Alte Kaffeemühle

Kurzprosa zum Thema Erinnerung

von  Moja

Erst kürzlich, als ich über den Flohmarkt schlenderte, erinnerte ich mich an die Kaffeemühle meiner Eltern. Mein Vater hatte sie mir überlassen. Deutlich sah ich sie vor mir: das schwarze Gehäuse mit der geschwungenen Kurbel und dem lockeren Griff, die helle Lade, darüber das Schild mit Hirschkopf und Geweih, der Aufschrift: PEDE.  PATENTAMT GESCHÜTZT. GESCHMIEDET. WERK. Auf einmal war sie mir wichtig. Ich holte sie aus dem Schrank.

Und wie ich nun dasaß, die alte Mühle zwischen den Knien und schwarze Bohnen zermahlte, war mir, als pulverisierte ich vergangene Zeit. Erinnerungspartikel setzten sich in mir zusammen, ein überbelichtetes Bild von einst. Nicht nur die Küche der Elternwohnung sah ich, auch die Blätter des Kastanienbaums im Hof, wie der einfallende Sonnenschein Licht und Schatten zerlegte und Sonnensprenkel über den fahlen Linoleumboden vor der Speisekammer huschten.

Ich sah mich selbst, das Kind, das ich war. Es sitzt auf dem lackierten Stuhl neben dem Ausguss. Ich erkannte mich an der ruckenden Armbewegung, mit der ich gegen die Kurbel stoße, entsann mich an das Ächzen des Mahlwerks in der Stille des Raumes, die der von damals glich, am Aufleuchten der hellen Kinderknie, dem hochgerutschten Saum des blau und grün gepunkteten weißen Sommerkleides. Als das Mahlwerk verstummte, würziges Kaffeearoma aus der kleinen Lade aufstieg, sein Duft die Küche durchzog und ich das Pulver in die Kaffeedose löffelte, reihten sich in mir Bilder aneinander, die tief in mir verschlossen gewesen sein mussten.

Das Kind in der leeren Küche, die alte Mühle zwischen die Beine gepresst, die Ungeduld, mit der es die Eltern erwartete, die bald von der Arbeit heimkommen werden. Da sind sie schon! Schemenhaft erkannte ich Körper und Stimmen der Eltern, die gelbe Kaffeekanne mit Goldrand, Dampf tritt aus der Tülle, Türen klappen, Sonnenschein erhellt den dämmrigen Korridor. Stimmen füllen die Wohnung, bis wir schließlich alle um den Tisch versammelt sind.

So klar und leuchtend kamen mir die Bilder in den Sinn, bevor sie langsam verblassten und wieder hinabsanken. Alltägliche Szenen von früher; vergangene Bilder, die es in der Realität nie mehr erlangen kann.

Dann mein Winterblick aus dem Fenster: Schneebedeckt der Garten, ununterscheidbar weiß von der Straße. Das schwere Weiß des Himmels durchbrochen vom dunklen Geäst der Bäume, blaue Schatten, eine helle Stunde, Stille und Wohlgeruch.

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Kommentare zu diesem Text


 EkkehartMittelberg (08.03.20)
Liebe Moja,
ich begrüße es, dass du deine Fähigkeit zur Traumschilderung auf Erinnerungsbilder überträgst.
LG
Ekki

 Moja meinte dazu am 09.03.20:
Das freut mich, lieber Ekki!
Lieben Gruß,
Moja
Sätzer (77)
(08.03.20)
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 Moja antwortete darauf am 09.03.20:
Danke dir, Sätzer, ja, dann bin ich ein wenig "eingetaucht"!

Liebe Grüße,
Moja

 Willibald (08.03.20)
Das sind die Texte, unspektakulär meditativ, im Bewusstsein ihrer Figur Zeiten, Dinge und Menschen präzise Liebe zu den Details.

Sie bringen sich und dem Leser "Wohlgeruch"&
Wohlbefinden in das Bewusstsein und machen so glücklich, wie (nur) sie es können.

greetse
ww

Kommentar geändert am 08.03.2020 um 17:05 Uhr

 Moja schrieb daraufhin am 09.03.20:
Es sind die wundervollen Momente im Leben, wo man innehält und tiefer hineingerät in Erinnerungen und Empfindungen, lieber Willibald.

Zum Kaffeeduft, der durch die Wohnung zog, fehlte nur der Kaiserschmarrn - und der gedeckte Tisch...

Dankeschön und lieben Gruß,
Moja

 Graeculus (08.03.20)
Ein gelungener Text, der perfekt eine Stimmung wiedergibt.

 Moja äußerte darauf am 09.03.20:
Dankeschön!

Lieben Gruß,
Moja

 AchterZwerg (09.03.20)
Mir gefällt der Text ebenfalls sehr gut.
Besonders auch deswegen, weil du eine uralte Meditationstechnik (Gebetsmühle) "artgerecht" auf das Emporziehen liebenswerter Erinnerungen überträgst.
Da wiegt das "schwere Weiß" des Lebens doch gleich um einiges leichter ...

Entzückte Grüße
der8.

 Moja ergänzte dazu am 09.03.20:
Lieber Zwerg,
für ein paar Kaffeemomente war ich der Welt entrückt, was Duft und Klang doch ausmachen, mit allen Sinnen spürte ich der Erinnerung nach durch die einfache Berührung von Holz und Eisen.

Freudigen Dank, sei gegrüßt!
Moja

 GastIltis (18.03.20)
Liebe Monika,
ein feiner Text, der mich dazu nötigt, etwas auszuholen. Früher habe ich Kaffeemühlen gesammelt und bemalt. Erst mit Blumenmotiven, dann Mauresken, chinesischen und Maya-Darstellungen. Nachdem sie zunächst in der Küche standen (als Staubfänger), sind sie jetzt in einem Schrankaufsatz gut verstaut. Was mir fehlte, war eine Mühle mit Porzellankörper. Die entdeckte ich dann bei einem Freund auf dem Darß. Alle Versuche, sie ihm abzuschwatzen, misslangen, weil er sie zum Mahlen von Korn zu Schrot für die Hühner brauchte. Jahrelang habe ich es versucht, weil ich im Winter in seinem Stall meine Campingsachen lagern durfte. Mit der Wende war das alles zu Ende. Übrigens hatte er das älteste Backsteinhaus auf dem Darß, war aber Müllkutengänger und Messi. Er sprach neben Deutsch und Englisch noch Russisch, Polnisch, Französisch, Arabisch und Japanisch. Japanisch so perfekt, dass er Fachtexte fließend übersetzen konnte. 2001 traf ich ihn dann im Nachbarort, da hatte ihn seine Frau, eine Ärztin, gerade verlassen. Später ist sein Haus wohl abgerissen worden und auf dem ehemaligen Grundstück stehen zwei blitzsaubere Ferienhäuser. Wo die schöne Mühle geblieben ist, keine Ahnung!
Neues Thema: Vom Sport veranstalten wir jedes Jahr eine Weihnachtsfeier mit sogenannten Julklapps. Und, wie das Leben so spielt, habe ich doch im letzten Jahr nach dem Auswickeln tatsächlich genau solche Mühle in der Hand gehalten. Kannst du dir vorstellen, wie groß meine Freude war? LG von Gil.

 Moja meinte dazu am 18.03.20:
Lieber Gil,
da hast Du mir wieder eine zauberhafte Geschichte geschenkt - sogleich war ich auf dem Darß, schönes Fleckchen - und stöberte mit Dir die alten Mühlen durch.
Bemalte Mühlen, na so was! Ich mahle immer Kaffee, zwar motiviert, aber gänzlich motivlos..
Deine Freude kann ich mir gut vorstellen, die leuchtet noch jetzt durch Deinen Text.

Darauf eine gute Tasse Kaffee,
ich mahle mal schnell ein paar Böhnchen,
besten Dank und duftende Grüße,

Monika
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