg doch überhaupt nichts zu tun.“ Das kleine Tor im Weidezaun im Blick, wollte ich laufen, doch da war nur noch der Wille vorhanden, mein Körper reagierte nicht mehr. Als der letzte Tiefflieger sein Werk beendet hatte und das grausige Echo in den Bergen verhallte, lag ich zu Tode erschöpft vor dem kleinen Tor. Meine Geschwister und Mama versuchten mich unter größter Vorsicht in die schützenden Mauern zu bekommen.
Meine junge Seele musste nun versuchen einen der kleinen Tode zu verarbeiten. Durch die Überanstrengung dürften in der Lunge ein paar der Bläschen zerplatzt sein, was man später in einem CT gut sehen konnte.
Das Schicksal versuchte mir ständig habhaft zu werden, doch es dauerte noch einige Monate bis zum
13.04.45 .

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© by F. J. Puschnik

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Kommentare zu diesem Text


 AZU20 (16.07.13)
Ja, ich habe mich noch nach dem Krieg hin und wieder im Keller wiedergefunden, wenn Tiefflieger allzu überraschend kamen. LG

 franky meinte dazu am 16.07.13:
Hi lieber Armin,

Danke dir für den Besuch und freue mich über das *chen.
Ja die Tiefflieger waren schon ein extremer Horror.

L-G Franky
EikeFalk (60)
(16.07.13)
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 Kontrastspiegelung antwortete darauf am 17.07.13:
Deswegen habe ich auch die Erzählung gelesen, wo ich nicht so die Leserin bin.

Lieben Gruß, Konti

 princess (17.07.13)
Ach, mein lieber Franky,

das zu lesen lässt mich nur annähernd empfinden, wie es gewesen sein muss. Und ich finde es gut, dass du daran erinnerst. Dich und mich und überhaupt.

Am Ende muss es heißen meiner habhaft zu werden oder mich zu kriegen. Gut, dass es das damals nicht geschafft hat, das Schicksal.

Herzliche Grüße, Ira

 EkkehartMittelberg (18.07.13)
Solche authentischen Erzählungen sind für junge Leser sehr wichtig, die das Grauen des Krieges vermutlich kaum einschätzen können.
LG
Ekki
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