Dröhnen

Text

von  Mondscheinsonate

Kranksein, ja, früher las ich als Kind viel und wenn ich krank war und wenn ich zu krank sein musste, spielte mir meine Schwester eine, ihrer "Gruselplatten" vor. Das waren tatsächlich Gruselgeschichten als Hörspiele. Ich erinnere mich noch "Draculas Insel, Kerker des Grauens" - ich lache. Das war ganz schrecklich, aber vor lauter Angst fieberte ich dann noch mehr, so bekam sie ein Verbot von den Eltern. Einmal erzählte sie mir von der Exkursion nach Mauthausen, meine Schwester hat die Gabe, alles detailgetreu zu erzählen, ich fieberte danach auf 40 Grad hoch, dabei wusste ich damals noch nichts von Nazis und der Zeit, ich war acht oder neun Jahre alt. Mich berühren Dinge oft so sehr, dass dies krank macht. 

So las ich viel, wenn ich krank war, aber jetzt liegt "Meister und Margarita" unangetastet neben mir, auch die 359. Biografie über Simone de Beauvoir, ich denke, ich las alles, was es gab auf Deutsch  es liegt und ruft, aber ich starre lieber den ganzen Tag an die Decke, war schon versucht, mir auf Audible "Gruselromane" anzuhören, ließ es aber bleiben, Sentimentalität hat auch ihre Geschmacksgrenzen. 

Auch die Uni-Bücher mahnen zur Auseinandersetzung mit ihnen, ich rebelliere, stattdessrn beiße ich mir die Lippe auf. 

Ich vermisse meine Schwester in meinem Zimmer, früher hasste ich es, mit ihr dies teilen zu müssen, jetzt fehlt sie mir. 

Oder später, ich vermisse es jetzt, auf der hässlichen Couch zu liegen, dies mit dampfenden Tee vor mir und das Tätscheln meines Kopfes, ein "Wird schon wieder, Kleines!" 

Auch der Pudding von Frau Oberbauer, selbstgemacht. Das Krautfleisch von Frau Frühwirth, die Schokolade von den Irlbecks, die Hühnersuppe von Frau Anders, die sie durch Hedi schickte, weil sie gehbehindert war. Den Wangenkneifer von Herrn Rick. Jetzt gerade. Kranksein bedeutet ein Rückfall in die Kindheit. 

Trotz viel Liebe der Nachbarn weinte ich nach meiner Mama. Die legte kurz die Hand auf meine Wange, streichelte sie, und sie roch nach "Mama", der Duft ihres Parfüms strömte in mein Sein, sie sagte: "Ich geh nur kurz weg." 

Dann kam sie erst drei Tage später, stockbesoffen. 

Niemand kann die Mama ersetzen. Es ist wie es ist. Das denke ich, drehe mich um und gehe wieder schlafen. Ohne Mama, so wie früher.



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Kommentare zu diesem Text


 LotharAtzert (06.11.24, 16:21)
Auch der Pudding von Frau Oberbauer, selbstgemacht. Das Krautfleisch von Frau Frühwirth, die Schokolade von den Irlbecks, die Hühnersuppe von Frau Anders, die sie durch Hedi schickte, weil sie gehbehindert war. Den Wangenkneifer von Herrn Rick.
Siehst Du, das meine ich mit Fügung - all das, selbst daß Deine Mutter solange wegblieb - da hast Du was Spannendes zu erzählen.

Was haben die denn heute zu erzählen? - von Tailor Swift, vom Ballermann, pfui deiwel.

 Mondscheinsonate meinte dazu am 06.11.24 um 16:26:
Hmmm... für die Jungen ist das aber DAS, was bei uns etwas anderes war. Wollen wir milde sein. Ich pack das auch oft nicht.
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