Ein Brief
Text
von Mondscheinsonate
You're my happy place.
Mein Liebster,
mit Dir bewege ich mich durch alle Zeitzonen, lass uns über Zeit philosophieren, rechne stets +2, +3, -1, +8, -6, nie in meinem Leben dachte ich über so etwas nach. Ich schrieb Dir einmal, manchmal bist Du jünger, manchmal älter, Du hast gelacht, aber es ist wahr, eigentlich zumeist bist Du der Zeit voraus, zumindest meiner.
Einmal hörte ich auf Ö1 eine künstlerisch wertvolle, preisgekrönte Radiosendung. Man hörte, was eine Murmel (tatsächlich!) hört, nämlich das Murmeln der Menschen, auf dem Flughafen von Madrid, gleichzeitig hörte man das Rollen der Murmel, dies zwei Stunden lang. Die große Frage deinerseits nehme ich vorweg, nämlich: "Warum hörst Du Dir sowas an?" Nun, ich war neugierig, ob man irgendetwas anderes hören wird als das Rollen der Murmel und das Murmeln der Menschen. Aber, ich hörte vergebens und verlor dadurch zwei Stunden meiner Lebenszeit, die ich schmerzlichst vermisse. Ich machte mir nur lange danach Gedanken über das Wort "preisgekrönt".
Ich vermisse das Reisen sehr, früher war ich auch überall, aber jetzt fliege ich nur noch im Kopf, auf dem Küchentischsessel sitzend, mit Dir mit, stelle mir vor, während Du Deine wichtigen Verhandlungen hast, schlendere ich durch die Städte, oh nein, ich bin keine Shopping Queen, da fehlt mir ein Gen, ich gehe ins Museum und sehe mir die städtische Architektur an, lese Bücher in Parks oder stöbere in Buchhandlungen, einfach gehen und schauen, staunen. Und dann freue ich mich schon auf Dich. Ja, das stelle ich mir vor. Ich bin schon Meisterin im Vorstellen.
Aber wollen wir doch realistisch sein, wahrlich pessimistisch, spielt es nicht, nichts spielt es, nur Kopfkino, der Film gefällt mir aber, ich warte die ganze Zeit auf den Kuss, aber die beiden verpassen sich immer, so tragisch.
Gerade das Tragische macht den Menschen doch weich, sentimental und so tragisch es ist, will man gar nicht raus aus dem Seufzen, denn die Hoffnung auf Erfüllung ist dennoch da (Wo wir wieder bei der Murmel wären!).
Natürlich, wir schrieben bereits beide über das Thema, ist Angst auch da, bei Dir hängt alles daran, die, was nach der Erfüllung sein würde? Bedeutet das das Ende einer reizenden Konversation oder das Ende der Melancholie, das Ende des Schwebens, ein erzwungenes Ende, ein erleichtertes, ein erfülltes, tatsächliches? Jedenfalls ein Anfang eines neuen Kapitels.
Ich gestehe: Mittlerweile möchte ich es mir gar nicht mehr ohne Dich vorstellen. Ich liebe Deine Nachrichten, es sind nur Petit Fours, auf den ersten Blick, aber schmecken zuckersüß, sind eine reine Gaumenfreude, für mich sehr kostbar.
Ich sehe Dich meine Briefe im Gehen lesen, schnell schnell zwischen zwei Terminen, ertappt, nimm Dir Zeit, die nehme ich mir auch beim Schreiben, sie sollen Dich entschleunigen, ins Fühlen bringen, einen Moment des gemeinsamen Fühlens, das ist unser privater Moment.
Und während Du liest, sitzt, ja, setz Dich, umarme ich Dich von hinten, küsse Dein Ohr und Deinen Hals, sehr glücklich, nein, überglücklich. Ja, so glücklich machst Du mich.
Jedoch, wohlan, mein Liebster, ich habe Deine Pläne, Chapeau!, für 2025 gelesen, ich sehe die freie Zeit schwinden, die für uns beide. Knacke die 3, ich bin bei Dir zuversichtlich, mir tut's a bisserl weh. Bald bitte ich Dich um neun Euro für mittelgroße Popcorn, der Film hat Überlänge.
Auch, wenn ich hier auf hohem Niveau jammere, Du weißt hoffentlich schon, dass ich Dich niemals drängen will und werde.
Opa sagte immer: "Was zusammenkommen soll, wird auch zusammenkommen." Ich bewunderte diesen echten, wahrhaftigen Optimisten.
Ja, uns hält das Träumen zusammen, wir träumen denselben Traum und während Du in den Wolken hängst, schwebe ich am Boden, sehe hinauf zu Dir und lächle.
Lass Dir sagen, ich würde niemals zum Revolver greifen (don't shoot me), eher zum Florett (tut nicht weh!), bin darin geschult.
Der Philosoph Jean-Jacques Rosseau schrieb an Suzanne Serre:
"[...] Ich habe bei Ihnen den geringen Verstand, der mir noch blieb, verloren [...]"
So ist es.
Ich denke, mehr zu sagen, ist heute nicht notwendig und drückt aus, was ich fühle.
Ich küsse Dich leidenschaftlich und sende Dir viel Herzwärme,
C.