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Text

von  Elisabeth

Als ich am Abend nach Hause kam, hingen die beiden natürlich vor dem Fernseher, jeder mit einem Stück Kuchen in der Hand. "Oma war hier", verkündete Ole und biß zufrieden in das krümelige Sandkuchenstück. "Und sie hat gesagt, wir sollen morgen nachmittag zu ihr kommen, damit wir mal etwas Gemüse zu essen bekommen."

Natürlich, meine Schwiegermutter, die dachte, ich mache den Kindern nur Pommes und Dosenfutter. "Na, dann geht hin. Ich schreib' euch eine Entschuldigung für die Betreuung. Ihr findet es doch immer toll bei ihr, oder?"

"Aber dann müßten wir doch die Betreuung sausen lassen, gerade jetzt wo wir so einen coolen Lehrer da..."

"Der ist kein Lehrer, der ist ein..." Niels suchte nach dem richtigen Wort, "ein Praktikant, oder so was."

"Ein Referendar meinst du", korrigierte ich meinen Sohn.

"Nein, er studiert ja noch gar nicht. Und ich will auch lieber in die Betreuung."

Oha, meine Kinder hatten Spaß an der Betreuung, das mußte gefördert werden. "Also kein Besuch bei Oma, in Ordnung."

"Wir können ja am Sonntag hinfahren, oder?" fragte Ole hoffnungsvoll, da er insbesondere Omas Sonntagskuchen liebte.

Natürlich gab es diesen Abend dann doch nur Nudeln mit Fertigsauce, weil ich während der Mittagspause keine Zeit zum Einkaufen gehabt hatte. Aber die Jungs waren zufrieden. Als ich Ole ins Bett brachte, erzählte er davon, wie toll der neue 'Lehrer' sei, daß er noch ganz jung wäre, grade achtzehn oder so, und ganz toll rechnen könne.

"Und wie heißt er?" fragte ich beiläufig.

"Achmet, aber das schreibt man A-Ha-Em-E-Te", erklärte Ole. "Und seine Eltern kommen aus der Türkei. Und da sind es im Sommer vierzig Grad im Schatten."

Da tat die Betreuung also mal was zur Integration der ausländischen Jugendlichen, das fand ich gut. Nicht, daß in unserem Viertel viele Ausländer wohnten, aber in anderen Gegenden der Stadt gab es eine Menge und leider auch einige Banden von Jugendlichen, die nachts herumzogen und mutwillig Sachschäden verursachten, wenn sie nicht gleich Jungs aus anderen Banden halbtot schlugen – und alles nur, weil sie arbeitslos waren, perspektivlos wegen ihres Migrationshintergrundes. "Und spricht er denn gut deutsch?" fragte ich nach.

"Na klar, der ist doch auch Deutscher. Und er ist Lehrer... ach ne, der will Lehrer werden und deswegen ist er jetzt bei uns in der Betreuung."

"Er macht also ein Praktikum bei euch in der Betreuung", schloß ich daraus.

Ole nickte müde. "Ja, genau. Und er hat mit uns Fußball gespielt, das war richtig gut."

Aha, mit Fußball war man bei meinen Söhnen immer ein Held. "Schlaf gut, mein Schatz", sagte ich und küsste meinen Kleinen auf die Stirn.

"Nacht", antwortete der Kleine und rollte sich zusammen.

Als ich wieder auf dem Flur war, stand Niels in seiner Zimmertür. "Kommst du noch zu mir, Papa?" fragte er.

So groß, daß er ohne einen Gutenachtkuss ins Bett ging, war er dann also doch noch nicht. Ich verkniff mir mühsam mein Grinsen. "Klar bring ich dich auch ins Bett. Soll ich dir auch was vorlesen?"

Niels schüttelte den Kopf. "Nö, nur ein bißchen quatschen, okay?"

"Okay."

Niels kuschelte sich unter seine Decke. "Das war wirklich cool mit dem Praktikanten", sagte er dann nach einer Weile des Schweigens. "Sonst sitzen die Betreuer nur vorne und wenn man bei seinen Hausaufgaben ein Problem hat, muß man hingehen und fragen. Aber er ist gleich zu mir an den Tisch gekommen, als ich mit dem Mathekram nicht klarkam. Er sagte, er hätte das daran gesehen, daß ich so unschlüssig mit meinem Stift hantiert hätte, daß es nicht voran geht. Und dann hat er mir erklärt, wie man es anders rechnen kann, und nachher hat er mit den Jungs, die wollten, auch noch Fußball gespielt... das war richtig toll. Ich glaub, der wird mal ein richtig guter Lehrer. Hoffentlich kommt er dann zu uns auf die Schule."

"Was will er denn mal unterrichten?" wollte ich wissen.

"Na, Sport und Mathe. Und was der mit einem Ball machen kann, das ist schon richtig profimäßig", schwärmte Niels mir vor, mit einem Leuchten in den Augen, das ich dort schon lange nicht mehr gesehen hatte, fast als wäre er verliebt. Und ich mußte grinsen über diesen Gedanken. Nach den alten Zicken, die gewöhnlich die Betreuung machten, mußte das wirklich ein wundersamer Wandel sein. Hoffentlich war Niels nicht zu enttäuscht, wenn der Praktikant wieder ging. "Du weißt schon, daß euer Praktikant wohl nur ein paar Wochen dableibt, nicht wahr?" fragte ich vorsichtig.

Niels schüttelte den Kopf. "Nein, er macht das ganze Schuljahr mit, weil Frau Töpfer nicht mehr kann, also, die ist zu alt, und da hat er praktisch ihre Stelle bekommen. Aber er macht's wohl für weniger Geld, denke ich. Er hat so was gesagt, daß es ihm so einen Spaß macht mit uns Jungs, daß er auch ganz auf Bezahlung verzichten würde." Niels grinste über das ganze Gesicht. "Die Töpfer hat immer nur gejammert, wie wir auf ihren Nerven herumtrampeln."

"Na, dann wird es dieses Jahr also keinen Streß wegen der Betreuung geben, was?" fragte ich hoffnungsvoll.

"Nö, kein Streß", versicherte Niels. "Gute Nacht, Papa."

"Gute Nacht, Großer. Lies nicht mehr so lange." Und den Gutenachtkuß wollte er dann auch noch haben.

*



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