Pausenhof

Roman

von  Isensee

Sollen wir die Brote tauschen?

Sag,
Ich hab wieder Leberwurst,
diese graupige, speckige, schamlose Masse,
die ein schlechtes Gewissen zwischen zwei trockenen Scheiben
erstickt.


sogar der Pausenhofwind
dreht sich angewidert weg.

Du
holst jedes Mal kleine Wunder aus deiner Dose:
Honig, der wie goldener Sirup über die Ränder fließt,
Marmelade rot wie frisch verliebte Wangen,
Schnitten, die aussehen,
als hätten sie geschlafen,
gut geschlafen,
unter liebevollen Händen.


Ich beiß in meine.
Sie schmecken nach Pflicht,
nach „mach schon“,
nach „sei froh, dass du was hast“.


Immer deine Extrahäppchen.
Keks. Riegel. Nüsse.
Ein kleines Festmahl,
verpackt in Plastik,
aber gefeiert wie ein zarter Luxus.

Ich feiere mit
still.
Am Rand.
Mit Leberwurstatem.


Mein Papa ist Metzger, klar.
Fleisch bis in die Poren.
In seinen Händen: Stärke.
In meinen: nur Brotpapier.
Hat der Mann eigentlich irgendein Herz,
das nicht in der Auslage liegt?


Jeden Mittag dieselbe Liturgie:
Wurst. Käse.
Wurst.
Käse.
Der Gouda fett, ein ungelöster Streit,
die Hartsalami glänzt wie ein Messer,
das zu viel weiß.

Und irgendwann,
zwischen Biss zwei und drei,
wenn niemand schaut,
die Welt kurz stillsteht,
kommt dieser Gedanke angeschlichen
wie ein zugelaufener Hund:


Warum hasst mich meine Mutter?

Und ich kaue weiter.
Weil Kinder das so machen.
Weil niemand erklärt,
dass Liebe manchmal
nicht in Brotdosen passt.



Anmerkung von Isensee:

Inspiriert von Teo
 https://keinverlag.de/504894.text

Möchtest Du einen Kommentar abgeben?
Diesen Text kommentieren
Zur Zeit online: