Frische Fische

Anekdote zum Thema Essen/ Ernährung

von  Regina

In Kopenhagen, wo ich einige Monate lebte, kaufte ich einem Straßenhändler zwei frische Fische ab. Als ich diese in der Pfanne braten wollte, bemerkte ich, dass sie noch zappelten. Ich brachte es aber nicht fertig, diese Geschöpfe umzubringen. Die Tötungshemmung, die verhindert, dass einer den anderen bei jeder Meinungsverschiedenheit gleich umlegt, erwies sich als zu stark.


Ist diese Schranke einmal durchbrochen, kann das im allgemeinen nicht mehr einfach zurückgenommen werden. Das heißt, dass ein Soldat, der im Krieg getötet hat, auch im zivilen Bereich von der Tötungshemmung frei ist. Nicht jeder Veteran entwickelt sich so zum Schwerverbrecher, möglicherweise schießt er auf Vögel oder bringt einen kranken Hund mir nichts dir nichts um. Vielleicht greifen auch die Restriktionen, die ihm die zivile Gesellschaft auferlegt und er entwickelt sich nicht zum Kriminellen. Nicht wenige der Kriegserfahrenen allerdings greifen dann zum exzessiven Alkoholkonsum. Der Soldat bringt aber auch ein Opfer für sein Land, indem er zum Schaden seiner eigenen Entwicklung handeln muss.


Ich also eilte zu dem Händler zurück, der mir die Fische verkauft hatte und signalisierte ihm mein Problem. Nicht ohne einen verächtlichen Seitenblick auf mich griff er zu einem scharfen Messer, um die beiden Kreaturen kurzerhand zu köpfen. Ich verarbeitete die Tiere nicht zu einer Mahlzeit, sondern verfütterte sie schließlich an die Katzen.

 
Trotzdem vertrete ich keinen fanatischen Vegetarismus. In Europa habe ich nie in meinem Leben an Hunger gelitten. In der Ukraine und Russland gab es ja unter Stalin sogar Leute, die aus Not ihre verstorbenen Eltern im Kochtopf schmorten oder gar die eigenen Kinder verspeisten. Vorstellen kann ich mir das nicht.

 
Aber, wenn die Menschen alles, was sie essen, selbst fangen und töten müssten, gäbe es das Problem der nicht artgerechten Massentierhaltung nicht.


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Kommentare zu diesem Text


 Augustus (14.01.25, 13:11)
Soldaten, die töten oder töten mussten, fühlen sich von der Gesellschaft unverstanden, wie Eigenbrötler, sie haben eine Erfahrung gesammelt, die abseits der Grenzen der Erfahrung liegt, die andere Menschen erleben. 

Die Übertritt der Erfahrungen über die moralischen Grenzen hinaus, sorgt dafür, dass gute Menschen sich als schlechte Menschen fühlen; während schlechte Menschen schlecht bleiben und deshalb keine moralischen Dilemma fühlen.

 Regina meinte dazu am 14.01.25 um 13:24:
Die Einteilung in gute und schlechte Menschen ist doch a priori problematisch, da jeder gute und schlechte Anteile besitzt und die Bewertung auch von der Einschätzung des erzieherischen und kulturellen Hintergrunds abhängt.

 EkkehartMittelberg (14.01.25, 14:08)
Gina, du bringst mich wieder einmal zum Nachdenken, vor allem über die Soldaten, die im Krieg getötet haben.
LG
Ekki

 Gabyi antwortete darauf am 14.01.25 um 14:21:
Meine Erfahrung zum Thema: 
Mein Vater tadelte uns Kinder, wenn wir am Hafen Fische angeln wollten, weil das Tiermord sei. Gleichzeitig verprügelte er mich dergestalt, dass das Blut spritzte. Er hatte im 2.WK als Soldat in Russland gekämpft.

 Regina schrieb daraufhin am 14.01.25 um 15:07:
Ich habe Amerikaner kennengelernt, die im Irak-Krieg gekämpft hatten. Religiös eingestellte machten sich Gewissensbisse, andere sprachen von Depressionen bis hin zur Selbstmordneigung.

 Regina äußerte darauf am 14.01.25 um 18:30:
Gabyi, dein Vater hat vermutlich so seine Kriegserlebnisse unreflektiert verarbeitet.
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