Forenolaf

Text

von  Isensee

Wohnzimmerliterat und faltiger Wichser, denkt er, während ihm die Welt zum zweiten Mal durch die Finger rinnt—nicht als Flut, sondern als rostige Tropfen aus einer Leitung. Forenolaf sitzt im Flur unter der Blechtür, das Licht gleißt zwischen den schmalen Ritzen, als wäre es ein Appell an seine Schlaflosigkeit. Der Ton der Welt hier ist schabend, metallisch: ein Pulsieren im Rost, das ihn fast einschläfert und doch zugleich elektrisiert. Er tastet mit den Fingerspitzen über die kalte Oberfläche, spürt Klirr in den Adern, obwohl er längst kein Bier mehr trinkt, seit das letzte Glas vor Jahren zersprang.

Ich wache auf, sagt er, und finde mich in einem Zwischenreich, wo das Atmen ein Mythos geworden ist. Die Gangart der Stille trägt Schritte, die keiner hört: sein eigenes Herz, das versucht, sich wie ein Panzer zu tarnen. Unter der Blechtür das Summen eines vergessenen Fernsprechers, endlose Rufe ohne Adressat. Forenolaf lauscht und übersetzt in Gedanken: „Hier ist nichts verloren, nur verweht.“

Er erinnert sich an den Geruch von Öl auf den Händen seines Vaters, wie eine Morgenandacht, die er nie verstand. Öl, das in der Sonne glänzt und Alkoven flirren ließ, während draußen bereits der Verkehr röchelte. Heute hört er das Tropfen von Wasser auf Beton und glaubt, es sei eine Symphonie, komponiert von einer Maschine, die sich für Gott hält. Er schlägt die Augen nieder und sieht, wie ein Tropfen zögert, sich teilt, flieht.

In den Rissen der Wand wachsen Wörter: kaum lesbar, fragmentarisch. „Zu spät“, steht da, „irgendwohin“. Er ließt und liest nicht, er fühlt, dass Sprache ein Organ ist, das pocht, und wenn es bricht, erklingt nichts als ein Vakuum. Forenolaf beugt sich vor, will die Bedeutungen einsaugen—doch da ist nur Schweigen.

Eine Tür knarrt, als öffne sie eine Frage: Was, wenn man das Leben nur hört, aber nicht lebt? Er steht auf, das Knarren hallt nach, als wäre es ein Tinnitus der Erinnerung. Jeder Schritt bricht die Fuge zwischen Traum und Wirklichkeit. Er fühlt sich wie ein Besucher in seinem eigenen Körper, als würde er sich selbst belauschen, während er über den rostigen Flur wandelt.

Draußen regnet es Fremdheit: Tropfen, die auseinander platzen wie Glasperlen auf Asphalt. Forenolaf hebt den Blick und sieht die Stadt, ein Gewirr aus Adern und Sirenen, das ihn lockt und abstößt. Er tastet in seiner Tasche nach einem Notizbuch, doch es ist leer—so leer, dass er darin atmen kann. Die Leere ist ein Raum, der nie verschwindet.

Er setzt sich auf die Schwelle, das Blech an seinem Rücken, und schreibt mit der Spitze eines rostigen Nagels: „Ich bin hier, obwohl keiner mich sucht.“ Jeder Buchstabe ein kleiner Riss im Beton seiner Existenz. Er spürt, wie die Zeilen vibrieren, als lebten sie. Salzwasser steigt in seine Augen, aber er weint nicht. Die Tränen würden nur neue Risse bohren, in denen Wörter versinken.

Ein Vogel zwitschert—falsch, eine Sirene, die sich verspottet. Forenolaf hört beides zugleich und weiß nicht mehr, ob es Nacht ist oder Tag. Zeit löst sich auf wie Zucker im Regen. Er steht auf, klopft den Staub von den Hosen und hört ein leises Klicken: die Blechtür fällt ins Schloss. Ein letzter Ton, der nachhallt, während er in den Flur hineintritt, weg von dem Ort, der ihn zugleich gab und raubte.

Im Treppenhaus hallen seine Schritte. Jeder Schritt ein Versprechen: nach vorn, weiter, tiefer in die Stadt, in das Geräusch, das man Leben nennt. Seine Hand berührt die Wand, als wolle er sie mitnehmen, in den Hunger seiner Taschen, aber sie gleitet ab, zurück in den Rost. Er atmet ein—oder vielleicht atmet die Welt ihn ein. Und während die Tür hinter ihm verhallt, bleibt nichts als das Summen, das sanft in sein Ohr zieht:

Hier ist alles Fragment und doch ganz. Hier bin ich. Forenolaf.



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Kommentare zu diesem Text


 Jack (19.06.25, 03:31)
Entferne doch wenigstens diese auf einer normalen Tastatur nicht vorhandenen langen Striche, damit es nicht so offensichtlich ist.

 Isensee meinte dazu am 19.06.25 um 03:57:
Das sind Gedankenstriche Alt + 0150

 Jack antwortete darauf am 19.06.25 um 04:02:
Woran dachtest du denn? Die Kombi kennt kaum jemand; die Leser könnten denken, dass du auf einer Übersee-Tastatur tippst.

 Isensee schrieb daraufhin am 19.06.25 um 04:05:
In Word geht es einfach mit doppelt Bindestrich.

 Isensee äußerte darauf am 19.06.25 um 04:07:
An Friedhöfe

 Jack (27.06.25, 10:05)
Von Mensch zu Olaf: Schreib doch mal wieder selbst.

 Isensee ergänzte dazu am 27.06.25 um 10:10:
Ist doch selbst und mit einem Prompt verbessert. Warum sich die Mühe machen, wenn man Recherche und Rechtschreibprüfung in einem hat. Du verkennst die Lage. Lern Prompten!
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