Kelly

Text

von  Mondscheinsonate

Nein, ich war nie ein Kelly Family- Fan, da war ich 17, 18, auch 19, mich prägte Nirvana, Blur, Body Count, Placebo, auch die 70', aber nicht eine Altkleidersammlung, die im Chor sang, so sah ich das. 

Am Donauinselfest 1995 arbeite ich für eine Tageszeitung (dieselbe, bei der Papa arbeitete) bei der Bühne, wo die Kellys am Abend auftreten sollten und teilte Zeitungen aus, schenkte Kappen und sonstigen Tageszeitungsklimbim her, also ein Marketingjob. Unser Team scherzte noch, ob die Kellys den Vortag des Festes toppen könnten, ich verneinte, denn es spielte Joe Cocker, Sheryl Crow und Stefanie Werger, wo tausende, unzählige (unentgeltlich) die Künstler sahen und ich gestehe, bei Joe Cocker kam ich schon ins Schwitzen.

Wir begannen um 10 Uhr Früh und hatten einen Wohnwagen neben der Bühne, wo wir unsere Sachen hatten. Bekamen einen Backstage Pass, damit wir hinter die Absperrungen durften, dort waren Toiletten und Catering. Schon um 10 Uhr Früh "campierten" schon eingefleischte Fans, zwischen 12 und 14 vor der Bühne, die Kellys sollten erst in der Nacht auftreten. Meine KollegInnen und ich versorgten die Kleinen mit Wasser, so sehr wir diesen Hype belächelten, so leid taten uns die Kleinen. 

Am Nachmittag bekam ich Hunger und ging hinter die Bühne, dort war ein Imbissstand, der die Bühnenmitarbeiter mit Würstchen und Fleisch vom Grill versorgte. Ich bestellte etwas und setzte mich neben einen jungen Mann mit langen Haaren, beachtete ihn nicht sehr, aß und las die Zeitung, die ich verteilte. Er fragte mich in gebrochenem Deutsch, ob etwas Interessantes drin stünde? Ich lachte, sagte:"Das Übliche." Wir kamen ins Plaudern, der war nett, dachte, das wäre ein Bühnenmitarbeiter und dann verabschiedete ich mich und ging wieder vor die Bühne. Es wurde langsam Abend und der Platz begann sich zu füllen. Die ersten Soundchecks begannen, es füllte sich immer mehr und mehr, noch lächelte ich, meinte, da werden die Zahnspangen fliegen, das Publikum war äußerst jung. Zuerst spielte Joni Madden, eine österreichische Formation, der Platz füllte sich mehr und mehr und noch mehr, danach war eine längere Pause, wir hörten, auch aus Sicherheitsgründen, zu verteilen auf. Ein Crew-Mitglied der Kellys (sehr nett!) winkte uns zu sich und öffnete die Absperrung. Eigentlich hätte ich gehen können, die Arbeit war aus, aber es war fast gar nicht mehr möglich, dass ich mich durchdrängte. Ein anderer Bühnenmitarbeiter aus Wien, der das Festival betreute, mit dem ich mich am Nachmittag sehr nett unterhielt, fragte mich, ob ich Höhenangst hätte, ich sagte, dass ich es hätte, aber wieso fragte ich, da meinte er: "Überwinde es kurz, ich zeig dir etwas." 

Er hob mich in einen Korb, kletterte auch hinein, wie bei einem Feuerwehrauto und ein anderer Herr betätigte einen Hebel, wir waren dann in der Luft und ich sah über ein Menschenmeer. Berichten zufolge waren es 250.000 Menschen. Alle sangen, pfiffen, schrien, sangen, hielten Transparente in die Höhe, ein Spektakel der Sonderklasse. Schon vor dem Konzert trugen Sanitäter kleine Mädchen aus der Menge. 

Wieder am Boden war ich sprachlos. Ich stand hinter der Absperrung und neben dem Bühnenaufgang, als die Kellys an mir vorbei gangen. Da entdeckte ich den jungen Mann, der mit mir am Nachmittag nett plauderte, ich habe mich nie mit dieser Gruppenzusammensetzung beschäftigt (auch danach nicht), aber er lächelte mich an, ich sagte:"Toi, Toi, Toi!" 

Und dann begann die pure Hysterie, ich kann erzählen, es war, als ob die Stones gespielt hätten, dies in den guten alten Zeiten, es flogen Teddybären, BHs, Unterhosen, Rosen, ... auf die Bühne und obwohl ich die Musik schrecklich fand und finde, blieb ich stehen und sah mir das an. 

Man muss sich vorstellen, am nächsten Tag sang Zuccero, es war nicht einmal annähernd so ein Spektakel. Unfassbar. 

Schon 1993 war ich bei dem legendären Falco-Konzert vor 180.000 Menschen, das abgebrochen werden musste, wegen des Sturms, aber das war wirklich unfassbar. 



Anmerkung von Mondscheinsonate:

Anmerkung: Udo Jürgens schaffte es Jahre zuvor auf 220.000.
Fettnäpfchen: Ich sagte zu dem jungen Mann, dass "ja am Abend die schrecklichen Fetzen auftreten werden." Er lachte übrigens. Sehr symphatisch! Im Video seht ihr, was ich gesehen habe.

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Kommentare zu diesem Text


 Gabyi (26.05.24, 20:44)
Altkleidersammlung, die im Chor sang, das ist richtig gut. Ich kannte die Kelly Family damals gar nicht, wurde nur von einem Vater meines Sohnes darauf gebracht. Er arbeitete beim Sender RIAS in Berlin und schwärmte in den höchsten Tönen. Mir waren die zu bieder, nur "Angel" fand ich gut damals.
LG
Gabyi

 Mondscheinsonate meinte dazu am 26.05.24 um 21:04:
Mich faszinierte das Phänomen. Ehrlich wahr. Aber erst seit dem Konzert.

 AchterZwerg (27.05.24, 07:17)
Hallo Cori,

aus meiner Sicht treten die Beifallsstürme nicht nur wegen der Kelly-Beiträge auf, ein hoher Prozentsatz ist der Schimäre einer funktionierenden Großfamilie geschuldet.
Welcher der "lieben Kleinen" wünscht sich einen solchen Zusammenhalt nicht auch? - Selbst ein älteres Kind (wie ich) kann darüber nur staunen ...
In echt sieht diese Harmonie vermutlich etwas anders aus.
Wer möchte das aber wissen?

Ich jedenfalls nich 8-)

 Mondscheinsonate antwortete darauf am 27.05.24 um 07:20:
Ich denke, da ist keine Harmonie mehr, überhaupt seit dem Geldverlust...

 Teo schrieb daraufhin am 27.05.24 um 07:43:
Nun ja, die Kellys sind oder waren letztendlich ein Wirtschaftsunternehmen. Da geht es um Knete. Und die kleinen Fans haben Spaß an diesen zotteligen und zart lumpigen Helden.
Da sind aber auch ganz süße bei!
Ich habe aber letzte Woche den Bravo Starschnitt in meinem Herrenzimmer von der Wand genommen. Ne...komm...irgendwann is auch gut...

 Mondscheinsonate äußerte darauf am 27.05.24 um 07:45:
Jetzt haben die Kinder selbst wieder Kinder. Es geht un die 99ste Runde, Teo.

 Teo ergänzte dazu am 27.05.24 um 07:51:
Ja, es ist ein Phänomen. Die Kinder der Kellys spielen ja schon im Mutterleib Gitarre.

 Mondscheinsonate meinte dazu am 27.05.24 um 08:10:
Wahrlich faszinierend.
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