Der Neidgeier

Groteske zum Thema Neid

von  EkkehartMittelberg

Ich bin der Geier,
der sich vom Neid nährt
und lebe im Überfluss,
um den man mich beneiden könnte.

Ich kann kaum noch fliegen,
weil ich vollgefressen bin
und meine Flüge kurz sind.
An den Felsen um mich herum
sind unzählig viele Neider geschmiedet
mit prall geschwollener Leber.

Ich suche mir die
mit den irren Blicken
und den gelbgrünen Gesichtern aus,
denn ihre Schwellungen haben die köstliche Würze
ausgereifter Galle.

Mein wohlbedachtes tägliches Äsen
rettet Menschenleben,
denn wenn ich mich nicht
an den schlimmsten Fällen weiden würde,
platzten sie vor Neid.
Meine einzige Anstrengung besteht darin,
nicht wahllos von einem zum anderen zu fliegen,
sondern mich auf jene zu konzentrieren,
die bald ins lebensbedrohende Koma fallen werden.

Doch ich werde alt und
die Arbeit wächst mir über den Kropf.
So bin ich gezwungen,
eine Neidgeier-Schule zu gründen,
um mein kaum noch zu überschauendes Revier aufzuteilen.

Doch ich muss bei der Auswahl von Nachwuchs
sehr vorsichtig sein,
denn auch Neidgeier
sind gegen Neid nicht gefeit.

© Ekkehart Mittelberg, Februar 2014


Anmerkung von EkkehartMittelberg:

Inspiriert durch den Text "Neiddebatte" von loslosch

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Kommentare zu diesem Text


 loslosch (05.02.14)
man nehme dem geier einen buchstaben weg: neid-gier.

gut gefällt: "denn ihre Schwellungen haben die köstliche Würze
ausgereifter Galle."

"... und meine Flüge kurz sind." (sodass meine ...?)

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 05.02.14:
Danke, Lothar.
Das Wortspiel "Neidgeier. - Neidgier" finde ich sehr schön.

"... und meine Flüge kurz sind." (sodass meine ...?)
Dies möchte ich so stehen lassen, weil ich denke, dass der Zusammenhang auch ohne "Nachhilfe" erstellt wird.

 AZU20 (05.02.14)
Melde mich schon mal an, oder besser nicht? LG

 EkkehartMittelberg antwortete darauf am 05.02.14:
Merci für die witzige Auflockerung, Armin.
LG
Ekki

 susidie (05.02.14)
Eine hervorragende Groteske, die nur leider gar nicht so grotesk ist. Die dritte Strophe liebe ich am meisten, gelbgrün im Gesicht und schon den irren Blick drauf...herrlich, Ekki, und furchtbar traurig gleichermaßen.
Ich denke, eine Neidgeier-Schule braucht es nicht. Eigenartigerweise vermehrt sich manch Unkraut immer wie von selbst. Liebe Grüße von Su :)

 EkkehartMittelberg schrieb daraufhin am 05.02.14:
Grazie, Su. Einerseits freut es mich, andererseits stimmt es sehr traurig, dass dir die Groteske gar nicht als so grotesk erscheint.
Liebe Grüße
Ekki

 TrekanBelluvitsh (05.02.14)
Vielleicht würde es ja ausreichen, wenn der Neidgeier so manchem eine Boxbirne bringen würde. Dann wäre er so etwas wie der Klapperstorch, aber er erscheint eben dann,wenn der Neid zur Welt kommt.

Hach, ich wusste ja schon immer, dass du nur so lieb tust. In Wahrheit hast du es faustdick hinter den Spötterohren! Und wie du dir denken kannst: Dem Misanthropen in mir gefällt das!

 EkkehartMittelberg äußerte darauf am 05.02.14:
Merci, Trekan. Gar nicht so leicht für mich, darauf zu antworten: Als junger Mann war ich ein Spötter vor dem Herrn, und auch heute geht die Spottlust noch manchmal mit mir durch.
Das hindert mich aber nicht daran, lieb zu sein. Im Gegenteil, ich muss mich zügeln.^^
Pocahontas (54)
(05.02.14)
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 EkkehartMittelberg ergänzte dazu am 05.02.14:
Grazie, Sigi, ich zweifle nicht daran, dass Neider scharf darauf sind, sich gegenseitig zu fressen.
Aber ich muss das dem Neidgeier mitteilen, damit er nicht zu großzügig bei der geplanten Aufteilung seines Reviers ist.
Liebe Grüße
Ekki
Graeculus (69)
(05.02.14)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 05.02.14:
"Du bist neidisch? Guuut! Das gibt Futter."
Gracias, Graeculus. Jeder Neider sollte den Blick häufiger empor richten um festzustellen, ob der Neidgeier nicht schon über ihm kreist.
Zweifler (62)
(05.02.14)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 05.02.14:
Salute, Zweifler, ich werde dem Neidgeier ausrichten, dass er einfühlsam mit dir umgehen möge, damit du uns noch lange erhalten bleibst. )

 ViktorVanHynthersin (05.02.14)
Neid- und Pleitegeier scheinen verwandt zu sein. Nach langem Kreisen stoßen sie herab und versuchen ihre Opfer endgültig zu vernichten. Zudem sind beide Kulturfolger )
Herzliche Grüße, lieber Ekkehart
Viktor

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 05.02.14:
A lot of thanks, Viktor. Neidgeier und Pleitegeier - ich habe mir doch gedacht, dass es auch unter Geiern eine Vetternwirtschaft gibt.
Da sie "Kulturfolger" sind, sollte man systematisch beobachten, wo sie häufiger zustoßen, damit man Betroffenen den Geierpreis verleihen kann.^^
Herzliche Grüße
Ekki

 irakulani (05.02.14)
Ich fürchte, das ist ein ganz hartes Losa für den Neidgeier, lieber Ekki, wenn er den Nachwuchs auswählen und ausbilden muss, besteht doch immer die Gefahr, dass dieser besser sein wird als er es jemals war.
Doch vor allen Dingen: Der Nachwuchs ist jung! Und da kann er sich anstrengen so sehr er will, da wird er immer im Nachteil sein.

Jede Menge Futter für den Neidgeier, ich fürchte, das wird (früher oder später) sein Tod sein!

Deine Groteske ist ausgesprochen nachdenkenswert, lieber Ekki,
sei herzlich gegrüßt,
Ira

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 05.02.14:
Oh ja, Ira, ich fürchte auch, dass der Neidgeier den Nachwuchs kaum unter Kontrolle halten kann und dass er an Völlerei verenden wird.
Vielen Dank und herzliche Grüße
Ekki
chichi† (80)
(06.02.14)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 06.02.14:
Merci, Gerda. Es gibt genug Auserwählte, sodass wir dich großzügig übersehen können. ))

 TassoTuwas (06.02.14)
Hallo Ekki,
sehr schön, aber wieso fällt mir bei Neidgeier sofort der Raffzahn ein??
Der wär bestimmt auch für eine "Würdigung" dankbar.
Herzliche Grüße TT

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 06.02.14:
Vielen Dank, Tasso. Ich habe mir vom Neidgeier schon die Internetadresse von Raffzahn verschafft und werde ihm bald eine Würdigung besorgen.^^
Herzliche Grüße
Ekki

 harzgebirgler (30.11.17)
neid kann auch motivieren aber leider
ersticken noch an ihm die meisten neider.

herzliche abendgrüße
henning

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 30.11.17:
Merci, Henning, meine Erfahrung ist auch, dass Neider sich unproduktiv in ihrem Neid verzehren.
Herzliche Grüße zurück
Ekki
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