Der Försterverhauer

Kurzprosa zum Thema Begegnung

von  Saira

Ich mag den alten Herrn. Ein sympathischer Typ – naturverliebt, Pilzkenner, Hundefreund. Nur: Er hat keinen.

„Wieso denn nicht?“, frage ich.

„Tja“, sagt er, „wer kümmert sich drum, wenn ich mal krank werde? Mein Sohn sicher nicht. Der ist fünfzig, wohnt bei mir, nennt sich Computerfachmann. Arbeitet im Sitzen, denkt im Sitzen, lebt im Sitzen. Bewegung? Nur mit der Maus.“

Ich nicke verständnisvoll. „Vielleicht ein älterer Hund aus dem Tierheim? Der wäre froh über ein ruhiges Zuhause.“

Er seufzt. „Ach, das Problem bleibt dasselbe. Wenn ich flachliege, liegt der Hund daneben.“

Wir treffen uns öfter im Wald – ich mit Wilma, meiner Mischlingshündin mit der Seele eines Baggers, er mit Gehstock und festem Schritt.

Einmal schimpfen wir über den Waldparkplatz: Schlaglöcher so tief, dass man darin Frösche halten könnte.
„Der Förster tut wieder nix!“, ruft der Alte.
„Na, er hat ja einen Geländewagen“, sage ich. „Der merkt die Löcher nicht.“
„Dann sollte er mal mit meinem Fahrwerk fahren!“, brummt er.

Und genau da taucht der Förster auf – ein freundlicher Mann mittleren Alters, grüne Jacke, amtliches Selbstbewusstsein.

Der Alte ruft: „Na, wann machen Sie endlich was gegen die Krater hier?“
Der Förster lächelt diplomatisch. „Nächste Woche kommt Schotter drauf.“
„Das sagen Sie jedes Jahr!“
„Ich tu, was ich kann!“
„Dann tun Sie’s halt mal schneller!“

Ich denke: Das läuft gleich aus dem Ruder.
Wilma gräbt sich vorsichtshalber eine Notunterkunft.

Der Ton wird schärfer, die Gestik größer. Schließlich hebt der Alte den Gehstock – drohend, aber eher wie ein schlecht gelaunter Dirigent.
Ich springe dazwischen, packe den Stock und rufe:
„Halt! Stopp!“

Beide schauen mich an, als hätte ich den Wald beleidigt.
Ich gebe den Stock zurück, pfeife nach Wilma, die sich bis zu den Knien im Boden befindet, und rufe:
„Macht ihr ruhig weiter – aber ohne mich!“

Wir marschieren ab – erdverkrustet, aber moralisch sauber.
Hinter uns: Stimmen, die in der Ferne wie ein kaputtes Echo verhallen.

Tage später treffe ich den Förster.
Er nickt verlegen. Der Weg ist geschottert.
Ich: „Na also – hat der Donner wohl doch gewirkt.“
Er lächelt dünn.

Und der alte Herr?
Tut so, als wäre nie was gewesen.

Ich grüße freundlich und denke:
Er mag alt sein – aber an Schlagkraft fehlt’s ihm nicht.

Seither nenne ich ihn liebevoll: den Försterverhauer.

 

 

©Sigrun Al-Badri/ 2025





Anmerkung von Saira:

Das ist eine wahre Geschichte

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Kommentare zu diesem Text


 EkkehartMittelberg (16.10.25, 13:52)
Hallo Sigi,

eigentlich müsste jeder Beruf seinen Verhauer haben, aber für einige Berufe sind die Stöcke zu kurz. :D

Liebe Grüße
Ekki

 Saira meinte dazu am 16.10.25 um 19:22:
Lieber Ekki,

die Förster haben’s noch gut: da passt der Stock wenigstens zur Tat!  :)


Bei manchen Berufen bräuchte man wohl eher einen Vorschlaghammer, um Wirkung zu erzielen.  :O


Herzliche Grüße
Sigi

 Didi.Costaire (16.10.25, 15:42)
Hehe!

Hat Wilma eigentlich auch einen Spitznamen?

Liebe Grüße,
Dirk

 Saira antwortete darauf am 16.10.25 um 19:23:
Moin Dirk,

oh ja, Wilma hat viele Spitznamen, je nach Stimmung:
„Erdwühlerin“, „Maulwurf auf vier Pfoten“ oder – wenn’s ganz schlimm kommt – „Tiefbauamt Wilma“.


Sie nimmt ihre Aufgaben im Gelände ausgesprochen ernst.


Liebe Grüße
Sigi

 Teo (16.10.25, 18:47)
Ach Sigi, das ist ja ne nette Story.
Aber...du gehst mit alten Männern durch den Wald? Und ich sitze hier rum mit meinen jugendlichen 72 und keinen stört es.
Da bin ich schon enttäuscht.
Grummelnde Grüße 
Teo

 Saira schrieb daraufhin am 16.10.25 um 19:24:
Ach, Teo … mehr als 20 Meter sind da gemeinsam nicht möglich. Wilma braucht den forschen Schritt und den schafft der alte Herr leider nicht mehr.
 
Und du bist doch mit deinen jugendlichen 72 längst Chef im Revier – ich würd mich ja gar nicht trauen, neben dir durchs Unterholz zu laufen.  :ermm:

Liebe Grüße an den Platzhirsch in Herne
Sigi

 Teo äußerte darauf am 16.10.25 um 21:18:
Na na Sigi,
nun mach mal halblang.
Nur weil ich einen IQ von 168 habe,
aus Eisenbahnschienen Fragezeichen biege und die 100m in 7.5 Sekunden laufe?
Nein, ich mag so Glorifizierungen nicht.
Bescheidene Grüße 
Teo
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