Fritz Schlitz 1978

Prosagedicht

von  Redux

Fritz hatte es niemals leicht-in jeder Beziehung.

In den siebziger Jahren hieß man Thomas, Dirk oder Andreas,

Stefan oder Jürgen,

und man trug nicht einen Vornamen aus dem siebzehnten Jahrhundert.

Fritz trug karierte Hemden und roch.

Wonach, konnte niemand so genau sagen.

Die Familie wohnte in einem Haus der Gemeinde, hauste mit mindestens

zehn Leutchen auf was weiß ich wie viel Quadratmetern.

 

Und dann hatte der Fritz einen wahnsinnig kleinen Schniedel.

In der Umkleide im Hallenbad jagten wir ihn-

im Besitz seiner Unter- und Badehose, durch die Räume,

während er mit einer Hand eine Hose zu greifen,

und mir der anderen seinen Schiedel  zu bedecken versuchte.

 

Dieser wurde auf „ Zwei-Millimeter-Sport-Pisser“ getauft,

auf „ Ein-Millimeter-Nahkampf-Stachel“

etc…

„ Zwei Zentimeter weniger und Fritz wäre Königin!“

( Andreas)

„ Fritz Schlitz“

( Wer ihn jetzt so taufte, war nicht mehr genau klar)

 

Aber Fritz Schlitz war stigmatisiert,

quälte sich durch die Siebziger,

während die RAF bombte,

Disco 78 uns elektrisierte,

Franz Beckenbauer, der Kaiser, nach und nach seine Karriere beendete

Usw

 

Ich sehe ihn noch, den Fritz,

im Schulbus,

zwei Reihen vor mir,

während er durch die beschlagenen Scheiben blickt,

im Profil ähnelte er einem türkischen Staatsmann

mit wahnsinnig markanten Zügen,

auf Briefmarken abgebildet, die ich damals besessen sammelte,

die feuerrote Wange

an der kondensierenden Scheibe pressend,

sein Kopf

ein Denkmal,

eine Narbe,

ein Nichtvergessen,

für ihn

und auch für mich.

 

 



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Kommentare zu diesem Text


 Teo (29.11.24, 09:06)
Ach du Schreck...Herbert!
Du warst ja früher richtig gemein.
Apropos kleiner Schniedel.....
Ich war mal mit unserem Stefan in der Sauna. So gelacht hatte ich lange nicht....ach egal, er ist ja sonst schwer in Ordnung.
Schönes Wochenende und Sieg für deine Adler.
Teo

 Redux meinte dazu am 29.11.24 um 10:13:
Eigentlich nicht mehr oder weniger als alle anderen.
Gruppenzwang.
Ja, ein Sieg der Adler...das wärs noch.
Danke Teo, dir auch ein schönes Wochende

 AchterZwerg (29.11.24, 11:23)
Ach, ach,
wer trägt wohl nicht an einer solchen (vergleichbaren) Schuld? Einer Sache, die man sich einfach nicht verzeihen kann ...

Dem LyrI übers Köpfchen streichelnd
der8.

 Redux antwortete darauf am 29.11.24 um 11:26:
Schon längst verarbeitet,  aber dennoch sehr lieb, sagt da Lyrich...smile

 Mondscheinsonate (29.11.24, 11:26)
Wir hatten eine Sie, Viktoria. Mir tut es heute noch leid. Wie Kinder gemein sind. Sie roch nach Urin.

 Redux schrieb daraufhin am 29.11.24 um 11:28:
Man kann als Kind die Tragweite nicht abschätzen. Später irgendwann schämt man sich dafür in Grund und Boden

 Mondscheinsonate äußerte darauf am 29.11.24 um 11:35:
Das stimmt. :(

 EkkehartMittelberg ergänzte dazu am 29.11.24 um 12:39:
Herbert, magst du mal googeln: Ekkehart Mittelberg: Pers

Es gibt interessante Parallelen.

LG
Ekki

 Aron Manfeld (29.11.24, 16:05)
Das sind so diese Prügelknaben, an denen wir unser Selbstbewusstsein aufrichten, bis wir im wirklichen Leben mitunter selbst zu solchen werden und die damaligen Opfer rückwirkend um Verzeihung bitten.

 Quoth (29.11.24, 16:21)
Immerhin habt Ihr ihm nicht explizit unterstellt, er sei eine Schwuchtel ... 
Wir hatten eine in der Klasse, die wurde "Stinke" genannt. Niemand wollte neben ihr sitzen, da wurde sie neben mich gesetzt, weil ich einen Einzelplatz hatte. Ich ließ sie abschreiben. Aber mit gekrauster Nase ...
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