Wen juckt der Krieg, Bruder Oligarch ? (Romanauszug- Teil 4)
Roman zum Thema Alles und Nichts...
von alter79
Ja, Bubi – der direkt hinter dem Tor - ich höre ihn winseln. Klar, viel zu lange haben wir uns nicht gesehen – dann springt er wie irre an mir hoch. Jault. Schlackert den Schädel, dass der Speichel fliegt. Rollt sich auf den Rücken. Windet sich - alle Viere hoch - im schieren Vergnügen. Während ich neben ihm knie, ihn streichele, hinter den Ohren kratze. Mit ihm spreche. Er meine Hände leckt... meine Tränen. Und ich seine. Die Freude mit ihm teile - wieder da zu sein. Ein Zuhause zu haben. Eine Frau, - die ein Kind erwartet. Einen Bruder. - Das neulich gekaufte Haus. Eine Villa in Berlin- Dahlem, direkt am Grunewald. Dicht an der Havel. Auf reichlich Quadratmetern; ich weiß gar nicht wie viele. Die hoch umzäunt, mit rotierenden Basecape- Kameras ausgestattet, die den Garten überwachen. Die Mauern. Das Tor. Alle Gebäude. Zudem erwartet mich Severine. Die Freundin meines Bruders Dag; Tochter eines ehemaligen OAS- Kämpfers, - die in diversen Kampfsportarten ausgebildete ist. Eine schlanke Brünette. Die schwarzen Haare zum Zopf geflochten. Die mich links/rechts küsst - aber wenig spricht, wie Dag mir schon sagte. Die nach Paco Rabanne ’One Millon Absolutely Gold’ duftet. Bequemes aus Jil Sanders ’Fashion’ Kollektion trägt. ’Paul Green’ Slipper. Und mir sehr sympathisch erscheint. Nicht deswegen stelle ich sie mir nackt vor, - ihre Brüste, ihr Loch... Doch ich stoppe, gehe nicht weiter über die Brücke. Nicht heute. Denn ich stelle sie mir IMMER ALLE nackt vor. Dich da. Und den. Jetzt sie. Und die. Ihre Brüste. Löcher. Schwänze. Säcke. Ärsche. Weil es als professionelle Dèformation zum Geschäft gehört, wie mein Abonnement aufs Schattenreich.
„Das Mobiliar hat Doro übrigens komplett im Alleingang ausgesucht“, lacht Dag. „Und ich kann dir sagen, sie hat Geschmack, - was Severine?“
„Très chic!“ lächelt Severine, formt ein Herz mit den Fingern. Und hat eins in den grünen Augen leuchten, wie ich sehen kann.
„Sie mag Doro sehr“, sagt Dag. „Die Beiden haben sich gleich bei der ersten Begegnung gemocht. - Und Severine freut sich auf euer Kind ...“
„Hat sie keine?“
„Nicht mehr. – Doch das ist eine lange Geschichte.“
Dann ist Nacht. Nachmittags um 3. Und ich bin am schmutzigsten Ort der Welt. Bei mir. Im Knast. Wo niemand normales Leben vermutet. Dasein auf Sparflamme. Nur von Gedanken gesteuert. Sehnsüchten. Vergangenheit-en - im Zeitraffer. Tage. Monate. Jahre. Wenn man sich selbst abdreht. Energie spart. Möglichst alle Prozesse und Programme gedrosselt fährt. Den Moloch als Bodensatz. PC im Ruhezustand. Mit der Dauerberieselung: Kaufen sie! Finden sie die besten Reiseangebote! Und ich grundsätzlich Ja sage. Weil das Angebot stimmt und ich keine andere Wahl habe. Nur mich - du dich. Den ersten Satz und den letzten. Mein Wort gegen deins. Begreiflicherweise. Weil: Die Welt ist aus Dreck gemacht; und ich weiß, wer du bist. Oder hier: Regenwahrscheinlichkeit 100% = es wird ein scheiß- Tag morgen!
Bild 21
Eddy überrascht sie. Einen Fuß auf dem Badewannenrand, zieht sie den Rasierer über die eingeschäumte Scham. ’Sensitiv’ Pflegebalsam liegt auf dem rosa Toilettendeckel. Ein goldfarbener Handspiegel. - Mit einem Tuch entfernt sie den restlichen Schaum - lässt beachtliche Schamlippen sehen.
„Macht dich das an?“
„Ich dachte, du hättest mich nicht bemerkt.“
„Dich kann man nur bemerken, Eddy! Außerdem kommst du um die Zeit immer zum Abkassieren.“
„Hattest du Gruber zu Besuch?“
„Das Schwein hat meinen Kitzler mit dem Staubsaugerrohr malträtiert. Sieh dir das Teil an ... fast so lang wie dein Schwanz!“
„Halts Maul, du Fotze. Sonst stopf ich sie dir!“
„Sei mal nicht gleich so empfindlich“, meint Mona Macht über ihn zu haben. Denn niemand kennt sein Geheimnis wie sie; seine läppischen acht Zentimeter. Erigiert. Lediglich in der Rialto- Bar, als Mann unter ähnlichen - die alle eine Maske tragen, kennt man sein Glied so. Es trägt dort eine Nummer. 807. Der Rest ist anonym. Doch jetzt, bei Mona, kann und will er nicht an sich halten. Spreizt sie. Saugt an ihrem Kitzler. Presst ihre Schamlippen. Lutscht das Fruchtfleisch. Leckt ihr wie ein Derwisch die Möse bis Blut kommt und. Sie es laufen lässt. Stöhnt. „Du geile Sau“. Er krampft und spritzt. Erschlafft, als würde ein Blitz ihn fällen. Alles in vier/fünf Sekunden. „Süß!“ Sagt sie. Und schafft damit eine Wand aus Hass, gezeichnet mit ihren Namen. „Du hast Glück, ich brauche dich noch!“ wütet er „sonst ...“ und führt den Daumen die Kehle lang. „Damit du Bescheid weißt! Und nun her mit der Kohle.“ Hustet, als er ein Würgen in der Kehle spürt, - sauer aufstößt, sich Krümel von den Lippen leckt. Salzkristalle. Während sie mit schmal gezogenen Lippen wie ein Wackeldackel nickt, „Tut mir leid!“ sagt, als ihr erste Tropfen an den Wimpern hängen. In Blau. Und Rot. Schweigendes Schwarz. Dann Tränen satt in Zweierreihen, bis sie leer ist. Doch da ist Eddy schon lange weg; stinkt wie ein Iltis. Vom Magen her. Von Currywurst und Bier. Nassem Fisch. Und ihrer sauren Möse.
Bild 22
Zucker wohnt im obersten Stockwerk des Hauses. Einem anonymen Ding von grauem Putz und Graffiti an der Front. Immerhin kann er über eine Leiter direkt aufs Dach. Und hält penibel den Fluchtweg dahin frei; von wegen der Unsitte mancher Hausbewohner dort Gerümpel oder gar ihren Müll abzustellen. Zudem liegt die Wohnung tagsüber gut im Licht. Er braucht das. Trotzdem lässt er ständig alle Lampen brennen. Das Radio laufen. Das gibt ihm Sicherheit. Vor allem benötigt er Licht, viel Licht, weil seine Sehkraft schleichend aber beständig nachlässt.
„Hatten Sie einen Unfall?“ fragt der Arzt. Doch was soll er dem darauf sagen ... über seine Gefangenschaft im Bambuskäfig erzählen. Über die Hitze. Von den Ratten. Das Rabengeier nach einem picken. Das Salz in den Wunden brennt?
„Ach, das kriegen wir schon wieder hin!“ Tröstet der Arzt. Und zeigt ihm auf einem Poster Augen und Linsen. Erklärt, wie man mit moderner Operationstechnik die Linsen ins Auge setzt.
„Und das ist völlig ungefährlich!“ - Und schon nach einer Woche Krankenhaus erledigt.
„Beide Augen?“
„Wenn alles gut geht.“
Wenn es nicht gut geht sieht er sich bis zur Unterlippe im Wasser stehen, die Augen verbunden, nach Luft schnappen, eine Plastiktüte über dem Kopf – hört neben sich Charly hecheln, während die Wachen mit Maschinenpistolenschüssen das Wasser um sie herum zum Kochen bringen - was sonst nur die Piranhas schaffen - und ’Watch your head’ schreien. Lachen. Kreischen. ’Watch your head --- Motherfucker’. Um danach auf sie zu urinieren. Mehrmals täglich. – Bis heute!
„Ich lasse es mir durch den Kopf gehen...“
„Warten Sie aber nicht zu lange. Wenn erst der Sehnerv beschädigt ist, stehen die Chancen schlecht!“
„Versprochen, Herr Doktor. Ich melde mich demnächst.“
Praktisch auch die Kneipe. 50 Meter weiter die Straße runter. Die von Claire, Charlys Frau, bewirtschaftet wird. Wo Zucker Geld investiert hat, sein Feierabendbier trinkt und ihm im Gegenzug Charlys Frau den täglichen Wein und die Obstbrände je nach Saison und Bedürfen Kistenweise mitbestellt; die der Grossist dann bis in seine Wohnung liefert. Zucker hat dazu Claire einen Wohnungsschlüssel gegeben. - Sonst läuft zwischen ihnen nichts. Außer die wiederkehrenden Gespräche über Suizid. Über den von Charly vor Jahren, ihren Mann. Und den seiner Frau Marla vor Monaten; seinen Schuldgefühlen. Jeden Morgen aufs Neue ist er deswegen Masochist. Hat extra ihr Foto vergrößern lassen und rahmen. Es gegenüber vom Bett an die Wand gehängt. Und von da her ermahnt sie ihn die leeren Flaschen täglich... „Du vermüllst ja sonst komplett, Dag!“
„Ist ja schon gut...“ Den Rest träumt er. Dazu braucht er ihr Foto nicht. Sondern einen Vollrausch. Die einkalkulierten Kopfschmerzen am nächsten Morgen.
Warum gerade Doro, denkt Eddy. Warum überhaupt Frau und Kind. Haus und Garten. Bürgerlich werden; was hat der Knast aus Chess gemacht? Am besten wäre, ich würde ihm alles kaputt machen. Obwohl, kaputt machen muss ich ihn als Person sowieso, - wenn ich Boss werden will. Chess! Also werde ich mit Doro beginnen; oder doch lieber warten bis das Kind da ist?
Über diese Doro, denkt er, weiß ich fast nichts, außer dass Stormi ihr Onkel ist. Und der das schwarze Schaf der Familie. Crackabhängig. Und bereit, für ein paar Euro seine Großmutter zu verkaufen; - irgendwo muss doch dessen Telefonnummer zu finden sein?
„Stormi? Komm sofort her, du Kretin! Ich erwarte dich in 10 Minuten in Blue Note! – Was? ---- Wie du das schaffen sollst? – Du setzt dich sofort - und ich sage SOFORT - in ein beschissenes Taxi und kommst her. Und wenn ich dich in 10 Minuten hier nicht auf der Matte habe, dann komme ich dich suchen. - Hast du das verstanden? - Und wenn ich dich finde --- dann weißt du was passieren wird!? Oder? --- Also mach hinne. Idiot!“
Stormi ist noch blöder als ich dachte, denkt Eddy - und stinkt dazu noch wie Sau. Auch muss ich dem in Tatsache erst was für die Nase spendieren ...
„Ey! - Geh aufs Klo, Mann und wasch dir wenigstens die Fresse, du Penner. Man kann dich ja nicht ansehen ohne Pickel zu kriegen ...“
„Juden!“ sagt Stormi.
„Was Juden?“
„Ihre Eltern!“
„Mann --- Nun mach schon. Soll ich dir den Scheiß wieder aus der Nase ziehen?“
„Ne. Lass drin, es wirkt gleich ...“
„Also noch mal: Doros Eltern sind Juden. Und? Mach endlich eine ordentliche Ansage!“
„Und reich...“
„Ey - komm, wir gehen mal n paar Schritte, damit du Luft in die Birne kriegst. Hier drin wird das wohl nichts.“
„Du willst mich doch nicht etwa schlagen ...?“
„Ich? Warum sollte ich?“
Zwei Stunden später knipst Eddy dem Mond das Licht aus, wirft Minuten später eine Dublette seiner Beretta Nähe Rosa- Luxemburg Steg in den Schlamm des Landwehrkanal, pinkelt drauf. Und in der Presse steht nächsten Tag in Schlagzeile was von einem irren Selbstmörder, der nachts im Zoo ins Löwengehege gesprungen sei; oder war es bei den Eisbären? - Doch Eddy grinst nur. Sagt nichts: wem auch? Lacht. Dabei hat er nichts zu verbergen, wie sonst. Es ist alles öffentlich -, steht fett in der Presse. Erste Seite. Nur der Namen des Selbstmörders nicht. Unbekannt. Keine Papiere. Keinen Abschiedsbrief. Nichts! Immerhin wollen Kriminaltechniker den Schädel des Toten für ein Foto rekonstruieren; aber das kann dauern.