Auf dem Sklavenmarkt
Essay zum Thema Freiheit/ Unfreiheit
von Graeculus
Kommentare zu diesem Text
Hallo Graeculus, das ist wahnsinnig interessant.
Du erhältst von mir eine Favorisierung allein wegen der spannenden Erzählung. Diogenes muss der Freieste unter Freien gewesen sein, denn wer lebt schon mit Vergnügen in einer Tonne ? Aber können wir bei den Nachrichten aus seiner Zeit sicher sein, dass es sich nicht um Fakes handelt, sondern um Fakten?
Du erhältst von mir eine Favorisierung allein wegen der spannenden Erzählung. Diogenes muss der Freieste unter Freien gewesen sein, denn wer lebt schon mit Vergnügen in einer Tonne ? Aber können wir bei den Nachrichten aus seiner Zeit sicher sein, dass es sich nicht um Fakes handelt, sondern um Fakten?
Lieber Ekkehart,
ich danke für Dein Lob. Zu Deiner Frage: Dessen kann man bei den Quellen aus der Antike nur selten sicher sein. Fast alles, was wir über Diogenes von Sinope wissen, stammt von Diogenes Laërtios aus seinen "Vitae philosophorum" (Buch VI); er hat ca. 600 Jahre später gelebt, berichtet also keinesfalls über etwas, das er erlebt hätte.
Die Anekdote, auf die ich hier Bezug nehme, berichtet er gleich mehrfach in leichten Varianten, wobei er sich auf ein Buch eines gewissen Menippos bezieht ("Der Verkauf des Diogenes"), das für uns verloren ist. Offenbar war die Geschichte in der Antike populär.
In einer der Varianten befiehlt (!) Diogenes von Sinope dem Herold: „Rufe aus, ob einer gewillt sei, sich einen Herrn zu kaufen [κήρυσσε εἴ τις ἐθέλει δεσπότην αὑτῷ πρίασθαι].“
Der Name des Käufers ist überliefert: Xeniades. Ihm hat Diogenes gleich klargemacht: "Du mußt mir gehorchen, ob ich gleich dein Sklave bin"; gehorche er doch auch dem Arzte oder dem Steuermann, gesetzt auch, daß sie Sklaven wären.
Seufzend zitiert dieser darauf einen Euripides-Vers: „Aufwärts richtet sich nun der Lauf der Flüsse.“ (Medea V. 410)
Ist auch nicht ohne Witz, oder?
ich danke für Dein Lob. Zu Deiner Frage: Dessen kann man bei den Quellen aus der Antike nur selten sicher sein. Fast alles, was wir über Diogenes von Sinope wissen, stammt von Diogenes Laërtios aus seinen "Vitae philosophorum" (Buch VI); er hat ca. 600 Jahre später gelebt, berichtet also keinesfalls über etwas, das er erlebt hätte.
Die Anekdote, auf die ich hier Bezug nehme, berichtet er gleich mehrfach in leichten Varianten, wobei er sich auf ein Buch eines gewissen Menippos bezieht ("Der Verkauf des Diogenes"), das für uns verloren ist. Offenbar war die Geschichte in der Antike populär.
In einer der Varianten befiehlt (!) Diogenes von Sinope dem Herold: „Rufe aus, ob einer gewillt sei, sich einen Herrn zu kaufen [κήρυσσε εἴ τις ἐθέλει δεσπότην αὑτῷ πρίασθαι].“
Der Name des Käufers ist überliefert: Xeniades. Ihm hat Diogenes gleich klargemacht: "Du mußt mir gehorchen, ob ich gleich dein Sklave bin"; gehorche er doch auch dem Arzte oder dem Steuermann, gesetzt auch, daß sie Sklaven wären.
Seufzend zitiert dieser darauf einen Euripides-Vers: „Aufwärts richtet sich nun der Lauf der Flüsse.“ (Medea V. 410)
Ist auch nicht ohne Witz, oder?
Am bekanntesten ist Diogenes von Sinope wohl durch die folgende Anekdote:
Als er im Kraneion sich sonnte, trat Alexander an ihn heran und sagte: „Fordere, was du wünschest“, worauf er antwortete: „Geh mir aus der Sonne [ἀποσκότησόν μου].“
Alexander von Makedonien, später der Große genannt! Auch das ist Mut, ihm eine solche Antwort zu geben.
nachdenklich-lg Gina
Nachdenken, ist (meistens) gut.
Herzlichen Gruß
Graeculus
Herzlichen Gruß
Graeculus
Vielen Dank für deine Mühe. Das ist wirklich witzig und erheitert mich.
Gern geschehen - umso mehr, als es Dich erfreut hat.
Lieber Graeculus,
Laut Global Slavery Index (GSI) wird schätzt, dass es derzeit in Deutschland rund 167.000 moderne Sklaven gibt. Weltweit sollen es 46 Mio. (2016, wiki) sein. Selbst wenn man die Zahlen halbiert, sind sie erschreckend.
Vielen Dank aber für die Anregung, sich mit diesem Thema (erneut) auseinander zu setzen.
Herzlichst
Viktor
Laut Global Slavery Index (GSI) wird schätzt, dass es derzeit in Deutschland rund 167.000 moderne Sklaven gibt. Weltweit sollen es 46 Mio. (2016, wiki) sein. Selbst wenn man die Zahlen halbiert, sind sie erschreckend.
Vielen Dank aber für die Anregung, sich mit diesem Thema (erneut) auseinander zu setzen.
Herzlichst
Viktor
Fast habe ich es geahnt - so wenige Sklaven gibt es gar nicht in Deutschland. Nur sind sie es faktisch und nicht - wie in der Antike - auch juristisch, wo Sklaven unter das Sachenrecht fielen.
Herzlichen Gruß
Graeculus
Herzlichen Gruß
Graeculus
Wie heißt es so schön, "Man sollte immer das Beste draus machen".
Wenn es denn der Alternativlosigkeit geschuldet ist, kommt dann z.B. der Sozialismus dabei heraus
TT
Wenn es denn der Alternativlosigkeit geschuldet ist, kommt dann z.B. der Sozialismus dabei heraus
TT
Gut. Vom Sozialismus ahnte Diogenes nichts. Sein Lebenskonzept bestand darin, glücklich zu werden nicht durch die Befriedigung einer größtmöglichen Zahl von Bedürfnissen, sondern durch die Reduzierung seiner Bedürfnisse. Das ist wesentlich leichter und steht in jedermanns Hand.
Des Diogenes Motto hätte das von Nikos Kazantzakis (in Neugriechisch) sein können:
Δεν ελπίζω τίποτα. Δε φοβούμαι τίποτα. Είμαι λέφτερος.
Ich erhoffe nichts. Ich fürchte nichts. Ich bin frei.
Ich erhoffe nichts. Ich fürchte nichts. Ich bin frei.
Ein echter Freigeist und Draufgänger, dieser Diogenes! Sollte man mal einen Actionfilm über ihn drehen!
Ich war bisher der Meinung, jede Art von Arbeit (auch meine) sei eine Art von Prostitution. Aber zunehmend bin auch ich der Meinung, dass die Arbeitgeber mehr mich brauchen als ich sie.
Diese Freiheit(en) kann ich mir indes nur rausnehmen, weil ich nicht Ehepartner und Kinder durchzufüttern habe und kein Häuschen abbezahlen muss. Nun, ja. Familie ist eine übliche und gesellschaftlich akzeptierte Form der Sklaverei.
Ich war bisher der Meinung, jede Art von Arbeit (auch meine) sei eine Art von Prostitution. Aber zunehmend bin auch ich der Meinung, dass die Arbeitgeber mehr mich brauchen als ich sie.
Diese Freiheit(en) kann ich mir indes nur rausnehmen, weil ich nicht Ehepartner und Kinder durchzufüttern habe und kein Häuschen abbezahlen muss. Nun, ja. Familie ist eine übliche und gesellschaftlich akzeptierte Form der Sklaverei.
Das stimmt! Ehe und Kinder machen auch gegenüber dem Arbeitgeber abhängig. Diogenes war, soweit wir wissen, nicht verheiratet.
Für einen Film würde er, da wir über dramatische Ereignisse seines Lebens - mit Ausnahme der mißglückten Schiffsreise - kaum etwas wissen, wohl als Nebenfigur gut taugen.
Für einen Film würde er, da wir über dramatische Ereignisse seines Lebens - mit Ausnahme der mißglückten Schiffsreise - kaum etwas wissen, wohl als Nebenfigur gut taugen.
bleibronze (69)
(22.04.20)
(22.04.20)
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bleibronze (69) meinte dazu am 22.04.20:
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An dieses Detail bei Tom Sawyer kann ich mich nicht mehr erinnern - bei aller Liebe zu Mark Twain. Sollte er die eigene Arbeit durch geschickte Propaganda losgeworden sein, entspräch das nicht dem, was Diogenes getan hat. Er hat sich viel Mühe gegeben im Haushalt seines Käufers (Xeniades), nur daß er dort nicht die Rolle des Sklaven, sondern die des Herrn tatsächlich durchgehalten hat. Ich habe oben schon erwähnt, daß Xeniades darüber gesagt hat: "Hier fließen die Flüsse aufwärts."
Aber pfiffige Kerlchen waren sie beide, Tom Sawyer und Diogenes von Sinope.
Aber pfiffige Kerlchen waren sie beide, Tom Sawyer und Diogenes von Sinope.
bleibronze (69) meinte dazu am 23.04.20:
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Im Vergleich ist Hegel geistreicher, aber Mark Twain liest man freiwillig & gern, während man sich durch Hegel durchkämpfen muß.
Danke fürs Vorbeischauen, fürs Lesen und fürs Loben.
Danke fürs Vorbeischauen, fürs Lesen und fürs Loben.
Terminator (41)
(09.01.24, 01:08)
(09.01.24, 01:08)
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Ach, was haben sich schon die Stoiker damit befaßt! Recht haben sie ja.
Andererseits ... war Marc Aurel frei? Sein tägliches Laudanum hat er schon benötigt.
Andererseits ... war Marc Aurel frei? Sein tägliches Laudanum hat er schon benötigt.
Nun ja, vom antiken Sklavenmarkt bis zur SPD ist es ein weiter Weg, finde ich, da ist deine Brücke sehr schmal und wackelig.
Zumindest für die, die Politik und Markt(wirtschaft) in einen Topf werfen. 👋🙂
Immerhin hatte Diogenes einen seiner größten Auftritte auf einem Markt. Da war die Wahl des Ortes kein Zufall.