Graffiti

Gedicht

von  JohannPeter


Ist da die Wand nicht ganz platt 
vor lauter Fläche?

Uwe Greßmann

 

 

Nachtmail aus Sprühdosen:

noch bin ich da und ich lebe

und schreibe mein Zeichen 

auf toten Beton 

auf S-Bahn-Wagen, Zäune 

Brücken, die zu niemandem führen

Farben grell, Runen verschlungen

Rätsel aus Bildern, Kunst 

fürs Vorübergehn, Zeichen 

aus anderer Welt 
in diese Welt hineinverlorener Kinder 

wo höhere Order befindet

daß mein Signum das Sinnen

und Trachten der Harmlosfröhlichen

zu stören geeignet und also

bestellt man den Mann 

einsam wie ich

für Geld und mit starkem Gerät

den Schrei meiner Einsamkeit

zu radieren und doch tut er nichts 

als mir Malgrund zu kärchern und morgen

ehe sein Wecker schrillt 

sieht die Sonne 

mein Zeichen 
erneut.




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Kommentare zu diesem Text


 AchterZwerg (07.05.23, 17:07)
Hallo JohannPeter,
aus meiner  Sicht handelt es sich hier um ein sehr gelungenes Bild:
Das Graffiti eines ganzen Lebens wird mit einem Hochdruckreiniger entfernt. Hinaus aus der Welt der "hineinverlorenen Kinder."
Doch es nutzt wenig, weil schon morgen vergleichbare Spuren gelegt werden.

Schön, dass du zu uns gefunden hast! :)

Kommentar geändert am 07.05.2023 um 17:08 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 07.05.23 um 17:12:
Ja, das freut auch mich (daß Du zu uns gefunden hast).

 JohannPeter antwortete darauf am 07.05.23 um 18:12:
Danke euch für euern guten Zuspruch. 
Zum Text: die "hineinverlorenen Kinder": das ist - per Mottozitat - auch eben Uwe Greßmann, den ich sehr schätze, der einer der besten DDR-Lyriker war, leider - nach mehr als schwieriger Kindheit und Jugend - sehr früh verstarb. Ich habe in meine Bücherliste seine wichtigsten Arbeiten aufgenommen - kucktihrdort...

 Graeculus schrieb daraufhin am 07.05.23 um 18:17:
Danke für den Hinweis auf Uwe Greßmann, den ich nicht kannte.

 Graeculus äußerte darauf am 07.05.23 um 18:19:
Den DDR-Lyriker Richard Leising und sein ebenfalls schmales Werk kennst Du?

 JohannPeter ergänzte dazu am 07.05.23 um 22:33:
Ja, kenne ich. Leising gehörte zur Leipziger Dichterschule und galt als einer der wortstärksten Lyriker der DDR. Mein Favorit war und ist allerdings Karl Mickel, neben Uwe Greßmann.

 Graeculus meinte dazu am 07.05.23 um 23:09:
Meine systematischen Kenntnisse über DDR-Lyrik sind leider gering. Richard Leising mag ich sehr, aber das ist ja nur einer. Nach Uwe Greßmann habe ich mal bei Booklooker nachgeschaut und gefunden, daß sein zu Lebzeiten veröffentlichter Band 100 Euro kostet. Das ist viel für einen schmalen Band. Offenbar selten oder wertvoll oder beides.

 Graeculus meinte dazu am 07.05.23 um 23:11:
Im Alter habe ich mich auf die Antike konzentriert und bin bemüht, das erwähnte Griechischforum am Leben zu erhalten.

 AlmaMarieSchneider (07.05.23, 22:40)
Sehr dicht, viele Bilder erzeugt dieser Text und doch nur Eines.

Herzliche Grüße in die Nacht

Alma Marie

 JohannPeter meinte dazu am 07.05.23 um 23:42:
Gute Nacht euch allen, und Dank für eure interessanten Gedanken. 
DDR-Lyrik ist ein schönes, spannendes, aber in allen Teilen auch schwieriges Feld. Es lassen sich aber - versprochen - da beachtliche Entdeckungen machen, Greßmann wäre eine solche. Ich bin stolz und froh, fast alle seine Ausgaben zu besitzen. Die 100 € für "Vogel Frühling" sind fast moderat, es wurden bei ZVAB auch schon mal 180 € aufgerufen. 
Wer ihn kennt und wirklich zu schätzen weiß, wird die 100 gern aufbringen. Und wer seine poetische Dimension begreift, kommt von ihm nicht wieder los.
Herzliche Grüße - JohannPeter.
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