Eiszeit ... oder Zeit für ein Eis

Beschreibung zum Thema Leere

von  eiskimo

Am Kriegerdenkmal von Winnersdorf hat sich ein Obdachloser eingenistet. Direkt unter dem Sockel „Für unsere Helden“, da ist sein erbärmliches Lager. Der verschossene blau-rosa Schlafsack und die grell-bunten Plastiktüten mit seinen Habseligkeiten kontrastieren heftig mit dem feldgrauen Landser oben auf dem Sockel. Der kniet da gesenkten Hauptes mit seinem kantigen Wehrmachtshelm und dem Bajonett seitlich am Gürtel. Das hat Haltung.
Der Penner liegt nur unförmig zu seinen Füßen. Nein, er stört nicht in seinem verschossenen Schlafsack. Man kann ja an ihm vorbeigehen und muss auch nichts in den Pappbecher tun, den er vor sein Lager gestellt hat. Nee, muss man nicht. Dahinter wächst ein bisschen Grün, ein paar Blumen, die gerade zaghaft ihre erste Blüten treiben – das Kriegerdenkmal von Winnersdorf wird  nämlich gut in Schuss gehalten.

Die Blickrichtung des Soldaten weist genau auf „Dolce Vita“. Das ist die Eisdiele von Winnersdorf. Man braucht nur die Hauptstraße zu überqueren, dann steht man vor der kleinen Terrasse, die jetzt an den ersten Frühlingstagen schon gut besetzt ist. Daneben kann man auch Eis für „auf die Hand“ kaufen, Becher oder Hörnchen, die Kugel für 1,50€. Jetzt, am Nachmittag, kommen die Kinder und Jugendlichen. Sie scheinen reichlich Taschengeld zu kriegen, denn unter drei Bällchen macht es keiner.

Mit ihrer Kostprobe "Dolce Vita" in Vorhalte überqueren sie die Straße und kommen zurück zum Kriegerdenkmal. Da warten zwei Bänke, da haben sie ihre Fahrräder abgestellt und da albern sie jetzt ein bisschen herum. Einer hat sein Smartphone hervorgeholt, damit zeigt er feixend irgendwelche Clips, die spontanes Gelächter hervorrufen.

Nein, dass da der feldgraue Krieger auf seinem Denkmal mahnend zuschaut, das interessiert keinen von ihnen. Völlig klar. Und der Penner da drunter in seinem verschossenen Schlafsack? Nö, der auch nicht. Den sieht man ja schon seit ein paar Tagen hier sinnlos abhängen.  




Anmerkung von eiskimo:

Hintergrund: Winnersdorf ist ein reicher Vorort von K. Die SUV-Dichte ist sehr hoch dort. Es gibt auch zwei Kirchen. Jetzt im Frühling, da stehen vor einige reichen Häuser Kartons. Die sind prall gefüllt mit Krimskram, der wohl weg kann. "Zu verschenken" steht auf einem Zettel. Man hat ja Herz. Und das Schlimme in der Welt ist verdrängt.

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Kommentare zu diesem Text


 AchterZwerg (30.03.25, 07:13)
In manchen Gegenden gab es ja noch die Helden der Arbeit - komisch deren Denkmäler finden sich eher selten. 8-)

 eiskimo meinte dazu am 30.03.25 um 08:06:
Helden der Versöhnung, der Friedensschaffung, der Uneigennützigkeit, des Dienstes an der Gemeinschaft, der Lebenfreude.....
:)

 Quoth (30.03.25, 09:52)
Erinnert mich an die  Eröffnungsszene von Chaplins City Lights: Derselbe Kontrast aus gutbürgerlichem Denkmalpathos und realem Elend - von Chaplin natürlich ins Komische gezogen ...

Kommentar geändert am 30.03.2025 um 09:53 Uhr

 eiskimo antwortete darauf am 30.03.25 um 10:34:
Du drückst das toll aus (Denkmalpathos und reales Elend...) und Du kennst auch viel bessere Bilder als meins - Danke.
Mich hat dieses Szenario in unserem Ort so berührt, weil es so belanglos erschien. Man hat es sich schön gemacht in dieser zum Himmel schreienden Welt...
herzliche Grüße
Eiskimo
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