Die drei Zeitformen - 2: Die Gegenwart

Essay zum Thema Zeit

von  Graeculus

Schwupps, schon vorbei.


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Kommentare zu diesem Text

Taina (39)
(21.12.22, 06:34)
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 Graeculus meinte dazu am 21.12.22 um 14:07:
Nun, auch innerlich bist Du schon bei einem Ereignis, das erst eine Sekunde alt ist, auf Dein Gedächtnis angewiesen. Diese Erinnerung (!) muß allerdings in der Gegenwart präsent sein.
Innerlich, so könnte man sagen, gibt es - wie bei den Hopi-Indianern, falls wir Benjamin Lee Whorf trauen wollen - überhaupt nur eine Zeitdimension, die sich nach Erinnerung, Wahrnehmung und Erwartung spezifiziert - alle drei gegenwärtig; dafür findet dann freilich eine ständige Verschiebung von Erinnerung zu Erwartung statt. Die Wahrnehmung aber ... schwupps, schon ist sie weg.
Taina (39) antwortete darauf am 21.12.22 um 14:48:
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 Graeculus schrieb daraufhin am 21.12.22 um 22:18:
Für mich war schon das Denken der Hopi eine Überraschung. Es hat viel für sich ... auch wenn ich nicht weiß, wie sie mit ihrer 'puren Gegenwart' ohne objektive Zeit ihr Leben organisiert haben.

 Tula (21.12.22, 09:37)
Moin Graeculus
Bloß gut, dass ein Moment der Gegenwart stets so kurz. Sonst fiele es uns im Nachhinein noch schwerer, uns an alles ganz genau zu erinnern. Ist ja auch so schon genug  ;) 

LG
Tula

 Graeculus äußerte darauf am 21.12.22 um 14:08:
Leider kommen im Laufe der Zeit ganz schön viele vergangene und zu erinnernde Gegenwärtigkeiten zusammen.
Und die Erinnerung ist - das zeigen viele psychologische Tests - eine sehr unzuverlässige Erkenntnisquelle.

Herzlichen Gruß
Wolfgang

 EkkehartMittelberg (21.12.22, 10:04)
Hallo Graeculus,

wie schnell sie vorbei geht, hängt wohl davon ab, wieviel Freude, Glück oder Schmerzen der Betrachter mit ihr verbindet.
Ich vermute, das Überdruss und Langeweile ihre Dauer dehnen.

 Graeculus ergänzte dazu am 21.12.22 um 14:11:
Die Gegenwart kann leer sein: durch Überdruß oder Langeweile. Das Problem liegt m.E. an der Leere, während die Uhr unerbittlich und gleichmäßig tickt.

Wieviel Zeit (Sekunden, Minuten, Stunden) kannst Du als Gegenwart empfinden?

Herzlich,
Wolfgang

 LotharAtzert meinte dazu am 21.12.22 um 16:17:

hängt wohl davon ab, wieviel Freude, Glück oder Schmerzen der Betrachter mit ihr verbindet.
Beim Krebssonneverhalten wird sogar die Zeit zum Zeitempfinden. Das ist wunderbar, Ekki. Astrologendank.

 TrekanBelluvitsh (21.12.22, 13:13)
Hat auch Vorteile. Weil die Gegenwart so kurz ist, passt da nicht viel rein. Wo nix ist, projiziert der Mensch gerne etwas herein. Und da die Gegenwart, als ich anfing, jenes zu schreiben, jetzt schon vorbei ist, kann ich mit fröhlichem Herzen und selbstherrlicher Eigenerhöhung behaupten: "Das hat es früher nicht gegeben!" oder "Die Jugend von heute..."

 Graeculus meinte dazu am 21.12.22 um 14:13:
Stimmt, der Anfang eines Satzes ist an dessen Ende bereits Vergangenheit. Und in diese Vergangenheit kann man jede Menge hineinprojizieren. Eine große Chance für Eigenliebe und Rechthaberei!

 Naja (21.12.22, 17:12)
Nööö, sie ist und ist und ist ... jederzeit, ist nicht totzuschlagen, nicht zu verdrängen. Selbst wenn wir ein Foto aus der Vergangenheit anschauen, ist sie ... vielleicht sind ja Vergangenheit und Zukunft nicht real. Auch wenn wir in die Zukunft denken, können wir das nur in der Gegenwart. Nööö, sie ist das einzig real Existente. 
Weil wir weder in die Vergangenheit noch in die Zukunft reisen können, ist sie immer. Meint Naja ...

 Graeculus meinte dazu am 21.12.22 um 22:22:
Als wie lange siehst Du denn die Dauer der Gegenwart an: von vor [!] fünf Sekunden bis in [!] fünf Sekunden?

Die Gegenwart täuscht uns auch insofern, als das Licht als Übertragungsmedium vom Objekt bis ins Auge eine gewisse Zeit benötigt; bei einem Photo vor meinen Augen ist der Unterschied minimal, bei Sternen kann er Millionen oder gar Milliarden Jahre betragen. Wie auch immer: wir schauen in die Vergangenheit.

 Naja meinte dazu am 22.12.22 um 08:32:
Ich meine, die Gegenwart ist unendlich, in jegliche Richtung. Physikalische Gesetze sind von Menschen benannte Regelmäßigkeiten, welche sie meinen verstanden zu haben. Kann stimmen, muss jedoch nicht. Das hat schon Rilke so schön beschrieben, als er : "Ihr bringt mir all die Dinge um!" schrieb. Im Umbringen sind die Menschen meisterlich, weil fortwährend auf der Suche nach Sinn und Erklärungen, mit Formel wenn möglich. Ich meine, dass mein Gott - welcher Mutter Natur heißt, die Dinge anders erschafft. Alles ist Energie - Energie vergeht nicht, sie schlägt nur anders wieder auf. Und daraus schließe ich, das wir zwar für unser Gehirn und Verständnis Zeitformen erschaffen und benennen können, um unsere gefühlte Realität einteilen zu können, sie jedoch letztendlich eines sind: die immerwährende Gegenwart.

 Graeculus meinte dazu am 22.12.22 um 15:34:
Ach, das erinnert mich an das "nunc stans", das stehende Jetzt der Mystiker. Die meinten sicherlich damit nicht den Energieerhaltungssatz der Physik, sondern die aufgehobene Zeit.

Why do people think of eternity as a long, long thing?
It is a flash of light on a beetle's wing.

(William Butler Yeats, meiner Erinnerung nach)

Das ist natürlich ein toller Gedanke, die immerwährende Gegenwart ... wenn man diesen Bewußtseinszustand in sich zu erzeugen vermag.

 Redux (21.12.22, 20:08)
Gemessen an der Länge derselben nehmen deine Ausführungen epische Ausmaße an.

 Graeculus meinte dazu am 21.12.22 um 22:23:
Du meinst den Text selbst oder die Kommentare dazu? Wie auch immer, am Ende eines Satzes liegt der Anfang bereits in der Vergangenheit.

 Redux meinte dazu am 22.12.22 um 07:35:
Genau das meine ich ja, grundsätzlich ist die Gegenwart ja kaum messbar, davor die Vergangenheit, danach die Zukunft...

 Graeculus meinte dazu am 22.12.22 um 15:35:
Streng genommen ist die Ausdehnung der Gegenwart 0, also nicht meßbar. (Ähnlich wie die Ausdehnung eines Punktes.)

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 23.12.22 um 17:44:
ja, die Zeitspanne der Gegenwart ist einfach nicht zu definieren, weil sie von Erlebnis zu Erlebnis, von Thema zu Tema wechselt.

 Graeculus meinte dazu am 23.12.22 um 23:00:
Von den drei Zeitdimensionen, so wird mir gerade bewußt, ist die Gegenwart eigentlich die rätselhafteste, ungreifbarste.

 LotharAtzert (24.12.22, 13:13)
Ob Zeit auch eine Qualität hat, wurde hier bislang weder gefragt und folglich auch noch nicht beantwortet. 
Aus alten Quellen gibt es diverse Beschreibungen der 360°, aus neuerer gibt es nur einen: Wolfgang Döbereiner. Der hat aber nicht alle 360 behandelt, sondern nur markante Grade, wo Ereignisse stattfinden und -fanden, wobei 360 gleich ein Jahr ist, oder ein Tag oder sonstiger Ausgangspunkt für rhythmische Auslösungen. Dem Spieltrieb sind da ja keine Grenzen gesetzt. Und weil D. jeden Tag Beratungen gemacht hat (Wartezeit kurz vor seinem Tod: 2 Jahre)., konnte er das für sich durch die Praxis stetig neu überprüfen.

Kommentar geändert am 24.12.2022 um 13:15 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 24.12.22 um 23:59:
Aus alten Quellen gibt es diverse Beschreibungen der 360°

Was, welche Quellen meinst Du damit?

Bei Homer erschließt sich die Qualität der Zeit aus dem Warten auf den Abschluß eines Geschehens.

 LotharAtzert meinte dazu am 25.12.22 um 13:34:
Leider bekomme ich auch nur noch selten Kommentare angezeigt. Deine obige Antwort zB. bis jetzt nicht.

"Die Grade des Zodiaks" von Charubel (wohl ein Brite), Verlag Richard Schikowski, Berlin - das Werkchen ist von 1960. - das Buch ist nicht empfehlenswert. Bei 7° Fische, meinem AC steht zb.:

Jemand, dem in weltlichen Dingen immer Vereitelungen und Verwirrung bevorstehen, der infolgedessen immer verkehrt geht und Verluste erleidet; dabei mag er in spirituellen und übersinnlichen Dingen eine große Höhe erreichen.

Döbereiners Werk "Horoskop für jeden Tag", Döbereiner-Verlag, bezieht sich auf den Sonnenstand und die nach ihm so genannten Gruppenschicksalspunkte, mit Angaben in welchem Alter was schicksalhaft allen passiert, die am entsprechenden Tag geboren sind, unabhängig vom Geburtsjahr.

Antwort geändert am 25.12.2022 um 13:35 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 26.12.22 um 14:23:
Danke für die Erklärung. Ich denke bei "alten Quellen" reflexhaft an meine geliebte Antike - aber darum geht in diesem Falle wohl nicht.

'Gut', daß auch du das einmal erlebst: die Benachrichtigung über eingegangene Kommentare ist seltsam hier; ich klage ja schon länger darüber.

 harzgebirgler (01.03.23, 11:06)
sie dauert immerhin zum glück
zumindest einen augenblick. :D

 Graeculus meinte dazu am 01.03.23 um 17:15:
Und zu dem sagt man im Idealfall: "Verweile doch, du bist so schön!"

 harzgebirgler meinte dazu am 01.03.23 um 18:13:
:) :) 
wunderbare, klassische ergänzung! :D
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