etwas anderes

Tagebuch zum Thema Gesundheit

von  tulpenrot

Da standen sie um mein Bett wie jeden Vormittag, begrüßten mich, schauten meine Patientenakte an, diskutierten. Der ältere von ihnen war sicher der Chefarzt, die übrigen wohl junge Stationsärzte, Oberärzte oder Assistenzärzte, Frauen und Männer. Es war mir egal, wer wer war. Hauptsache, ich kam mit dem Leben davon. Sie sorgten jedenfalls dafür.

Einer der jungen Ärzte kam mir bekannt vor. War er vielleicht in den letzten Semestern mit mir in den theologischen Vorlesungen gewesen, die ich als Gasthörer immer wieder gerne besuchte? Ich wohne ja nicht weit von der Universitätsstadt entfernt und kann mir diesen Luxus leisten. Ich versuchte mich zu erinnern, aber es gelang mir nicht zuverlässig, soviel ich auch grübelte.

Am letzten Tag, bevor ich in eine weitere Klinik entlassen wurde, verabschiedeten sich die Ärzte freundlich. „Alles Gute für Sie!“ wünschte man mir. Nur dieser eine junge Arzt sagte einfach und überraschend: „Gott segne Sie!“ als sei es das Natürlichste von der Welt, dass ein Arzt so etwas am Krankenbett sagt.

Diese drei Worte „Gott segne Sie“ berührten mich tief, sie taten so gut. Das war mehr als eine fromme Floskel, die er gedankenlos dahergesagt hat. Es war für mich wie eine heilende Rundumversorgung, etwas, woran ich mich trotz der Unsicherheiten in meinem so verletzlichen Leben festhalten konnte.

Sechs Jahre sind seitdem vergangen. Ich weiß immer noch nicht, ob er mit mir in den Vorlesungen war. Möglich wäre es. Und manchmal, wenn es mir nicht so gut geht, denke ich daran zurück: Da war ein Arzt, der sich medizinisch um meine Gesundung gekümmert, aber der obendrein einen Segen über mir ausgesprochen hat.
"Gott segne Sie" - einfach so.

 



Anmerkung von tulpenrot:

Eigentlich sitzt mir ein anderes Projekt im Nacken - aber ich muss mich erst mal wieder "frei schreiben", wie "frei schwimmen".

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Kommentare zu diesem Text


 GastIltis (13.07.25, 14:30)
Hallo Angelika,
da kannst du dich glücklich schätzen. Meiner Frau ging es da neulich wesentlich schlechter. Am vorletzten Mittwoch wurde sie am Rücken operiert. Am Montag darauf, bei ihren ersten mühsamen Gehversuchen mit der Therapeutin, wurde sie von der Dame sehr unfreundlich ob des schleppenden Erfolges mit den Worten angeherrscht: „Wenn Sie nicht wollen, kommen Sie ins Heim!“ Als meine Frau mich anrief, konnte sie kaum sprechen. Ich war danach außer mir.
Liebe Grüße von Gil.

 tulpenrot meinte dazu am 13.07.25 um 14:54:
Hallo Gil, 
da tut mir deine Frau unendlich leid. So was ist unmöglich! Da sollte jemand die Therapeutin zur Rechenschaft ziehen!
Aber ich hab so etwas auch erlebt! Es gibt so herzlose Therapeuten, die alles besser wissen und sich mit keinem Gedanken an dem Zustand des Patienten orientieren! Grauenvoll.
Ich hab den Text geschrieben, weil es so außergewöhnlich war. Aber bisher hab ich im Krankenhaus in letzter Zeit sehr viel Positives erlebt. Ich wünsche das deiner Frau auch sehr. 
Liebe Grüße
Angelika

 niemand antwortete darauf am 13.07.25 um 16:40:
@ Tulpenrot
Das hört sich im ersten Moment herzlos an, aber vielleicht war diese Therapeutin psychologisch geschult und hatte diesen Satz bewußt als eine Art Schocktherapie verwandt. Manchmal braucht ein Mensch und auch das hört sich im ersten Moment herzlos an, einen Schock um dadurch zu Mitarbeit animiert/gezwungen zu werden. Damit er sich nicht hängen lässt. Es kommt allerdings immer auf den Patienten an.
Für den einen geht es so und für den anderen anders aus. Ich war mal in Therapie und nach mir kam immer ein älterer Türke dran. Dieser sollte zuhause üben, üben, übem, damit die Therapie überhaupt wirkte. Und jedesmal, wenn er kam fing er zu jammern an
und ging die Thearpeutin an mit "mach du was, damit besser". 
Diese Therapeutin konnte noch soviel reden und noch so milde sein,
er hat sich geweigert mitzumachen, aber gleichzeitig die Schuld auf sie umgelegt. Es ist nicht immer einfach einen Patienten zum Mitmachen zu bewegen, weil die meisten im Glauben leben, dass medizinischen Personal Heilerfolge gebucht hat, ohne Mitwirkung des Patienten. Es hört sich immer besser an, wenn gehutschelt wird,
aber bringt es auch immer etwas? Diese Frage ist durchaus berechtigt. LG Irene

 tulpenrot schrieb daraufhin am 13.07.25 um 18:16:
Ich weiß, ich bin eine schwierige Patientin!
Lehrerin eben - der muss man mal ordentlich Bescheid geben!

 GastIltis äußerte darauf am 13.07.25 um 18:19:
Danke Angelika,
übrigens wird meine Frau morgen entlassen. Wir sind heute (ohne Therapeutin) eine ziemlich lange Strecke auf dem Flur entlang gegangen. Der Wille ist da.
Zu dir Irene: vor sechs Jahren ist meine Frau schon ein erstes Mal (dies war die dritte und schwerste OP) am Rücken operiert worden. Damals hatte sie mit der gleichen Person zu tun, (meine Frau hat ein ausgezeichnetes Gedächtnis für Gesichter). Da geschah folgendes: Im Nachbarbett meiner Frau war eine Kosmetikerin und die Therapeutin kannte diese sehr gut. Zur Behandlung setzte sich die Therapeutin auf deren Bett und unterhielt sich mit der Kosmetikerin, während sie meiner Frau keinerlei Beachtung schenkte. So etwas merkt man sich. 
Nachdem ich zu der Angelegenheit die Stationsärztin gesprochen hatte, war am nächsten Tag die Therapeutin überaus freundlich. LG von Gil.

 niemand ergänzte dazu am 13.07.25 um 18:27:
Sowas gibt es alles und überall.Meine Bemerkung war nur eine
Möglichkeit und nicht für jeden gedacht und auch nicht verbindlich.
Ich habe übrigens auch diese Fähigkeit Menschen anhand der
Gesichter wieder zu erkennen. Die könnten sich schminken bis zur
"Unkenntlichkeit", die könnten sich verkleiden wie sie wollten, Ich erkenne sie an ihrem Gesichtsausdruck. Das kann man schlecht
erklären, es ist intuitiv. Bestell Deiner Frau mal unbekannterweise liebe Grüße mit den besten Wünschen auf baldige und vollständige Genesung!
LG Irene

 GastIltis meinte dazu am 13.07.25 um 19:25:
Danke. Weißt du, woran meine Frau in der Hauptsache Leute wieder erkennt? An den Zähnen. Weil sie ihr ganzes Leben lang in ihrem "Traumberuf" beim Zahnarzt, im Westen sagt man als Helferin, hier als Stomatologische Schwester, gearbeitet hat. LG Gil.

 eiskimo (13.07.25, 15:23)
Sehr schöner Text.
Besagter Arzt hatte die Größe, sich klein zu machen. Oft ist es ja umgekehrt.
Liebe Grüße
Eiskimo

Kommentar geändert am 13.07.2025 um 15:24 Uhr

 tulpenrot meinte dazu am 13.07.25 um 18:18:
Ich weiß sonst nichts über diesen Arzt. Es war nur dieser Überraschungsmoment.
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