Pubertät

Text

von  Mondscheinsonate

Ja, ich bin jetzt in der zweiten Pubertät, aber diesmal wird nicht mein Gehirn komplett umgebaut, nur modifiziert, sondern mein Körper samt Hormonen. Und, ich kann klar denken, jedoch hat sich mein Denken verändert. Ich formuliere klar und deutlich was ich möchte und was ich nicht mehr möchte. Wünsche und Träume verändern sich, vorallem der Wunsch nach Ruhe und Zufriedenheit geht vor die Schnelligkeit und Überarbeitung. Ich habe nicht mehr die Energie einer 25-jährigen Frau, das ist einfach so. 

Ich bin ein wenig aufbrausender geworden, wenn mich jemand nervt, formuliere aber klar und deutlich, was Sache ist. Das kann grob werden, ist mir klar, manchmal tut es mir leid, bei manchen gar nichts. 

Letztens erst, der unsägliche Heurigenwirt, griff mir auf die Schulter als ich saß und ließ die Hand dort ruhen. Ich drehte mich um und sagte: "Geben Sie sofort die Hand da weg, sonst werde ich ungemütlich."

Mein Vater, 77, meinte: "Das ist doch harmlos!" Da sagte ich: "Deine Generation findet es immer harmlos, Frauen anzugreifen oder verbal zu bedrängen, nicht wahr?" Ja, das ist ein unsägliches 70+ - Verhalten, das in unserer Gesellschaft - eines von den guten Dingen - nichts mehr verloren hat. Niemand hat das Recht, fremde Frauen anzugreifen oder sie verbal zu bedrängen, wenn sie das nicht wollen. Basta.

Noch vor ein paar Jahren ließ ich mir so etwas noch gefallen, jetzt nicht mehr.

Auch ist es nicht mein Problem, wenn einer über das Ziel hinausschießt und ich dann meine: "Pfui, Teufel, genug!" Irgendwo muss es auch noch Anstand geben und wenn Männer nicht checken, auch Frauen, aber die weniger, dass sie ihre Hose anlassen müssen, dann brauchen sie sich nicht kastriert fühlen, wenn der Ton schärfer wird. 

Aber, alles andere ist doch auch schön, anders als in der ersten Pubertät, wo eher erkundet werden möchte, möchte ich ankommen, intensiv lieben, vorallem es sagen, es wurde bewusst, dass das Leben kurz ist, nichts ungesagt bleiben lassen, das gesagt werden muss, Sexualität intensiver spüren, Wünsche formulieren. Sich öfters zurücklehnen und sich einfach mal eine Auszeit gönnen, aber auch auf Parties tanzen, sich nicht mehr denken: "Du bist zu alt dazu!" Nicht so tun, als ob ich so gescheit wäre, das interessiert niemanden, einfach lachen und nicht darüber nachdenken, ob das jetzt zu laut war. 

Irgendwie schön. 

Aber, gerade heute ist eine Bekannte mit 59 an Nierenkrebs gestorben, die erzählte mir damals, sie wolle in der Rente richtig leben. Nein, jetzt wird gelebt, bewusst gelebt. 


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Kommentare zu diesem Text


 Isensee (13.11.24, 23:56)
Ach, wie wunderbar, dass du dich in deiner zweiten Pubertät so beherzt und klar zu Wort meldest. Klarheit, Selbstbewusstsein, eine Portion Wut – ein wahres Meisterwerk aus all dem, was man von der „erwachsenen“ Version einer 25-Jährigen erwarten kann. Man spürt regelrecht das Bedürfnis, den Raum zu erobern und das eigene Revier lautstark zu verteidigen. Und da steht sie dann, die Heldin unserer Geschichte, die sich mit einer lässigen Schulterzucke von der schieren Übergriffigkeit der Welt befreit. Aber, und jetzt kommt der Clou, mit einer Überlegenheit, die fast schon ein bisschen zu gut in ihre eigene Entstehungsgeschichte passt.

Nehmen wir den Heurigenwirt als Beispiel: Wie ein tapferer Ritter schlägst du ihm die Hand weg und verkündest lautstark, dass du für solche „Unannehmlichkeiten“ nichts übrig hast. Das ist natürlich die Essenz von Empowerment – aber, und ich muss es leider sagen, es wirkt fast so, als würdest du das Gefühl von „Verletzlichkeit“ absichtlich annehmen, nur um dann umso lauter zu verkünden, dass du dieses Gefühl nun endgültig abgelegt hast. Hier schimmert eine Art von Selbstgefälligkeit durch, als ob du das Spiel der Übergriffigkeit umgedreht hättest, nur um dir selbst zu beweisen, dass du die Kontrolle hast. Man fragt sich: Willst du wirklich die Zügel fest in der Hand halten, oder lässt du dich gerne in die Rolle der Unangreifbaren drängen, die in jedem Moment den Finger erheben muss?

Und dann diese Antwort an deinen Vater, der das Ganze mit einem beiläufigen „harmlos“ kommentiert. Die Kluft zwischen den Generationen – das ist ein klarer und unmissverständlicher Schlag gegen die Altherrenwelt. Da bin ich voll bei dir, keine Frage. Doch witzigerweise bleibt deine eigene Reflexion dabei oft nur ein Schatten des eigenen Glaubens an die Überlegenheit. Solltest du nicht auch ein bisschen mehr Geduld mit denen haben, die diese Haltung einfach nicht verstehen (wollen)? Du hast den Mut, dich gegen die Normen zu stellen, das muss man dir lassen – aber bitte, versuche es nicht zu oft als Selbstbeweis zu verkaufen, als wäre dein Kampf der einzige gültige.

Doch dann, als du die letzte Wendung in deiner Erzählung nimmst, merkt man, dass du tatsächlich mehr auf dem Kasten hast, als es den Anschein erweckt. Die Reflexion über das Leben, die flüchtige Schönheit des Moments und die tragische Geschichte deiner Bekannten geben dem Ganzen eine bittersüße Tiefe. Das ist der Moment, in dem die Pubertät plötzlich zum stillen Reifeprozess wird. Doch selbst dieser Moment wird von einer fast zu selbstgerechten Rebellion überschattet. Vielleicht ist es ja doch nicht so schlecht, etwas weniger zu kämpfen und etwas mehr zu fühlen.

Also, um es in aller Ehrlichkeit zu sagen: Dein Text hat viel Energie, viel Mut und einige unglaublich starke Momente – aber ein wenig weniger „Ich bin jetzt mal die Härteste“, ein bisschen mehr von diesem Zartgefühl, das du da zum Schluss andeutest, und ich wäre wirklich bereit, dir in dieser zweiten Pubertät ein paar extra Küsse auf die Stirn zu geben. Aber hey, vielleicht ist das auch nur das Flirten mit der nächsten Phase deiner Entfaltung. Wer weiß?

 Mondscheinsonate meinte dazu am 14.11.24 um 00:35:
Haha, die Wut ist noch stark. Darf ich ehrlich sein? Mir hat vor diesem Typen derart gegraust, ja, geekelt, ich hätte ihn am Liebsten angekotzt. Jede Zelle krampfte sich in mir zusammen. Mir graust so, wenn mich jemand angreift, den ich nicht mag. Der war schon im Vorfeld so krank (Siehe Das verpatzte Gansl"). Ein Leben lang diese väterlichen Typen, die doch nur angrabbeln wollen, Kotzbrockengeneration. Ausnahmen bestätigen die Regel. 
Ja eh, ich gebe Dir ja Recht, nur Selbstgefälligkeit oder Überlegenheit war das nicht, nur elender, jahrelang aufgestauter Ekel.
Ad Gefühl :) Das ist da, sehr intensiv.



Antwort geändert am 14.11.2024 um 00:38 Uhr
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