Im Restaurant

Text

von  Saudade

Ein beleibter Herr im Anzug und Krawatte hat fertig gegessen, nimmt sich die rosa Stoffserviette von der Schoß und tippt sich damit gesittet den Mund ab. Seine Frau, ihm gegenüber an einem kleinen Tisch, deutet dezent auf die Krawatte, die einen Fleck abbekommen hat, von der Sauce Hollandaise. Er sieht hinab zum Fleck, bekommt dadurch ein Doppelkinn, wischt mit der Serviette an dem Fleck herum, der wird dadurch immer größer. Die Frau schüttelt den Kopf.

Am Nebentisch, wahrlich ein gediegenes Ambiente hier, turtelt ein Liebespärchen, ihre Hände sind zusammen, die Finger spielen miteinander, sie versinken in ihren Augenpaaren. Der Kellner stört sie, schenkt ihnen Sauvignon Blanc nach, den allerfeinsten Tropfen, fragt, ob sie schon gewählt haben? Es wird Fisch geordert. Der Kellner geht zu einem kleinen Biedermeiertisch, macht die Bestecklade auf und holt Fischbesteck heraus, geht zurück zu den Liebenden und wechselt das Besteck. Die beiden bedanken sich. Der Kellner nickt höflich und geht in Richtung Küchentüre, die automatisch durch einen Lichtschranken aufgeht. Kurz sieht man einen Koch, der grüne Bohnen in Butter schwenkt, glaciert. Er hat die Pfanne in der Höhe. Danach stellt er sie wieder hin, wackelt sie noch kurz hin und her, dann geht die Türe wieder zu.

Links beim Fenster ein Tisch mit einer brennenden Kerze darauf und einer kleinen Vase mit einer Rose darin. Die alte Geheimratswitwe, feiert ihren 98. Geburtstag alleine. Sie ist Stammgast. Der Geschäftsführer bringt ihr persönlich seine Glückwünsche zum Ausdruck, servierte ihr ein Gläschen Portwein und einen Apfelstrudel, ganz wie Frau Doktor es immer möchte. Plaudert höflich mit ihr im Stehen, dann verbeugt er sich und schickt sich an zu gehen, da sagt die Witwe: "Sagen's, der Kerl da," und zeigt ungeniert auf den männlichen Part des Liebespaares, "der kommt auch alle zwei Wochen mit einer anderen Frau! So ein Hollodri!" Der Geschäftsführer senkt seine Stimme, während er sich zu der Witwe beugt, sagt: "Ja, der kann es!" 

Dann empfiehlt er sich und geht ab. 

Die Witwe nippt an ihrem Gläschen und schüttelt den Kopf, dabei wackeln ihre Granatohrringe an den großen Ohrläppchen.

Ebenfalls am Fenster, eines weiter, dazwischen ist eine rosa Bank, wie ein Zugabteil, sitzen zwei Geschäftsleute und reden über Zinsen. Sie essen und reden mit vollem Mund. Das Rehgulasch mundet, auch der Zander. 

Ein Gläschen Rot, ein Gläschen Weiß, sie prosten sich zu, trinken, essen weiter. Und hinten im Eck, da sitzt der Wilhelm, einst ein Großgrundbesitzer, jetzt hat er nur noch eine Villa in Döbling, kocht nicht selbst, kommt jeden Tag essen. Der Keller kommt aus der Küche, geht zu ihm,  grüßt ihn freundlich, sagt: "Herr Wilhelm, was darf es denn heute sein?" Die Frage ist rein rhetorisch, Herr Wilhelm ißt immer nur das Menü. Heute gibt es Grießnockerlsuppe, Zwiebelrostbraten mit Salzkartoffeln und als Nachspeise eine Sachertorte. 

Die Dame, die mit dem Herrn da ist, der sich die Krawatte schmutzig gemacht hat, winkt dezent den Kellner her, bittet um die Dessertkarte. Der Kellner geht wieder zu dem Biedermeiertisch und holt diese, legt sie ihr behutsam auf den Tisch, geht wieder. Ein Kellnerlehrling kommt aus der Küche, stolpert über rein gar nichts, fällt vor das Paar. Die Dame springt auf, schreit: "Um Gottes Willen!" Das Liebespaar sieht nur kurz hin, dann wieder zu sich, die Geheimratswitwe schüttelt den Kopf, die zwei Geschäftsmänner legen das Besteck nieder, warten, was passiert ist, Herr Wilhelm schreit: "So ein Tollpatsch!" und der Kellner hilft ihm auf, hakt sich unter seinen Arm ein, zieht ihn in Richtung Küche. Nach kurzer Zeit kommt er wieder heraus und entschuldigt sich bei der Dame, die sich wieder hingesetzt hat, sagt: "Das Dessert geht auf's Haus."


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Kommentare zu diesem Text


 lugarex (03.06.25, 19:25)
Das Dessert geht auf's Haus.
was braucht es noch mehr? ;)
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