Der Vergnügungspark

Text

von  Saudade

Abschalten! Das, für ein paar Hunderter. Schließlich kostet eine Fahrt bereits 10 Euro aufwärts, bei ein paar Kindern geht das schon ins Geld. Egal! Hereinspaziert, ins Kuriositätenkabinett, die Spiegel dehnen oder machen breit, die Kinder lachen. Ein Waggon der Hochschaubahn bleibt voll besetzt ganz oben stehen, bevor er mit Vollgas hinab fährt, es schmeißt die Menschen nach links in der Kurve, dann das Looping, Hände werden in die Höhe gerissen, es wird gekreischt und geschrien, einem ist furchtbar schlecht, beim Aussteigen kotzt der in die Wiese.

In der Geisterbahn, nach ein paar Püppchen, die wie aus dem Nichts erscheinen, kreischen die Kinder am meisten über ihr eigenes Spiegelbild zum Schluss, mit dem haben sie nicht gerechnet. 

Eine schmale Wasserbahn. Kleine Kinder werden gegen ihren Willen in kleine Schwäne aus Metall, bemalt, gehoben, dann fahren diese eine Runde im Kreis. Die Erwachsenen winken, einige Kinder weinen, ein paar freuen sich, auch sind manche still, fassen ihr Glück nicht oder ihr Unglück.

Eine Zwergenhochschaubahn daneben, etwas ältere Kinder, jedoch noch unter 10, werden in Waggons nach oben geschoben, die Steigung ist minimal, fahren dann eine gerade Strecke durch einen "Berg" aus Beton, ebenso angemalt, um dann draußen wieder abwärts zu sausen. Das ist so schön, dass viele öfters fahren wollen. Papas und Mamas holen Chips, während die Kinder demonstrativ sitzen bleiben und konkludent ihren Willen kundtun. 

In der Mitte geht es wilder zu. Einstieg in eine Gondel, die links und rechts an Seilen hängt, dann fährt diese in die Höhe, sieht oben aus wie eine Steinschleuder und dann wird sich gedreht, rauf und runter gefahren, wie beim Bungee Jumping, es verheddert und dreht sich oben. Die Masse schreit "Wow!" am Boden. Die Insassen beten, nur die Hartgesottenen finden das "geil", schon sind 25 Euro in den Himmel geschleudert worden, dies zu lauter Discomusik.

Das amüsiert den Langosbudenbesitzer schon lange nicht mehr, er bruzelt desinteressiert seine Kartoffelfladen und tränkt diese in Knoblauch, bestreut mit Salz. Die Schlange dankt es ihm. Daneben ein großes Bierlokal, das bummvoll ist, es wird Stelze serviert. Die unzähligen Kellner tragen riesengroße Tabletts voll mit Essen und Getränken, verrechnen sich danach zugunsten des Lokals oder sich selbst. Es fällt nach dem vierten Bier niemandem auf. 

Die Wasserbahn macht den Besuchern sichtlich Spaß, auch hier laute, ohrenbetäubende Musik. Auf Schienen geht es in einem "Baumstamm-Waggon" hinauf und dann schnell wieder hinunter, aber die Schienen enden im Wasser. Durch den Aufprall an der Wasseroberfläche spritzt es die Insassen voll. Die kreischen und jubeln. 

Überall laute Disco- oder Chartmusik, nur das kleine, alte Karussell lässt sich von all dem Wirbel nicht beeindrucken. Alte holzgeschnitzte und liebevoll bemalte, teilweise ist die Farbe schon abgeblättert,  Pferde drehen gemütlich ihre Runden, es spielt Leierkastenmusik. Dazu glänzen in der Mitte bunte Lichter und spiegeln sich in den Augen der kleinen Reiterinnen. Ein Königreich für ein weißes Pferd. 

Im Lachkabinett weiter auf der Seite, bringt der schiefe oder grabesweiche Boden zum Lachen. Junge Damen kreischen, Luft kommt aus Düsen und alles was unter den Hüften an Kleid war, landet in ihren Gesichtern, dann müssen sie durch ein Glaslabyrinth, laufen gegen Scheiben, haben längst den roten Faden verloren. Am Schluss muss sich abgeseilt werden, auf Knoten am Seil können sie Schritt für Schritt abwärts. Und weil alles so lustig war, noch ein Wackelboden, der ein wenig zu heftig wackelt, werden dabei fotografiert, können das Foto dann kaufen. 

Im Tagata stellen sich einige an den Rand, halten sich fest, dann bewegt sich die Scheibe wild auf und ab, manche können sich nicht mehr halten, kugeln durch die Gegend.

Und im Autodrom fahren Autos aneinander, werden abgedrängt, Peitschenschlagsyndrom von hinten. 

Das kümmert die nicht, die in kleinen Raumschiffen sitzen und sich gegenseitig, in der Luft fahrend, abschießen müssen. Der Meistgetroffene sinkt zu Boden. 

Ein Straßenmaler hockt davor und malt die Mona Lisa mit Kreiden, Menschen essen Softeis und sehen ihm zu. 

Einige Burschen messen ihre Kräfte, schlagen mit einem Hammer auf einen Ambos, sogleich fährt eine Kugel in die Höhe. Wenn es klingelt, dann ist man der Stärkste. Eine kleine Wahrsagermaschine sagt für einen Euro die Lottozahlen voraus. Es bewegt sich in dem Kästchen ein gruseliger, mottenzerfressener Stoffkopf mit Turban, gibt für zwei Euro das große Glück aus. 

Und am Ende, hinter einer Pommesbude, bei der Betrunkene ein Bier nach dem anderen trinken, stehen Damen aus Tschechien oder Nigeria, leicht bekleidet, und warten auf die Adrenalinjunkies für den letzten, aber größten Spaß des Abends. 


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Kommentare zu diesem Text


 Graeculus (04.06.25, 00:56)
Man kennt ja Simenons Motto: "Alles verstehen, nichts verurteilen." Hier gilt: "Alles schildern, präzise schildern, nichts verurteilen" ... nicht einmal die Damen aus Tschechien und Nigeria.

Über Prostitution könnte man gewiß auch anders schreiben (und mit Berechtigung), aber sie hier als Bestandtteil eines Unterhaltungs-Ensembles zu lesen, ist auch mal gut, entlastet nämlich von dem moralischen Druck, sich ständig über etwas aufregen zu müssen. Autorin und Leser sind nur schauend, schauend und staunend.

 Saudade meinte dazu am 04.06.25 um 07:19:
Hier im Kommentar darf ich kurz subjektiv sein: Seichte, schenkelklopfende Unterhaltung überlasse ich den Anderen. Und was alles als Unterhaltung gezählt wird, spare ich mir seit über 20 Jahren. Letzteres, die Damen, sind bitterernst, werden dorthin geschoben.

 Graeculus antwortete darauf am 04.06.25 um 14:51:
Mein Respekt gründet auch darauf, daß ich so nicht schreiben kann: Dafür denke ich zu viel und schaue zu wenig.

 Saudade schrieb daraufhin am 04.06.25 um 15:09:
Ich lese gerade im Garten Tolstois "Kreutzersonate", denke, Tolstoi war ein Meister des Dialogs und der Erzählung. Gleichzeitig rieche ich die Rosen, höre die Kinder am Sportplatz toben, auch Amseln, trinke Kaffee und Wasser. Ich könnte gar nicht klar denken ohne das Außen. Ich denke, viele nicht, sie gehen nur nicht hinaus. Der Jammer. 
Setz dich in die Natur und schaue. Ich bin sicher, die Idealisten werden in deinem Kopf jauchzen.

 Graeculus äußerte darauf am 04.06.25 um 15:26:
Wenn ich lese, vergesse ich alles drumherum. Das ist offenbar ein Unterschied zwischen uns.
 
Ansonsten, ja ... Kürzlich saßen wir in einem Restaurant und am Nachbartisch zwei japanische Familien. Die Kinder waren mit iPods ruhiggestellt, während die Erwachsenen ähnlich mühsam und unbeholfen mit Messer & Gabel aßen, wie ich mit Stäbchen gegessen hätte. 
Dies zu beschreiben, könnte schon eine Szene à la Saudade ergeben. Aber in mir stiegen gleich wieder Gedanken über kulturelle Relativität auf und darüber, daß jeder in einer fremden Kultur eben genau dies ist: fremd.
Nur die iPods oder Smartphones scheinen noch kulturübergreifend zu sein.

Antwort geändert am 04.06.2025 um 15:43 Uhr

 Saudade ergänzte dazu am 04.06.25 um 15:33:
Ein hoffnungsloser Fall.😂😂😂
Ich auch (lesen), aber ich muss gerade ein Auge auf Emil haben, die Terrassentür ist offen. Er darf nicht hinaus.

Antwort geändert am 04.06.2025 um 15:34 Uhr
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