Und wie geht man eigentlich mit den schlechten Erfahrungen um?

Text zum Thema Emanzipation

von  Alex

Nein, dieser Beruf ist nicht immer ein Zuckerschlecken. Vor drei Tagen hatte ich Besuch, der sehr grob war. Verdrängen ist meiner Meinung nach nicht die richtige Lösung. Aber ich setze Prioritäten. Es gibt Ausgleiche. Ich treffe so viele tolle, nette Menschen, habe so viele spannende Erfahrungen in meinem Beruf gemacht und bin daran gewachsen. Ich wachse immer noch. Vor ein paar Jahren hätte mich das unangenehme Erlebnis noch sehr krass aus der Bahn geworfen.

Aber ich bin stärker geworden. Ich bin nicht abgestumpft, im Gegenteil. Je stärker ich werde, umso leichter fällt es mir auch, Emotionalität zulassen. Das ist übrigens sehr gut für meinen Beruf. Viele Menschen suchen anscheinend Sex und brauchen eigentlich körperliche und emotionale Nähe. Das kann ich umso besser geben, umso stärker ich werde und umso mehr ich zu mir selbst stehen kann. Abstumpfung ist etwas ganz Anderes. Es ist ein "Sich - Ducken", "Sich - Vor- Sich - Selbst - Verleugnen". Ich jedoch gehe einen anderen Weg. Den, mit aufrechtem Rücken durch die Welt zu gehen und zu sagen: " Ja. Ich bin Nutte. Lass uns über deine Vorurteile reden, dazu sind sie da. Um sie zu überdenken und, wenn sie als unsinnig erkannt wurden, zu beseitigen." Ich stehe in dieser Welt und sage laut, dass ich schon genug Scheiße erlebt habe, auch in der Sexualität. Schweigen ist nicht die Lösung. Aber man sollte dem auch nicht zu viel Macht schenken. Klar, solche Verletzungen können Traumata hinterlassen. Aber jedes Mal, wenn du etwas aus Angst, dieses Erlebnis könnte sich wiederholen, nicht machst, obwohl es dir auf dem Herzen liegt, es zu tun, gibst du deinem Täter Macht über dein Leben. Und diese Macht darf er nicht bekommen.

Ich stehe hier und sage:
Mir wurde weh getan.
Mir ist bewusst, dass ich als Prostituierte ein höheres Risiko habe, sexuelle Verletzungen zu erfahren.
Ich möchte meinen Beruf um Nichts in der Welt aufgeben.
Dafür gibt es viele Gründe. Einer davon sind die vielen Menschen, die ich täglich glücklich machen kann und die mich glücklich machen.
Ich bin dankbar für all die schönen und auch die schlimmen Erlebnisse, die ich durch diesen Beruf in meinem Leben hatte.
Ich liebe meinen Beruf.

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Kommentare zu diesem Text


 toltec-head (16.11.18)
Wie stehst du zu Flatrate-Bordellen und überhaupt der ganzen McDonaldisierung des Berufs?

 Alex meinte dazu am 16.11.18:
Ich würde in so einem Laden niemals arbeiten. Allgemein würde ich niemals als Angestellte in dem Gewerbe arbeiten. Das ist mir viel zu stressig und artet meist sehr schnell in Ausbeutung aus.

 TrekanBelluvitsh (16.11.18)
Eine schlechte Erinnerung wird unter vielen weniger schlechten (volkstümlich: guten) Erinnerung begraben. Machen viele. Auf ihre Art. Hat mir Moral nichts zu tun. Ist eher eine Überlebensstrategie. Was viel über das Wesen des Lebens aussagen könnte. Aber halten wir uns lieber an die weniger schlechten Erinnerungen.
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