Und einer in gelb

Alltagsgedicht

von  Redux

mitten in diesem nachmittag stand ich da

mit meinem blauen wagen in einer langen reihe

von vielen anderen wagen

und ich verfügte über ungefähr

zweiunddreißig minuten wartezeit

zuvor waren in meinem schädel

verse entstanden

kleine lila knospen

die hungrig auf ein gedicht waren

nicht unerheblich in ihrem wilden tohuwabohu

es schien als müsse man nur noch schreiben

kanalisieren und bändigen

aber dann stand ich da in dieser reihe von wagen

und gegenüber ebenfalls eine beschissene reihe von wagen

und es war nichts mehr da

als dieser nachmittagsparkplatz

in seiner unumstößlichen verlässlichen quadratischen gepflasterten form

und ich zählte die wagen

acht schwarze

sechs rote

vier blaue

zwei graue

und einer in gelb

zwei mit ausländischem kennzeichen (nl)

es blieb nichts mehr

als diese dämlichen wagen zu zählen

während der nachmittag mich ohrfeigte

mit einem leeren blatt papier



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Kommentare zu diesem Text


 AchterZwerg (21.10.24, 07:29)
während der nachmittag mich ohrfeigte

mit einem leeren blatt papier
Fantasievoller kann man die Tristesse einer solchen Situation kaum zusammenfassen!

Super!

 hehnerdreck meinte dazu am 21.10.24 um 18:00:
Aber Hallo!

 eiskimo (21.10.24, 10:30)
Du solltest am verkaufsoffenen Sonntag nicht mit dem Auto in ein Innenstadt-Parkhaus wollen....
fröhliche Radfahrergrüße
Eiskimo

 Graeculus antwortete darauf am 21.10.24 um 15:03:
In einem Auto kann man tatsächlich schlecht Einfälle notieren. Auf einem Fahrrad allerdings auch nicht. Ein Hoch auf den öffentlichen Nahverkehr? Wenn er denn fährt.

Sprachmächtig beschrieben!

 Didi.Costaire (21.10.24, 13:36)
Es kommt halt immer darauf an,  in welchem Dunstkreis man verkehrt...

Schöne Grüße, 
Dirk

 Mondscheinsonate (21.10.24, 13:37)
Großartig.

 Pfeiffer (21.10.24, 18:24)
Mir ging's neulich ganz ähnlich in der S-Bahn: Wunderbare Verse, sogar Kreuzreime, waren mir plötzlich eingefallen, zu einem Thema, das ich längst mal verdichten wollte. Nie war mir was Gescheites eingefallen, aber nun waren sie da, die passenden Reime! Dazu eine umwerfende Pointe...!
Kein Stift zur Hand, kein Papier, und als ich dann endlich, endlich zu Hause war, waren sie weg, die schönen Verse... 

Wie du dein Trauma beschrieben hast, lieber Redux - das ist schon fast wie ein schönes Gedicht!

Gruß von Fritz

 ginTon (21.10.24, 22:52)
*lach hat was von dem Film "Falling Down - Ein ganz normaler Tag" falls du den kennst, aber dem leeren Blatt nach zu urteilen, biste ja im Auto sitzen geblieben ;) ...

 BeBa (21.10.24, 22:55)
Das ist nun wirklich hart! Auch für uns Leser, denn wir werden nie erfahren, was du für dieses leere Blatt Papier im Kopf hattest.
Aber immerhin, und das zum Trost auch für uns, ist dir ja dann dieser Text oben eingefallen.  :D

Klasse! Und gut nachvollziehbar ...  ;)
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