30 Silberlinge

Kurzprosa zum Thema Kunst/ Künstler/ Kitsch

von  RainerMScholz

Die Quintessenz liegt in der Liebe wie im Leben in der absoluten euphorischen Hingabe. Das Lauwarme spuckt Gott aus. Das Paradoxon ist die existentielle Entäußerung seiner selbst durch die Aufgabe des eigenen Lebens. Und der Moment, in welchem ich dies beschreibe, macht die Wahrhaftigkeit zunichte. Nur Reden, nicht sein; oder vielmehr: das Reden ist das Sein, das Schreiben die Existenz, die Darstellung ist das Wesen. Aber immerhin eine Annäherung, und ist denn mehr möglich, ohne der Gegenstand des Dargestellten zu sein, das Objekt der Beschreibung. Ja, natürlich ist das möglich, aber wer schriebe dann darüber. Künstler sind darüber zerbrochen, Maler, Musiker, Dichter – und Jesus schrieb kein einziges überliefertes Wort. Der Phantomschmerz, nicht in den Lagern vernichtet worden zu sein mit den anderen Auserwählten. Das Ungenügen, nicht bis zum Fallen des Vorhangs auf der Bühne gestanden zu haben. Das Gefühl des Übriggebliebenen. Die Schande, nur ein Mensch zu sein. Dieses Gewahrwerden des Vergessens und der Versäumnis. Nicht restlos alles gegeben zu haben. Nicht alles gegeben gekonnt zu haben. Musik kann man nur machen, oder man lässt es eben sein.
Noch ein Lied, noch ein
Gedicht, noch eine
Vergasung, noch eine
Hungersnot, ein Krieg,
ein Verlust, ein Schmerz, ein Tod.
Ein Kreuz. Eine Sichel.
Der Deutsche Michel
trägt den Sieg
durch seine schiere Existenz
davon
und auf`s Leben begrenzten Lohn.

Ein Gemälde ergreift mich oder nicht. Ein Gedicht dringt in mich oder es sagt gar nichts. Ein Opfer reißt mit, ein Gesang erhebt, eine Strophe lässt frohlocken – aber nur ein Text reflektiert. Niemand weiß, wie es in diesen Kammern war, wenn das Licht erlischt, wenn das Gas einzischt; aber ein Bild stellt es dar, ein Lied lässt es in unser Herz, ein Gedicht macht uns weinen. Wer wollte den Tod am Kreuz, den Hungertod in der Ödnis, die Schrecken des Krieges erklären, reflektieren wollen. Nur die Annäherung ist möglich. Alles andere ist für die Hunde. Wir verbreiten frohe Kunde.
Denn der Herr lebt,
und sei es verkehrt.
Die Toten bleiben unvergessen;
wir können uns nicht vermessen
ein Gott zu sein;
ein Zeichen
sind wir,
das Scheinen
der Welt,
und wir sind das falsche Wechselgeld;
denn diese Währung
gilt für Blut.
Das Böse wird so gut.
Die Himmel öffnen sich zur Nacht,
wenn Zerberus´ Feder wacht.

Leck mich am Arsch, Realität. Bin ich denn gut genug für schlechte Zeiten – es ist recht lang bis zur Ewigkeit.

© Rainer M. Scholz

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Kommentare zu diesem Text


 harzgebirgler (18.01.19)
mancher trapper geierschnabel
hält sich für der welt ihr'n nabel
geiert giert nach ruhm und ehr'
seit je sehr und immer mehr
doch die bläst ihm längst den marsch
und sagt auch: leck mich am arsch.

abendgruß
henning

 RainerMScholz meinte dazu am 28.10.23 um 00:35:
Leck mich am Arsch und drauf geschissen -
das ist ein sanftes Ruhekissen;
und ist die Welt erstmal vergessen,
tun wir brav zu Abend essen
vor der Glotze ihrem Schein,
da lassen wir nur einen klein´
Schimmer in das Zimmer `rein.
Grüße,
R.
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