Angekommen

Gedicht zum Thema Alltag

von  Isaban

Stadtverkehr rauscht leis und fern.
Fette schwarze Raben führen
ihren Frack im Park spazieren

und sie äugeln und sie nicken,
während sie gen Himmel blicken,
so, als dankten sie dem Herrn.

Auf der Parkbank liegt noch einer,
sehen wollt ihn gestern keiner;
er trägt seine Sommerschuh.

Heute schläft er ganz in Ruh.
Keiner wird ihn mehr verjagen,
keiner nach ner Kippe fragen
und der Schnee deckt ihn sanft zu.

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Kommentare zu diesem Text


 AZU20 (18.12.17)
Angekommen klingt vielleicht ein wenig zynisch. LG

 Isaban meinte dazu am 13.01.18:
Vielleicht. Aber falls es so ist, richtet sich der Zynismus ganz gewiss nicht gegen den, der dort auf der Parkbank angekommen ist.

LG Sabine

 EkkehartMittelberg (18.12.17)
Sehr gelungen.
Schade, dass dieses Thema fast nur in der Weihnachtszeit Beachtung findet..

 Isaban antwortete darauf am 13.01.18:
Aktuell ist es immer, aber in der Weihnachtszeit bekommt es durch die naturgemäß vorherschenden Temperaturen und die sentimentale Stimmung der Leute auf jeden Fall mehr Aufmerksamkeit - und holt die Leute vielleicht ein wenig mehr auf den Teppich..

Herzlichen Dank für deine Rückmeldung, Ekkehart.
Liebe Grüße

Sabine

 Irma (18.12.17)
Stadtparks liegen inmitten unserer Städte. Ein kleiner Garten Eden, in dem wir ausspannen und uns wohlfühlen dürfen. Lägen da nur nicht immer diese Penner auf den Bänken! Ja sicher, im Winter sind es weniger. Aber in V.7 liegt noch einer, nicht abgeholt. Ein Sommerschuh-Überbleibsel.

Klar, er stört nicht mehr: „Heute schläft er ganz in Ruh.“ (Z.10). Wer würde ihn, so stille, noch verjagen wollen? „Schlafe in himmlischer Ruh!“, heißt es im bekanntesten deutschen Weihnachtslied. (Diesen Ärmsten der Armen lohnt es sich nicht einmal mehr, nach einer Kippe anzubetteln - er hat wirklich nichts mehr zu geben.)

Advent - das heißt Ankunft. Hier ist jemand bereits angekommen an der ‚Endstation Sehnsucht‘. Scheinbar unbemerkt von den (selbst und gerade zur Weihnachtszeit) geschäftig und unachtsam in der Stadt umhereilenden Menschen. Was wir nicht sehen wollen, das verbergen wir vor unseren Augen. (Bloß nicht hingucken, dann berührt es uns auch nicht! Morgen vielleicht …?)

Einzige Zeugen dieses leisen Sterbens sind die „äugeln(den) und … nicken(den)“ (Z.4) „fette(n) schwarzen Raben“ (Z.2), die wohlgefütterten Aasfresser, die wie wir erhobenen Blickes in ihren Fracks vorbei stolzieren - Totengräber eben.

„Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr“, könnte man mit Rilke sagen. Vielleicht kommt er zu Schlaf und „Ruh“ (Z.10), deckt der Herrgott ihn „sanft zu“ (Z.13). Aber Gott scheint irgendwo weit weg, wie der die ersten beiden Strophen umfassende „fern - Herrn“ - Reim zeigt.

Traurig! LG Irma

P. S. Ich würde dem "'ner" in der vorletzten Zeile noch ein Häkchen spendieren ...

Kommentar geändert am 18.12.2017 um 18:22 Uhr

 Isaban schrieb daraufhin am 13.01.18:
Hallo Irmchen, verzeih, zu spät, aber ich kam einfach nicht dazu.
Dein Kommentar ist - wie immer - wundervoll. Ich liebe es, wie du zwischen meine Verse schaust, die Stilmittel hin und her wendest und wie deine Empathie sich meine Gedanken aneignet. Hab vielen lieben, herzlichen Dank, nicht nur für diese Rückmeldung hier, sondern für alle, die du uns im Laufe der Zeit hier geschenkt hast. Sie waren mir immer eine Freude.

Beste Grüße aus dem weißbehimmelten Thüringen

Sabine


PS: Ach ja, zum Häkchen: Nach der neuen Rechtschreibregelung ist der Auslassungsapostroph entbehrlich.

 ManMan (18.12.17)
Atmosphärisch sehr gut verdichet! Es fröstelt einen, wenn man das Gedicht zu Ende gelesen hat. Meine Empfehlung!

 TassoTuwas äußerte darauf am 18.12.17:
Trifft genau mein Empfinden!
LG TT

 Isaban ergänzte dazu am 13.01.18:
Herzlichen Dank, ihr beiden!

Liebe Grüße

Sabine
ues (34)
(18.12.17)
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 Isaban meinte dazu am 13.01.18:
Die Diskrepanz steckt in unseren Köpfen, ues, und mir graust vor uns.
Normalerweise schauen wir weg und wenn wir wirklich mal hinschauen, stört das, was wir sehen, unser Wohlbehagen so sehr, dass wir fast erleichtert sind, wenn sich dieses Problem gewissermaßen von allein gelöst hat.
Wir schämen uns, weil sowas in unserer Gesellschaft vorkommt, obwohl es uns doch allen so gut geht und gleichzeitig gibt es so eine Art "Gnadenschussgefühl", wenn so ein Unglücksrabe "sanft entschlummert" ist. Paradox, aber in mehr oder minder starekm Umfang in jedem Kopf vorhanden, sond wären z.B. zwischen 1940 und 1942 nicht so unglaublich viele Patienten aus dem Franz-Sales-Haus in Essen plötzlich an "Lungenentzündung" gestorben. Auch so eine Geschichte, bei der vorsichtshalber niemand genau hinschauen wollte.

Liebe Grüße

Sabine
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