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Gedankengedicht zum Thema Erinnerung

von  AchterZwerg

Wenn ich auf mich niedersehe –
traurig trotzig traumverloren
ists als sei dies Leben nie geschehen
bloß der Fremden
die  ich vormals kannte und verließ

Mit jener Kraft
die  sich dem Leid entgegenstemmt
und tiefer wächst und weiter reift
und niemals  niemals
bricht

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Kommentare zu diesem Text

Jo-W. (83)
(19.07.20)
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 AchterZwerg meinte dazu am 19.07.20:
Danke, Jo. :)
Eine schwierige Kindheit zu meistern, kann
vermutlich nur in einem Zuwachs an Kraft, der Verdrängung oder im Aufgeben enden.

Herzliche Grüße
der8.
Konkret (54)
(19.07.20)
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 AchterZwerg antwortete darauf am 19.07.20:
Hallo Konkret,,

das LyrIch verliert sich in seinem sehnlichsten Wunsch: Dem Fortgehen, dem Davonkommen. Und der Frage "wie?"

Liebe Grüße
der8.

 TassoTuwas (19.07.20)
Lieber Zwerg,
wer äußerlich klein erscheint kann doch innerlich ein Riese sein!
Meine kleine Großmutter z.B. konnte, wenn sie die Wut packte, einen ganzen Käsekuchen in der Luft zerreißen
Einen schönen Sonntag wünscht
TT

 AchterZwerg schrieb daraufhin am 19.07.20:
Und Reich-Ranicki ein ganzes Buch in der Luft.

Danke schön und liebe Grüße
der8.

 FliegendeWorte (19.07.20)
Guten Morgen 8.Zwerg,
dein Gedicht zum Thema Erinnerung gefällt mir, obwohl es mich auch etwas in die Irre führt.
Das will ich erklären.
Lese ich deine zwei ersten Verse, denke und erwarte ich spontan einen klaren, sich wiederholenden Rhythmus und ähnliches auch bei der Verslänge. Getäuscht .

Das könnte ja ein Stilmittel sein. Nun verzichtest du ja auch konsequent auf Satzzeichen, was die Konfusion in meinem Kopf leider weiter steigert.
Zitat: "..ists als sei dies Leben nur geschehen
bloß der Fremden..." Da war ich dann raus, einen Sinn zu erfassen.
Siehe es mir bitte nach, dass ich mit deinem Text daraufhin etwas spielte. Ob das, was nun sichtbar ist, dem entspricht was du ausdrücken wolltest sei dahin gestellt.
Ich habe mir lediglich einen Sinn geschaffen. Vielleicht ist meine Bearbeitung ja ein Spiegel für dich, wie Leser deinen Text auffassen könnten.

Liebe Grüße
FliegendeWorte

Bearbeitungsidee FliegendeWorte

Wenn ich auf mich nieder sehe –
traurig trotzig traumverloren,
ists als sei es nie geschehen,
dieses Leben.

All das Fremde,
das ich suchte und verließ.
Mit jener Kraft, die tiefer wächst,
die reift, sich Leid entgegen stemmt

und niemals, niemals
bricht.
HerrNadler (33) äußerte darauf am 19.07.20:
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 AchterZwerg ergänzte dazu am 19.07.20:
Hallo FliegendeWorte,
deine Version gefällt mir ausgesprochen gut und liest sich weitaus harmonischer als meine. :)
Aber eine solche (angedeutete) Kindheit verläuft nicht nach Regeln. Sie ist angstbesetzt bis abwartend, zerstörerisch und kalt.
Die sich herausbildende Kraft muss im Zaum gehalten und im richtigen Augenblick eingesetzt werden ...

Das klappt leider nicht immer. Nicht eben selten wird ein Horror durch den nächsten ausgetauscht.

Vielen Dank für deine intensive Beschäftigung mit dem Text
und liebe Grüße

der8.

 AchterZwerg meinte dazu am 19.07.20:
Seien Sie mal nicht so streng, Herr Nadler.
FliegendeWorte wünscht sich halt ein schönes und metrisch einwandfreies Gedicht. Das war bei mir früher auch so, glaub ich
Im Hintergrund ahnt sie selbst, dass Absicht hinter meinem Tun liegen könnte ...
HerrNadler (33) meinte dazu am 19.07.20:
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 FrankReich meinte dazu am 19.07.20:
Sorry 8R, wen meinst Du mit "sie"?
Al-Badri_Sigrun (61)
(19.07.20)
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 AchterZwerg meinte dazu am 19.07.20:
Liebe Sigrun,

ich bin selbst ein wenig überrascht, noch mehr aber von dem bisherigen Forenerfolg des Gedichts.
Solche Texte schreiben sich nicht leicht; manchmal liegen die über Jahrzehnte in einer Schublade. Oder sie treffen einfach nicht auf den Punkt.

Schön, dass du zufrieden bist.
Herznahe Grüße
der8.

 DanceWith1Life (19.07.20)
Da ja jedes Gedicht, bei jedem Menschen etwas anderes anspricht, und damit zu Tage bringt, von dem der Autor im Prinzip nichts weiß, auf der anderen Seite, ein Menschenleben in einem menschlichen Körper aber eben nur eine bestimmte Palette von Reaktionen zur Verfügung hat. Ist einen Kommentar schreiben, für mich immer so ein Balanceakt, ich werde zum Seiltänzer. Das ist eigentlich eine Herausforderung. Und es ist jedesmal spannend, ein falsches Wort, und das Gleichgewicht ist futsch. Ich habe so das Gefühl, wir alle wissen das, jeder auf seine Art. Es gibt die unterschiedlichsten Strategien. Wundervolle Kunstgriffe, fast sich einpendelnde Worte und Zeilen zur Mitte dessen, was man sagen will. Und sieh einer an, sehr vieles im Leben war genauso. Auch davon reden diese Zeilen.

Das war sozusagen das Vorwort zu einem Kommentar, der sehr eigen wird und sehr lang.
ok, jetzt wo die Fremde, so wie sie dargestellt wurde, begründet ist, kein launischer Faktor im lyrischen Zwielicht eines zu erreichenden Effekts. Verstehe, so halbwegs.

Kommentar geändert am 19.07.2020 um 14:51 Uhr

 AchterZwerg meinte dazu am 19.07.20:
Hallo Dancer,

ich glaube, dass du alles ganz "richtig" verstanden hast.
Es handelt sich ja auch um kein Einzelschicksal, sondern um etwas, das vielen widerfährt und wohl auch noch in Zukunft widerfahren wird.

Dem Bruder im Herzen einen familiären Gruß
der8.

 FrankReich (19.07.20)
Manchmal, aber nur manchmal, haben Zwerge ..., in diesem Fall aber ganz und gar nicht, das ist echt riesig. 😉 Ciao, Frank

 AchterZwerg meinte dazu am 19.07.20:
Jetzt biste wieder froh, dass de mein (!) Ralfi bist, nä?

Leicht hämelnde Grüße
derObige

 FrankReich meinte dazu am 19.07.20:
Na ja.

 Moja (19.07.20)
Auch mich bewegt Dein Gedicht sehr stark, lieber AchterZwerg,
berührt es doch meine eigene Erfahrung in den letzten Jahren.

Man erkennt sich kaum wieder mit fortschreitender Zeit - woher nahm man bloß die Kraft, um all das zu leben? Unfassbar, wären da nicht Fotos, Zeitzeugen und Erinnerungen.

In so wenigen Zeilen und einem starken Rhythmus fängst Du dieses Lebensgefühl ein - wunderbar bewundersnwert!

Herzlichen Gruß,
Moja

 AchterZwerg meinte dazu am 19.07.20:
Danke schön, Moja.
Um ein solches Kompliment artgerecht zu goutieren, fehlt es mir an Fantasie. *hüstel.

Errötende Grüße
der8. :)
Fisch (55)
(19.07.20)
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 AchterZwerg meinte dazu am 19.07.20:
Irgendwann wird das Imperfekt zur Vergangenheit.
Jedes. Da hast du - den Göttern seis gedankt - absolut Recht.

Herzliche Grüße
der8.

 monalisa (19.07.20)
O ja, Achter, diese Gedanken kenne ich auch. Du hast sie hier sehr gelungen verpackt, kraftvoll, ein wenig staunend über die Kraft, die einem in der Not zuwächst und zuversichtlich (durch die Wiederholung : "niemals niemals bricht" auch beschwörend wie eine zauberformel!).
Weil weiter oben der Rhythmus angesprochen wurde:
Ich finde dass es sehr ebenmäßig aliterierend fließt, die unterschiedlichen Verslängen bringen für mich Leben und Spannung hinein, das kann ich gut nachempfinden. Ein bisschen vermisse ich in V 3 ein "mir" vor allem durch die nachfolgende Aussage "bloß der Fremden"
"ists als sei mir dieses Leben nie geschehen
bloß der Fremden"
würde diesen kleinen syntaktischen Stolperstein aus dem Weg räumen. Aber vielleicht war gerade das beabsichtigt, die Leser*in zurückrudern zu lassen und selbst die Anbindung finden zu lassen?
Wie auch immer, tiefsinniger Text, gefällt mir!
Liebe Grüße
mona

 AchterZwerg meinte dazu am 19.07.20:
Liebe Monalisa,

deinen Kritikpunkt finde ich einerseits berechtigt, andererseits erhielte der geweitete Vers durch die Änderung Überlänge, was, aus meiner Sicht, wiederum das ganze Gebilde infrage stellt.

Auch gebe ich zu bedenken, dass bereits aus dem ersten Vers hervorgeht, dass es sich um mein (ersatzweise LyrIchs) Leben handelt -. Insofern bin ich mir nicht sicher, ob tatsächlich etwas fehlt ...

Herzlichen Dank für deine umfangreiche Stellungnahme :)

der8.

 monalisa meinte dazu am 19.07.20:
Ja, ja, eigentlich ist eine Frage der Grammatik, und an die ist Dichter*in nicht zwingend gebunden. Es macht keine großen Probleme, "dies Leben" LI zuzuordnen (den Sinnzusammanhang zu erkennen), nur das Satzgefüge wirkt beschnitten. Im Übrigen gefällt mir die Überlänge im "Lebenvers" grade gut, weil es das Leben noch weiter weg rückt und ich das wirklich passend zur Aussage finde. Aber das ist natürlich Ansichtssache und so oder so oder anders einzig dem Willen der Dichter*in unterworfen 😊.
Liebe Grüße
HerrNadler (33) meinte dazu am 19.07.20:
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 loslosch meinte dazu am 19.07.20:
Jambus?

1. strophe: trochäen (mit oder ohne verschlimmbesserung).
2. strophe: jamben.

nebenbei: auf die idee, "mir" einzufügen, kommt man, wenn man das gedicht nicht verstanden hat.
HerrNadler (33) meinte dazu am 19.07.20:
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 loslosch (19.07.20)
altes thema in neuem gewand, wobei mir Hesses stufen fast schon kitschig vorkommen.

 AchterZwerg meinte dazu am 19.07.20:
Lieber Lothar,

die Anzahl der Themen ist und bleibt beschränkt.
In den letzten Jahrzehnten ist zwar die Sprache selbst mehr in den Mittelpunkt des lyrischen Geschehens gerückt, gleichwohl gibt es auch in der Form nicht wirklich viel Neues.
Jan Wagner ist nicht nur deshalb so erfolgreich, weil er alte Formen mit Brillanz weitet, sondern ebenso durch die inhaltlichen Bezüge zu seinen großen Vorgängern.
Mit ihm darf und will ich mich nicht vergleichen, bemühe mich aber, Form und Inhalt in einen deutlichen Bezug zu setzen.

Das Stufengedicht von Hesse ist (wenn ich mich nicht irre) nochmals von ihm überarbeitet worden. Die bekannte Fassung liest sich in der Tat wie etwas leicht Überaltertes. Oder Überholtes.

Herzliche Grüße
der8.

 loslosch meinte dazu am 19.07.20:
wurde wohl nie überarbeitet. unter "Trivia" fand ich im wiki-beitrag: "Stufen ist das Lieblingsgedicht von Alfred Biolek, der es seiner Biographie voranstellt."
HerrNadler (33) meinte dazu am 19.07.20:
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 AchterZwerg meinte dazu am 20.07.20:
Ach, der Herr Biolek! *nostalgischmallächle.

Bzgl. des Glasperlenspiels stimme ich uneingeschränkt zu. :)
Allerdings finde ich Hesse selten wirklich kitschig; er schreibt als Kind seiner Epoche und trifft die damaligen Sargnägel (?) mit dem ihm eigenen Hämmerchen zuweilen leicht, manchmal übertrieben und (seltener) ganz genau.
Wie unsereins halt, nur besser.

;-)

 AvaLiam (20.07.20)
Mein geliebter Achter,

wenn ich deine Zeilen so lese, finde ich im Grunde ganz viel von mir selbst - und nicht nur zwischen den Zeilen - sondern in jedem Wort...

...das Wort "Fremde" trifft es dabei ganz deutlich...

Man bleibt niemals niemals die Gleiche.
(das bleibt man nie - na klar - ich weiß...doch wir wissen, was ich meine)

Herzlich - Ava

 AchterZwerg meinte dazu am 21.07.20:
Liebe Ava,

obwohl es für die Qualität eines Gedichts nicht wirklich ausschlaggebend ist, freut sich die aufstrebende Dichterin * hüstel) natürlich doch, wenn sie verstanden wird.

Herzschwesterliche Grüße
der8.

 Alazán (13.08.20)
Ich checke nicht, dass die 2. Strophe ja eg kein Satz ist, sich aber auf die 1. beziehen muss. Warum den Gap? Ansonsten: Die Gedanken kann ich genauso nachempfinden, danke! :-*

 AchterZwerg meinte dazu am 13.08.20:
Vielen Dank für die Würdigung des Gedichts, Alazán.

Lyrik bricht die Sprache auf und ist somit nicht an einen korrekten Satzbau gebunden. In Brechtgedichten findet sich allerdings häufig die von dir gewünschte Form.
Für mich stellt sich die Verbindung der beiden Versgruppen über die "Kraft" her, der es (hier) bedarf, einen unhaltbaren Zustand zu beenden.
Die Betonung des Wortes "mit" (Großschreibung) erklärt sich auss meiner Überzeugung, dass sich solche Einschnitte besser mit als gegen unliebsame Erinnerungen verarbeiten lassen. Weich abgefedert, sozusagen.

Herzliche Grüße
der8.

 harzgebirgler (09.09.20)
das leben der fremden ist auch kein idyll
meist, selbst wenn's wer wem gern so vorgaukeln will.

gruß
harzgebirgler

 AchterZwerg meinte dazu am 10.09.20:
Das sog. Idyll ist vermutlich eh mehr eine Erfindung der romantischen Dichter ...

wie du und ich
Der8.
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