Nester

Text

von  atala

Manchmal fällt er rein, tappt in die Falle. Kürzlich als sie Hand in Hand an Läden vorbeischlenderten, hat er gesagt, wir brauchen ein Geschenk für den Geburtstag meines Freundes. Aber das Verweisen auf etwas, das ausserhalb von ihnen liegt, ist nicht Teil des Vertrags. Sie hat es gehandhabt, indem sie es ignoriert hat, so getan hat, als hätte dieser Regelbruch nicht stattgefunden. Er im Gegenzug hat es betont, WIR hat er nochmals gesagt und gelacht.

Die erste Regel lautet: Keine Vermischung. Eine Welt ausserhalb der unseren, existiert nicht.
Und als er das sagte, hat er die Hände wie Krallen bewegt, die gegeneinander kämpfen.

Es ist wie bei einem Computerspiel. Da wo die Spielfigur ist, gibt es Bäume, Straßen, sie hat Begegnungen, einen Boden und einen Himmel, während sich ausserhalb alles auflöst.
Verlässt sie die erlaubten Pfade, gelangt sie irgendwann in die ewige Dunkelheit, tritt an Ort und Stelle oder taucht da wieder auf, von wo sie sich aufgemacht hat.

Sie gehen herum in der eigenhändig animierten Welt

Es ist auch schon vorgekommen, dass sie in die Falle getreten ist, von jemandem erzählt hat, der ausserhalb ihres Gebietes liegt
er hat es sich äusserlich nicht anmerken, aber sie lange Zeit nicht mehr aufgesucht. 

Den Ort zu wählen, ist ihr überlassen. Er darf nicht zu weit von der Bank sein in der er arbeitet, auch nicht zu nah. 
Er bevorzugt die anonyme Öffentlichkeit für ein Treffen.
Sie hat sich schon ertappt zu denken, dass er demnach keine Frau haben kann, was sie natürlich nichts angeht, ausser dass man für einen guten Service, alles in Betracht ziehen muss.

Das letzte Mal hat sie das Kunsthaus gewählt. In den Hallen ging eine blonde Frau herum, die eine beige Gesichtsmaske trug. Es sah so aus, als wären die Nase und der Mund zensiert, unscharf eingestellt worden. 

An diesem Treffen erzählte er ihr später im Museumscafé, ohne jeglichen Zusammenhang, erschien es ihr, von Tauben. Die Vögel hätten sich in der Zeit, als sie wegen der Seuchenbekämpfung nicht ins Büro durften, auf der Aussenseite des Fenstersimses ein Nest gebaut. Am ersten Tag als er wieder im Büro erschien, beobachteten ihn zwei Tauben aus roten Augen. Die beiden haben sich beim Eierbrüten abgewechselt, als sie sich umsetzten, sah er, es waren vier Stück.
Eines Morgens waren die Eier verschwunden. Die beiden Tauben standen am Fenstersims, sahen ihn aus roten Augen an, gingen zum leeren Nest. Einige Male flogen sie weg, aber kehren jedes Mal bald wieder zurück.
Ob sie wisse, was mit den Taubeneiern passiert wäre? 
Sie überlegte, ob es ein Regelbruch war, aber bei der Geschichte kam ihr auch ihr erstes privates Treffen in den Sinn. Als sie gemeinsam im Bett lagen, es fiel der erste Schnee in diesem Jahr. Sie neben sich aus dem Fenster zeigte, auf die Tauben, die sich in einer kleinen Einbuchtung des gegenüberliegenden Hauses eingenistet haben. Sie plusterten sich auf gegen die Kälte.

Er hatte die Schulter gezuckt. Die sind immer da.

Ihre Welt umfasst nur sie beide und was sie während ihrer Treffen erleben

Zum Abschied schüttelte sie aus Scherz seine Hand, als wären sie Geschäftsfreunde. Guten Abend Herr Kaufmann, sagte sie. Seine Hände waren gross, mit mäandrierenden Venen und fügten sich gut in ihrer.

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Kommentare zu diesem Text


 Quoth (03.11.21)
Hallo Atala, Halbherzigkeit ist schlimmer als Herzlosigkeit. Ein guter und beunruhigender Text über Entfremdung. Findet Quoth

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 04.11.21:
Es geht um Entfremdung? Habe ich nicht erkannt.
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