Trümmerdiebe

Text

von  Mondscheinsonate

Gerade erzählte ich Papa, dass ich am Donnerstag zu einem Vortrag über Trümmerfrauen in Österreich gehen werde. Die gab es in Österreich nicht in dem Maße wie in Deutschland. Da sagte er:"Du weißt doch, wenn man am Passauerplatz die Stiegen hinab geht, ist doch auf der rechten Seite so ein weißes Haus?" Ich sagte, das kenne ich, ja. Er erzählte weiter: "Das war nach dem Krieg komplett zerstört und die Trümmer lagen lange zu Haufen gestapelt herum. Da gab es eine Familie, die war immer dreckig, schwarz vor Ruß, die sind täglich dorthin und haben die Ziegel gestohlen, da war noch der Stempel von der K. und K.- Monarchie drauf. Jeden Tag kamen sie und holten mit einer Scheibtruhe die Ziegel und verkauften diese an die Leute. Nach ein paar Wochen war der Platz leer und die Stadt baute ein neues Haus. Interessanterweise, das musst du dir vorstellen, war das 1955 herum, lagen die Ziegel 10 Jahre herum und erst als alles weggestohlen wurde und mit Ende der Besatzungszeit, fingen erst richtig die Bauarbeiten an. Und diese Familie hat sich so über Wasser gehalten, jeder wusste es, keiner schritt ein, als ob alle froh gewesen sind, diesen elenden Trümmerhaufen nicht mehr sehen zu müssen."

Auch erzählte er mir, der Fleiß hielt sich auch Am Hohen Markt in Grenzen, da spielte er noch mit einer, in Österreich bekannten Jazz-Sängerin und einem späteren Moderator in den Trümmern Verstecken, bis die Watschen flogen, weil das gefährlich war. Die Bautätigkeit war eher ein träger Vorgang, der eben erst nach der Besatzungszeit in Gang geriet, aber dafür dann rasch von sich ging. 

Im Übrigen, das sagte er und lachte, haben die Ziegeldiebe später einen Baustoffhandel eröffnet. 

Ich sagte:"Auch nicht schlecht."



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Kommentare zu diesem Text


 Teichhüpfer (01.06.24, 11:48)
Aus dem Schaden, etwas zu Zaubern, nenne ich mal Trümmerdiebe.

lg Teichi
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