Außenseiter

Weil meine Nachbarin gestern meinte, sie feiere Silvester bei Freunden in G., dem Städtchen meiner Kindheit, da fiel mir etwas ein. 

In der Reihenhaussiedlung meiner Großeltern, ich erwähnte es nie, war eine Familie, die sich nie zeigte. Das war allerdings seltsam, denn wir waren tatsächlich wie eine große Familie, gingen überall ein und aus. Ich weiß nicht einmal mehr wie sie geheißen hat und das Interessante ist, nicht einmal meine klatschsüchtige Oma sprach über sie. Niemand sprach über diese Menschen. Gerade die Zurückhaltung macht interessant, jedoch in diesem Fall interessierte sich niemand für diese Leute als ob sie nicht existierten. 

Die große Frage ist aber, ob sie überhaupt existierten, denn ich sah sie nie. 

Sich so gar nicht für jemanden in einer Gemeinschaft interessieren, das ist im nachhinein schon äußerst verdächtig. Nicht einmal Namen erwähnen, ebenso. An dem Haus vorbei gehen, ohne über sie jemals nachzudenken. Überall anläuten und ein Wiesenfest ankündigen, ohne dort anzuläuten, so tun als ob es das Haus nicht gäbe und diese Nicht-Existenz durchgehend betreiben, nicht einmal den Versuch machen, sie existent machen zu wollen. 

Ja, da lebten Menschen, die Hecke war hoch und wir sahen nicht hinein, manchmal war das Fenster offen, Stimmen hörten wir nie. 

Diese Nicht-Existenz dieser Menschen interessiert mich plötzlich. Ich werde am Montag einen Grundbuchauszug einholen. Jetzt will ich ihnen eine Existenz geben, denn auch diese Nicht-Existenten gehörten in meine Geschichte durch ihre Abwesenheit.